Politik

Deutschland gibt weniger Geld für Kampf gegen HIV, Tuberkuose und Malaria

  • Montag, 13. Oktober 2025
Bei der Eröffnung des World-Health-Summit in Berlin kündigte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD, 2. von links) finanzielle Hilfen an. /Screenshot DÄ, Quelle: https://youtu.be/U7Vz-VHs_bw
Bei der Eröffnung des World-Health-Summit in Berlin kündigte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD, 2. von links) finanzielle Hilfen an. /Screenshot DÄ, Quelle: https://youtu.be/U7Vz-VHs_bw

Berlin – Trotz großen Spardrucks will Deutschland in den kommenden drei Jahren eine Milliarde Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria bereitstellen. Das kündigte Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) gestern Abend bei der Eröffnung des World Health Summit (WHS) in Berlin an.

Während Teilnehmende der Konferenz mit viel Applaus und Jubel auf Radovan Alabalis Worte reagierten und auf dem Podium Deutschlands Führungsrolle in der aktuellen Wiederauffüllungsrunde gewürdigt wurde, äußerten sich Hilfsorganisationen sehr kritisch über die zugesagt Summe.

Zum Einen, weil diese niedriger ausfällt als zuletzt: In der vergangenen Finanzierungsrunde hatte Deutschland noch 1,3 Milliarden Euro für die Jahre 2023-2025 zugesagt. Zum Anderen, weil die Kürzung in eine Zeit fällt, in der bereits andere Länder wie die USA internationale Hilfsgelder zusammengestrichen haben und sich aus Kooperationen zurückziehen.

Am Eröffnungstag des WHS, der sich um Wege zum Verbessern der globalen Gesundheit dreht, häuften sich daher Appelle zum Fortsetzen der internationalen Zusammenarbeit und zum Ankämpfen gegen drohende Rückschläge, etwa beim Kampf gegen HIV.

„Wir müssen mehr Menschen mit weniger Finanzierung erreichen“, sagte Radovan Alabali. Deutschland werde sich noch stärker auf die Kooperation mit multilateralen Partnern im Gesundheitsbereich konzentrieren. Um die Bedarfe der einzelnen Länder effizienter zu erfüllen, brauche es mehr Koordination zwischen den Stakeholdern. Um dies zu leisten, sei der Globale Fonds in der besten Position.

Der 2002 gegründete Globale Fonds ist der größte multilaterale Zuschussgeber im Gesundheitsbereich für ärmere Länder. Er finanziert sich aus Mitteln von Regierungen, Stiftungen und privaten Gebern.

Insgesamt sei Deutschland bisher der viertgrößte öffentliche Geber des Finanzierungsinstruments, heißt es in einer Übersicht. In der aktuellen deutschen Zusage sind 100 Millionen Euro in Form von Schuldenumwandlungen enthalten, die noch unter Haushaltsvorbehalt stehen, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erläuterte.

Reaktionen fallen gemischt aus

Der Geschäftsführer des Globalen Fonds, Peter Sands, begrüßte Radovan Alabalis Ankündigung auf der WHS-Bühne in Berlin und betonte, dass 2025 ein hartes Jahr gewesen sei. Die Finanzierung gestalte sich schwierig. Deutschland bleibe mit der frühzeitig zugesagten Summe in der Führungsrolle und setze in der achten Wiederauffüllungsrunde, die noch bis kurz vor dem G20-Gipfel im November laufe, Maßstäbe für andere Geber.

Nach Angaben mehrerer Organisationen werden zur Wiederauffüllung insgesamt 18 Milliarden US-Dollar gebraucht, um in den kommenden drei Jahren umfassend lebensrettende Gesundheitsprogramme zu unterstützen.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von einem fatalen Signal, das die Bundesregierung mit der angekündigten Milliarde Euro sende und rechnet mit weitreichenden Folgen. Auch, weil noch Finanzierungszusagen weiterer Geberländer ausstehen, die sich womöglich an Deutschland orientieren.

„Statt Kürzungen hätte es eine Stärkung der wichtigen Arbeit des Globalen Fonds gebraucht“, erklärte Jasmin Behrends, Expertin für globale Gesundheit bei der Hilfsorganisation. Sie appellierte, dass die Bundesregierung nun verstärkt mit anderen Gebern zusammenarbeiten und sich für weitere Investitionen einsetzen sollte. Dafür sei der kommende G20-Gipfel in Südafrika eine wichtige Gelegenheit.

Ernüchtert zeigte sich auch die Deutsche Aidshilfe. Deren Geschäftsführerin Silke Klumb erklärte: „Die Welt hat noch nicht begriffen, welche Gefahr durch den Kahlschlag droht: Die globale HIV-Pandemie kann schnell wieder aufflammen – im schlimmsten Fall wieder mit massenhaften Todesfällen.“ Dies dürfe man nicht zulassen.

Erhalte der Globale Fonds in der anstehenden Finanzierungsrunde nicht die nötigen Mittel, werde Millionen Menschen in Ländern des globalen Südens der Zugang zu Behandlung, Prävention, Tests und Beratung entzogen. Letztlich erhöhe sich das Risiko unkontrollierter Ausbrüche der Infektionskrankheiten und auch die globale Gesundheitssicherheit werde gefährdet.

Sylvia Urban, Vorstandsmitglied des Aktionsbündnis gegen Aids, sagte laut einer Mitteilung: „Mit einem Ausbau des deutschen Engagements hätte die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen internationaler Verantwortung gesetzt und dem weltweiten Trend der Entsolidarisierung entgegengewirkt.“ Diese Chance sei nun vergeben worden.

Die Summe sei ein Schlag ins Gesicht der von Krankheit bedrohten Menschen, erklärte Ulle Schauws (Grüne), stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Bundesregierung laufe damit „der unverantwortlichen US-amerikanischen Politik“ hinterher. Man fordere, dass mindestens der bisherige Beitrag in Höhe von 1,35 Milliarden Euro bestehen bleibe.

Lob für die Bundesregierung kam von US-Techmilliardär Bill Gates. Dessen Stiftung gilt als weltweite größte Privatstiftung und unterstützt Gesundheits- und Entwicklungsprogramme weltweit, darunter auch den Globalen Fonds. Er sei „unglaublich dankbar“ für den deutschen Beitrag, sagte Gates dem Tagesspiegel. Dieser zeuge unter anderem von „strategischer Weitsicht“.

Der Frontsänger der Rockband U2 Bono, Mitgründer der Entwicklungsorganisation ONE, sagte der Zeitung, Ministerin Alabali Radovan habe „echte Führungsstärke bewiesen“. ONE hatte zuvor an die Bundesregierung appelliert, die Mittel aufzustocken – und betont, wie sehr auch Deutschlands Wirtschaft profitiere. Beispielsweise indem der Globale Fonds Diagnostika, Medikamente und Moskitonetze deutscher Firmen kaufe. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

Die positiven Stimmen sind wohl auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass ursprünglich in den Haushaltsverhandlungen noch weitreichendere Kürzungen vorgesehen waren, wie etwa die Aidshilfe erklärte. Diese betonte aber, dass ein fairer Beitrag, gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands, bei 1,8 Milliarden Euro für drei Jahre liegen würde.

WHS bringt internationale Fachleute zusammen

Der World Health Summit läuft noch bis einschließlich Dienstagabend. Die Konferenz steht in diesem Jahr unter dem Motto „Taking Responsibility for Health in a Fragmenting World“. Heute fanden im Laufe des Tages bereits erste Veranstaltungen statt, unter anderem wurde die Studie „Global Burden of Disease“ 2023 vorgestellt, über die das Deutsche Ärzteblatt berichtet.

Nach Angaben von Charité-Vorstandschef Heyo Kroemer werden vor Ort mehr als 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Das Berliner Universitätsklinikum hatte den WHS 2009 ins Leben gerufen. Zu den zentralen Themen in diesem Jahr zählen beispielsweise der Kampf gegen nicht übertragbare Krankheiten, Künstliche Intelligenz (KI), Finanzierungsmodelle für globale Gesundheit und Herausforderungen durch die Klimakrise.

Ministerin Warken ebenfalls erwartet

Am heutigen Montag wird auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erwartet. Vorab appellierte der Grünen-Abgeordnete Armin Grau im Bundestag an die Ministerin, mehr dorthin mitzubringen als „warme Worte“. Er kritisierte geplante Kürzungen der Regierung bei den internationalen Gesundheitsausgaben und bezeichnete es als Fehler, den Unterausschuss Globale Gesundheit im Bundestag nicht wieder einzusetzen (das Deutsche Ärzteblatt berichtete).

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte als einer der Schirmherren des WHS in einer online veröffentlichten Mitteilung vorab betont, dass er die Einigung auf einen Pandemievertrag bei der Weltgesundheitsversammlung in Genf von diesem Frühjahr begrüße – damit habe man kollektiv Verantwortung übernommen.

In den kommenden Monaten gelte es, beharrlich daran weiterzuarbeiten, dass Forschung frei bleibt, dass Pathogene schnell und transparent ausgetauscht werden und dass Innovationen gefördert und allen zugänglich gemacht werden.

Merz sichert Partnerschaft Deutschlands zu

Merz plädierte zudem für eine gemeinsame Stärkung internationaler Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der globalen Impfallianz GAVI, der Impfstoffinitiative CEPI und dem Globalen Fonds. Deutschland sei sich seiner Verantwortung sowohl für die globale Gesundheit als auch für die multilaterale Ordnung bewusst. „Ich versichere Ihnen, dass wir auch in Zukunft ein verlässlicher Partner sein werden“, erklärte der Regierungschef.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus betonte vorab, dass auch Chancen in der aktuellen Krise lägen, die durch massive Kürzungen von Hilfsgeldern ausgelöst wurde. Beispielsweise könnten sich Länder aus Abhängigkeiten lösen. Die WHO unterstütze bei diesem Übergang, indem sie zum Beispiel Instrumente zur Effizienzsteigerung und zum Generieren neuer Einnahmen identifiziere.

So zielt die WHO-Initiative „3 bis 35“ auf deutlich höhere Verbraucherpreise für drei ungesunde Produkte ab: Alkohol, Tabak und zuckerhaltige Getränke. Steuererhöhungen sollen zum verringerten Konsum beitragen und darüber hinaus Gelder in die Staatskassen spülen: Die Einnahmen könnten sich laut WHO in den nächsten zehn Jahren weltweit auf eine Billion US-Dollar belaufen.

ggr/afp/dpa

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