Politik

Elektronische Patientenakte: Geplantes weiteres Testverfahren stößt auf geteiltes Echo

  • Donnerstag, 10. April 2025
/Stockwerk-Fotodesign, stock.adobe.com
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Berlin – Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die elektronische Patientenakte (ePA) zunächst in einer ausgeweiteten Testphase weiter freiwillig zu testen, sorgte auf der Digitalmesse DMEA für unterschiedliche Reaktionen.

Das geplante schrittweise Hochfahren der ePA begrüßten gestern Tanja Galla, Projektleiterin ePA bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), und Jakob Scholz, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter IT bei der KVWL. Die großen Fortschritte, die in den Modellregionen erzielt werden konnten, seien nur möglich, weil man sie in kleinem Raum erproben könne, erklärte Scholz.

In der Testphase wurden bislang wichtige Erkenntnisse über die ePA gesammelt, erklärte auch Galla. Beispielsweise müsse die elektronische Gesundheitskarte (eGK) einen Moment lang länger gesteckt werden, um die Befugnis für die ePA zu aktivieren.

Das scheine eine Kleinigkeit zu sein, aber es sei für die Praxisprozesse wichtig. MFA hätten verinnerlicht, wie lange man die Karte stecken müsse, die Karte nun zwei bis drei Sekunden länger zu stecken, sei eine Umgewöhnung, so Galla. Erkenntnisse wie diese müssten erst gewonnen werden, bevor man die ePA in der Fläche nutzen könne.

Für die weitere Testphase seien weitere Lasttests des Systems wichtig, erklärte Scholz. „Derzeit gibt es noch keine Last auf dem System.“ Zudem sei die Umsetzung in den Krankenhäusern und Krankenhausinformationssystemen (KIS) noch schwierig. Man müsse außerdem verstärkt die gemeinsame Arbeit (ambulant und stationär) an der ePA erproben.

Testphase für alle Neuerungen einplanen

Ziel müsse sein, die Nutzbarkeit der ePA in den Primärsystemen deutlich stärker in den Fokus zu nehmen, forderte Scholz. Es brauche zudem weitere Unterstützung und Integration der ePA in die Praxisprozesse. Und: Die Erkenntnisse aus den Modellregionen müssten in künftige politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden, betonte er.

Bei der Einführung weiterer Bestandteile der ePA, etwa die Patientenkurzakte, die Integration von Laborbefunden oder des digital gestützten Medikationsprozesses wünschte sich Scholz, dass man sich immer wieder die Zeit nimmt, um die einzelnen Komponenten in Testphasen grundlegend zu prüfen, wie man es derzeit macht. Erst danach dürften die Neuerungen in die flächendeckende Versorgung kommen. Ansonsten würden Akzeptanzprobleme drohen, befürchtet Scholz.

Eine andere Reaktion kam aus der Testregion in Hamburg. Die ePA sei im Prinzip fertig, damit könne man nun in die Fläche gehen, erklärte gestern Tim Angerer (SPD), Staatsrat der Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration.

84 Arztpraxen in Hamburg testen derzeit die ePA, das funktioniere schon recht gut. Bei den Krankenhäusern sehe es schlechter aus, erklärte Angerer auf der DMEA. Hier gebe es noch Nachholbedarf, der aber in den kommenden Monaten nachgeholt werden soll.

Die Freiwilligkeit der geplanten ausgeweiteten Testphase müsse zügig ein Enddatum haben, forderte Angerer. Es sei wichtig, alle im System in die Neuerung zu integrieren. „Es macht keinen Sinn, zwei Systeme nebeneinander laufen zu lassen“, erklärte Angerer.

Der nächste Schritt sei zudem, die Interaktion zwischen den Arztpraxen verstärkt zu testen, forderte gestern Sybille Steiner, Vorstandsmitglied bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Noch gebe es wenig Dokumente, die man von anderen Ärztinnen und Ärzten innerhalb der ePA einsehen könnte.

Wichtig sei darüber hinaus die anderen Leistungserbringer zügig in die Telematikinfrastruktur (TI) einzubinden, so dass diese auch künftig ePA befüllen und einsehen könnten, betonte Steiner. Sie forderte darüber hinaus einen konkreten Zeitplan für den weiteren Verlauf der Testphase vom Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Herausforderungen bei den Primärsystemen

Die Primärsystemhersteller hätten hinsichtlich der ePA geliefert, betonte gestern auch Jens Naumann, Mitglied der Geschäftsführung des PVS-Herstellers Medatixx und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg). In der Testphase seien 30 bis 40 der insgesamt am Markt bestehenden 130 PVS-Systeme dabei.

Anfänglich habe es einige technische Probleme bei der Integration des ePA-Moduls gegeben, räumte er ein. Mittlerweile seien die Rückfragen aus den testenden Arztpraxen aber mehr organisatorischer Natur, beispielsweise welche Dokumente aus der ePA in das eigene System heruntergeladen werden müssten, so Naumann.

Sein Kollege, Marc Nettelmann, Projektmanager bei Medatixx, ergänzte, dass sich die Aktensysteme der beiden Hersteller IBM und Bitmarck unterschiedlich verhalten würden. Das mache es schwierig für die Softwarehersteller. Die Aktenhersteller stellen die technische Lösung der ePA für die Krankenkassen bereit.

Die PVS-Hersteller wünschen sich ein langsames Hochlaufen der ePA in mehr Einrichtungen, betonte Naumann. In den nächsten zwei bis drei Quartalen könne man den technischen und organisatorischen Zustand erreichen, der eine flächendeckende Nutzung bundesweit möglich mache.

Bereinigung des Marktes gewünscht

Dass einige Hersteller nicht bereit seien oder bereit sein wollen, die ePA in ihre bestehenden Praxissysteme zu integrieren, sei nur für eine gewisse Zeit zu akzeptieren, sagte Florian Fuhrmann, Vorsitzender der Gematik-Geschäftsführung.

Irgendwann müsse man konsequent werden. „Ohne diese Konsequenz werden wir immer nur so schnell sein wie der langsamste Anbieter“, befürchtet Fuhrmann. Eine gewisse Bereinigung müsse die Folge eines solchen Projektes sein.

Hintergrund: Primärsysteme müssen eine Konformitätsbewertung der Stufe 2 (KOB 2) bis zum 15. Juni durchlaufen. Ziel ist es, dass die Systeme Anwendungen sicher integrieren können, Versorgungsprozesse sollen so digital und interoperabel ermöglicht werden.

Die ePA ist der erste Anwendungsfall dieses Bewertungsverfahrens. Im Mittelpunkt steht der digital gestützte Medikationsprozess. Die Gematik veröffentlicht eine Positivliste mit Anbietern, die diese Zertifizierung bereits erreicht haben.

Versorgungsrelevante Arztpraxen, die Systeme nutzen, die diese Zertifizierung nicht erhalten, müssten aber am Laufen gehalten werden, forderte Steiner. „Wir brauchen einen flexiblen Umgang und Übergangsregelungen.“ Insbesondere in unterversorgten Regionen müsse dies gelten. Zudem dürften Ärztinnen und Ärzte nicht für die fehlende Zertifizierung ihrer PVS-Systeme sanktioniert werden, forderte sie.

Fuhrmann entgegnete, man wisse, welche Systeme noch keine entsprechende Zertifizierung habe. Die Gematik prüfe, welche Arztpraxen davon betroffen sind. In unterversorgten Regionen finde man entsprechende Sonderregelungen, versprach er. Man wolle nicht, dass die Versorgung noch schwieriger werde, so Fuhrmann.

cmk

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