G-BA lehnt Antrag der Länder zum Aussetzen der Mindestmengen bei Frühchen ab
Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat einen Antrag der Bundesländer zur Wiederaufnahme der Beratungen über die Mindestmengen bei Frühgeborenen unter 1.250 Gramm abgelehnt. Damit tritt die 2019 vom G-BA beschlossene Mindestmenge von 25 Fällen pro Jahr wie geplant ab dem 1. Januar 2024 in Kraft.
Einige Bundesländer, darunter Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, hatten bereits im Vorfeld der Sitzung angemahnt, dass bei Umsetzung der Regelung viele ihrer Perinatal-Level 1-Zentren nicht mehr betrieben werden könnten.
Die Bundesländer hatten in einem gemeinsamen Antrag das Gremium der Selbstverwaltung aufgefordert, die Beratungen im Unterausschuss Qualitätssicherung und der Arbeitsgruppe Mindestmengen zu den Regelungen bei Perinatalzentren Level 1 wieder aufzunehmen.
Einem entsprechenden Brief des derzeitigen Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg, hatten sich allerdings nur acht Länder angeschlossen – aus Zeitgründen, wie die Vertreterin der Länder, Silke Heinemann, berichtete.
Sie mahnte, dass durch die nächste Stufe der Mindestmengenregelung in einigen Regionen die zumutbare Erreichbarkeit nicht mehr gewährleistet werde. Außerdem fehlten den Ländern die Instrumente, den Krankenhäusern den Versorgungsauftrag zu entziehen, falls sie die Mindestmengen nicht mehr erreichen.
Umschichtungen an andere Kliniken seien derzeit nicht möglich, stellte Heinemann dar. Am 7. August müssen die Kliniken ihre Prognosen abgeben, ob sie die geforderten Mindestmengen im folgenden Jahr erbringen können.
Diese Argumente lies der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, in der Plenumsdiskussion allerdings nicht gelten. Er betonte, dass bei nur einem Prozent der Geburten eine Kind mit unter 1.250 Gramm zur Welt komme.
Bei einer Veränderung der Mindestmenge von aktuell 20 Frühchen pro Jahr unter 1.250 Gramm hin zu 25 Frühchen pro Jahr sei es eine sehr geringe Zahl an Betroffenen Familien. Dennoch müsse jedes Leben gerettet werden, mit der ausreichenden Expertise vor Ort.
Mehrfach stellte er dar, dass viele Experten in mehreren Anhörungen im G-BA aber auch beispielsweise im Thüringer Landtag betont hätten, wie bereits in Dresden oder an der Uniklinik Ulm die Kooperationen zwischen Level-1-Zentren und Level-2-Zentren so gut ausgebaut seien, dass Patientinnen sowie Frühchen je nach Versorgungsnotwendigkeit entsprechend verlegt würden.
Außerdem müsse betrachtet werden, dass ein Level-1-Zentrum nicht nur Frühgeborene betreue, sondern auch viele andere Versorgungsaufträge – beispielsweise eine Betreuung von Drillingsgeburten – habe. Bei dem Antrag der Länder stellte Hecken die rhetorische Frage, ob sich an der Evidenz von Mindestmengen bei der Versorgung von Frühgeborenen unter 1.250 Gramm etwas verändert hätte.
Der G-BA hatte erst im März 2023 das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit einer Evaluation beauftragt, die die Versorgung von Früh- und Reifegeborenen unter 1.250 Gramm untersuchen sollte. Ein Zwischenbericht wird für Februar 2025 erwartet, ein Abschlussbericht für Juni 2027.
Für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte deren Vorsitzender Gerald Gaß, dass bei der Beschlussfassung im Jahr 2020 die DKG sich enthalten habe und jetzt für eine Wiederaufnahme der Beratungen sei.
Von der Veränderung der Mindestmenge könnten rund 920 Frühgeborene und deren Familien betroffen sein, die an anderen Krankenhäusern versorgt werden müssten. Diese hätten aber ebenso die Personalkapazitäten derzeit nicht. Er regte an, den Evaluationsbericht des IQTIG vorzuziehen, um hier zu einer neuen Bewertung zu kommen.
Für den GKV-Spitzenverband erklärte die Vorsitzende Doris Pfeifer, man müsse in der Debatte sauber argumentieren. „Es geht hier nicht um Schließungen von ganzen Einrichtungen. Und aus der Prognose heraus muss auch nicht gleich geschlossen werden.“
Für den GKV-Experten Horst Schuster stellen sich keine neuen Fakten dar bezüglich der Evidenz der Mindestmengen. Laut seinen Ausführungen sind die von Schleswig-Holstein beklagten Schließungen von Standorten diejenigen, die bereits jetzt die derzeit geltende Mindestmenge von 20 nicht erreichten. Zu Beginn der Richtlinie mussten Zentren 14 Frühchen pro Jahr nachweisen.
Für den Justiziar des G-BA, Dominik Roters, stellte zudem die Frage, warum die Länder nicht selbst aktiv werden würden und von ihren Sanktionsrechten bei den Mindestmengen oder den Möglichkeiten von Ausnahmen zu den Mindestmengen Gebrauch machen würden. Dies sei ihnen ja per Gesetz ausdrücklich möglich. Ländervertreterin Heinemann wolle dies prüfen, erklärte sie.
Bei der Abstimmung stellten sich auch die Patientenvertreter im G-BA gegen den Ländervorschlag. „Seit 2019 hätten sich die Länder darauf einstellen können, dass die Mindestmengenregelung so kommt und entsprechende Kapazitäten klären können. Die Länder sind nun aufgefordert, Kooperationen voranzutreiben und zu unterstützen“, erklärte Cordula Mühr. Auch die Vertreter der GKV sowie die drei Unparteiischen stimmten gegen den Ländervorschlag, die DKG votierte für eine Wiederaufnahme.
Hecken mahnte nach der Abstimmung, dass es mehr Kooperationsmodelle bei den Kliniken geben müsse, auch über Ländergrenzen hinweg. So gebe es Überlegungen, im Länderdreieck von Thüringen, Hessen und Bayern besser zu kooperieren, da die Kliniken in Suhl, Fulda und Coburg nur in Kooperation die Mindestmengen erreichen könnten. Er warnte auch, dass im kommenden Jahr ähnlich emotionale Diskussionen folgen würden, sobald der G-BA beispielsweise zu Mindestmengen beim Mammakarzinom entscheiden werde.
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