Politik

Ein Problem für die Demokratie? Ärger um Aussagen zur Selbstverwaltung

  • Freitag, 4. August 2023
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne)./picture alliance, Carsten Koall
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne)./picture alliance, Carsten Koall

Berlin – Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat mit Äußerungen zur Gemein­samen Selbstverwaltung für erhebliche Verärgerung gesorgt. Scharfe Kritik kam von den Vertrags­ärzten.

Nonnemacher hatte der Ärztezeitung gesagt, die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen sei „extrem kom­plex“, werde „von niemandem mehr verstanden“ und sei „auch für unsere Demokratie ein Problem“. Als das für Gesundheit zuständige Mitglied dieser Landesregierung habe sie „tatsächlich keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Zuteilung von Ärzten in der ambulanten Versorgung“.

Sie hatte auf die Frage, dass die Brandenburger Ärzte überaltern und sich die Menschen Sorgen um die Zu­kunft der Gesundheitsversorgung, gesagt, sie habe als Gesundheitsministerin „leider keine einfache Lösung parat“. „Ich komme ja viel im Land herum – und egal, wo ich bin, heißt es immer wieder: Können Sie uns mal einen Augenarzt schicken? Wir brauchen einen Hausarzt! Und dann muss ich den Leuten erklären, dass ich dafür nicht zuständig bin.“

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) – Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner – erklärte der Ärztezeitung, man habe die Äußerungen „mit Befremden und großem Unver­ständnis zur Kenntnis genommen“ und weise diese „auf das Entschiedenste zurück“.

Die Ministerin verkenne völlig, dass der Schlüssel für das erfolgreiche Gesundheitssystem die Selbstverwal­tung sei. Deutschland habe sich bewusst für dieses Prinzip entschieden. Der Staat setze den Rahmen, die kon­krete Ausgestaltung übernehme die gemeinsame Selbstverwaltung – inklusive regionaler Lösungen, wie sie etwa durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) entwickelt würden.

Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten organisierten im Rahmen ihrer KVen, den Krankenkassen mit ihren Versicherten und den Krankenhäuser die medizinische Versorgung der Menschen. Darüber hinaus müsse der Ministerin klar sein, wenn sie mehr Mitspracherechte fordere, müsse sie ebenso bereit sein, Verantwortung zu übernehmen – vor allem auch in finanzieller Hinsicht.

„Die Auflösung der Selbstverwaltung und der Einstieg in eine zentralistische Staatsmedizin sind kein Ansatz, um unser überaus leistungsfähiges Gesundheitswesen zu stärken. Was wir brauchen, sind Rahmenbedingun­gen, die es erlauben, ohne überbordende Regulierung die Menschen in diesem Land zu versorgen. Das muss Gesundheitspolitik bieten“, so Gassen, Hofmeister und Steiner.

Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin kri­ti­sierte die Äußerungen heute scharf. Sie bezeichnete die Denk­weise der Ministerin als „zutiefst antidemokratisch“. Nonnemacher verkenne auf fatale Weise, dass die seit fast 100 Jahren existierende Selbstverwaltung gerade als ein Urgestein unserer Demokratie bezeichnet werden könne.

„Die Selbstverwaltung derartig zu diskreditieren, zeigt wenig Systemwissen und erfordert eine klare Distan­zierung der Ministerin“, fordert der Berliner KV-Vorstand. Die Äußerung bewege sich zwischen offensichtlicher Unwissenheit und Unverschämtheit und sollte „umgehend dementiert werden“.

„Auch wenn in Brandenburg zurzeit der Wahlkampf eingeläutet wird, kann dies nicht Begründung dafür sein, den gemeinsamen Grundkonsens, der bisher bei der Problemanalyse Bedarfsplanung gegolten hat, aufzu­kündigen“, hieß es von der KV.

Die Aussage offenbare auch, dass „Frau Nonnemacher in der Verstaatlichung des Gesundheitswesens die Lö­sung aller Probleme“ sehe. Dabei sei es gerade die staatlich organisierte Vernachlässigung der ambulanten Versorgung, die zu den aktuellen Schwierigkeiten der Praxen geführt habe. Die gemeinsame Selbstverwaltung könne nur Ärztinnen und Ärzte „verteilen“, die auch vorhanden und bereit dazu seien, hieß es weiter.

Angesichts immer unattraktiverer Bedingungen in der Niederlassung, der jahrelangen Ignoranz der Politik gegenüber der ambulanten Versorgung und dem immer stärker werdenden Fokus des Gesetzgebers auf die stationäre Versorgung werde die Zahl der Ärztinnen und Ärzten, die niedergelassen tätig sein wollen, immer weiter abnehmen. „Das ist ein staatlich verantworteter Mangel“, so der KV-Vorstand.

may/EB

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