Deutscher Pflegetag: „Kompetenzen der Pflegenden nutzen“

Berlin – Der Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR), Franz Wagner, hat die Politik dazu aufgerufen, die Kompetenz von Pflegefachpersonen stärker zu nutzen – sowohl in der COVID-19-Pandemie als auch darüber hinaus.
„Bislang sind Pflegefachpersonen die am meisten unterschätzte Ressource im Gesundheitswesen“, sagte Wagner heute zur Eröffnung des virtuellen Deutschen Pflegetags. So seien die Pflegenden in der Coronapandemie in den oberen Entscheidungsgremien kaum gefragt gewesen.
„Pflegefachpersonen sind unser wichtigstes Gut im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie“, meinte Patricia Drube, Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein und Mitglied im Präsidium der Bundespflegekammer. „Sie schultern die Hauptlast der Krise und erbringen diese Leistung unter eigenen Gesundheitsrisiken und persönlichen Einschränkungen.“
„Wir müssen Lehren aus der Pandemie ziehen und uns auf die nächste große Gesundheitskrise vorbereiten. Denn sie wird kommen“, sagte Wagner. „Dafür müssen die Kompetenzen der Pflegefachpersonen ausgebaut werden.“
Es sei frustrierend für die Pflegenden, wenn sie ihre fachliche Kompetenz nicht so einsetzen könnten, wie sie es gelernt haben. „Sie haben zu oft erlebt, wie aus der Not des Pflegemangels heraus geringer qualifiziertes Personal eingesetzt wird“, sagte Wagner. „Das ist riskant für die Versorgung.“
Dokumentation und administrative Aufgabe hinderten die Pflegefachpersonen an der Arbeit und auch beim interprofessionellen Miteinander sei noch einiges zu tun. „Denn oft herrscht weiterhin ein Hierarchiedenken in den Krankenhäusern, das kluge Entscheidungen verhindert“, meinte der DPR-Präsident. Ein lückenloser Informationsaustausch zwischen den Berufen sei noch keine Selbstverständlichkeit.
Verantwortung übernehmen
„Wir wollen Verantwortung übernehmen, auch im Bereich von heilkundlichen Aufgaben“, sagte Wagner. „Und dafür wollen wir Freiräume erhalten.“ Zudem bedürfe es besserer Chancen für Fachkarrieren, die nicht von der Versorgung wegführten. „Damit würde sich auch die Versorgungsqualität erhöhen“, betonte Wagner. „Wir wollen eine qualifizierte Mitsprache in den Vereinigungen vor Ort, im Land, im Bund und in der Selbstverwaltung.“
Wagner rief die Pflegenden in Deutschland dazu auf, als Berufsgruppe zusammenzustehen, „um zu bekommen, was wir benötigen, damit wir unseren Job machen können“. Dafür brauche es Pflegekammern als politische Vertretungen.
„In der Bundespolitik gibt es gar keine Diskussion darüber, ob man Pflegekammern braucht“, betonte Wagner. „Dort ist man froh, dass es endlich einen politischen Ansprechpartner für die Berufsgruppe gibt.“
Bundespflegekammer legt Positionspapier vor
Anlässlich des Deutschen Pflegetages legte die Bundespflegekammer ein Positionspapier vor. Darin forderte sie die Politik dazu auf, Pflegepersonalbemessungsinstrumente sowohl in den Krankenhäusern als auch in den Pflegeheimen einzuführen. Vorschläge für entsprechende Instrumente liegen bereits vor.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der DPR und die Gewerkschaft ver.di legten Anfang dieses Jahres mit der Pflegepersonalregelung 2.0 ein Instrument zur Messung des Pflegebedarfs in den Krankenhäusern vor. Und der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang hat im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ein Bemessungsverfahren für die stationäre Langzeitpflege erarbeitet.
Die Bundespflegekammer hat die Politik zudem aufgefordert, die Gehälter in der Langzeitpflege und in der Rehabilitation schnell an die in der Krankenhauspflege anzugleichen.
Dafür soll ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Langzeitpflege durchgesetzt werden, der sich am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst oder an den Arbeitsvertragsrichtlinien der konfessionellen Krankenhausträger orientiert. Ziel soll ein Einstiegsgehalt für Pflegefachpersonen von 4.000 Euro brutto sein.
Ausbildungszahlen erhöhen
Um dem Pflegemangel zu begegnen, fordert die Bundespflegekammer zudem, die Ausbildungszahlen zu erhöhen und Studienplätze für Pflege in der Erstausbildung sowie postgraduiert zur Spezialisierung deutlich auszubauen.
Um die pflegerische Versorgung auf dem Land zu verbessern, sollen pflegegeführte Gesundheitszentren im ländlichen Raum implementiert werden – insbesondere in Regionen mit einer niedrigen Zahl an Hausärzten. Eine Heilkundeübertragung auf Pflegefachpersonen soll ab dem kommenden Jahr flächendeckend erprobt werden.
Einige der von der Bundespflegekammer aufgegriffenen Themen sind in den Eckpunkten zu einer Reform der Pflegeversicherung enthalten, die das Bundesgesundheitsministerium gestern vorgelegt hat.
„Gut ausgebildete Pflegefachpersonen sollen mehr Verantwortung in der Versorgung übernehmen können und in geeigneten Bereichen (zum Beispiel Pflegehilfsmittel) eigenständige Verordnungsbefugnisse erhalten“, heißt es darin.
„Zudem sollen die Regelungen zu Modellvorhaben zu Heilkundeübertragung gangbar gemacht werden.“ Eine tarifliche Entlohnung soll für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen künftig zudem Voraussetzung für die Zulassung zur Versorgung werden.
Pflegekammern in die Krisenstäbe einbeziehen
Im Rahmen der COVID-19-Pandemie fordert die Bundespflegekammer, planbare Operationen – soweit medizinisch vertretbar – zu verschieben, um Betten für COVID-19-Infizierte oder andere Notfallpatienten freizuhalten.
Die Erlösausfälle seien den Krankenhäusern am besten in pauschaler Form zu erstatten. Die Personaluntergrenzen müssten dabei erhalten bleiben. Zudem sollen die Pflegekammern und Landespflegeräte in die Krisenstäbe auf Bundes- und Landesebene einbezogen und die Gesundheitsämter durch Pflegefachpersonen verstärkt werden.
Die Bundespflegekammer ist ein eingetragener Verein. Mitglieder der Kammer sind derzeit die Pflegekammer Niedersachsen, die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein sowie der DPR.
Das niedersächsische Gesundheitsministerium hat allerdings vor kurzem einen Gesetzentwurf zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen vorgelegt, nachdem sich die Pflegenden des Bundeslandes – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 19 Prozent – gegen den Fortbestand der Kammer ausgesprochen hatten. In anderen Bundesländern wie in Nordrhein-Westfalen wird eine Landespflegekammer jedoch derzeit errichtet.
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