Elektronische Patientenakte: Weitere Warnung vor verfrühtem Bundesstart

Berlin – An der geplanten zeitnahen bundesweiten Ausweitung der elektronischen Patientenakte (ePA) gibt es weiter deutliche Kritik. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte zuletzt mehrfach betont, dass der Start in ganz Deutschland zu Beginn des zweiten Quartals geplant sei.
Obwohl es einige Fortschritte und positive Rückmeldungen zu der Umsetzung der neuen ePA in die Praxisverwaltungs- und Krankenhausinformationssysteme gebe, bestehen aus Sicht der IT-Hersteller weiterhin strukturelle Herausforderungen, insbesondere in der zentralen ePA-Infrastruktur. Das erklärte heute der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg).
Es gebe etwa Unterschiede im Verhalten der beiden Aktensysteme sowie deren performante und sichere Erreichbarkeit – auch unter der perspektivisch höheren Belastung im bundesweiten Rollout.
Die Tests der ePA-Funktionalitäten würden nicht in allen beteiligten Einrichtungen gleich verlaufen. „Dies ist jedoch vorrangig nicht in Problemen mit den Umsetzungen in den Systemen begründet“, betonte der bvitg.
Die Erfahrungen von einigen Ärztinnen und Ärzten, die als Testpraxen an der Erprobung der ePA teilnehmen, zeigen allerdings etwas anders. Je nach Praxisverwaltungssystem (PVS) und vor allem Supportbereitschaft der Hersteller läuft die ePA-Erprobung flüssiger oder noch sehr stockend.
Patientenakte läuft schlechter als erwartet
Das zeigt auch eine Umfrage der Stiftung Gesundheit, die vom 21. Februar bis 7. März durchgeführt worden ist. Von den befragten 41 Arztpraxen berichteten 71,8 Prozent, dass die Arbeit mit der ePA bislang schlechter als erwartet funktioniert habe. 12,8 Prozent sehen sich in ihren Erwartungen bestätigt, und 15,4 Prozent wurden demnach positiv überrascht.
Die meisten bemängelten die Software (61 Prozent) und sehen einen Verbesserungsbedarf vor einem bundesweiten Start. Mehr als der Hälfte der Befragten (53,7 Prozent) zufolge fehle es zudem an Informationen für Patienten, insbesondere durch die Krankenversicherungen.
Mehr als die Hälfte erklärte außerdem, dass sich die Sicherheit der Daten vor dem Roll-out noch verbessern müsse (53,7 Prozent). Dabei gehe es nicht nur um potenzielle Hackerangriffe, sondern beispielsweise auch um den Schutz der Daten von Jugendlichen in psychotherapeutischer Behandlung – auch vor den eigenen Eltern, denen gegenüber in der Regel eine Schweigepflicht besteht, die jedoch bei Minderjährigen die ePA verwalten.
Der Umfrage zufolge habe es durchschnittlich 8,8 Tage gedauert, bis die Einsatzbereitschaft in der Praxis vorhanden war, die ePA zu testen. Unter den befragten Arztpraxen waren zudem einige, die dafür mehr als einen Monat gebraucht haben.
Verzögerungen durch Urlaub
Dem bvitg-Verband zufolge gebe es hingegen verschiedene Ursachen für die unterschiedlichen Rückmeldungen aus den teilnehmenden Einrichtungen. Dazu gehört demnach, dass die Updates mit den ePA-Funktionen zwar bereitgestellt worden sind, von den Einrichtungen aber teils noch nicht installiert wurden.
In anderen Praxen würden Urlaubs- oder Krankheitsausfälle die aktive Befassung mit den Funktionen verzögern. Und: es würden vereinzelt technische Probleme auftreten, die zumeist auf die Netzwerkarchitektur und die Systemkonfiguration der Einrichtungen zurückzuführen seien.
Weiter erklärte der Verband, dass die Erkenntnisse zeigten, dass der Auswahlprozess der Teilnehmer für die aktuellen Modell- und Testregionen nicht vollends geeignet gewesen sei, um realistische Testszenarien zu schaffen. Der bvitg plädiert für die weitere Auswahl von Testpraxen, die Softwarehersteller aktiv mit einzubeziehen.
Auch die Zahnärzte nehmen an der Erprobung der ePA teil. „Viele der Testpraxen können erst seit März mit der ePA arbeiten, also diese einsehen und befüllen“, sagte Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). „Die Erfahrungswerte mit ihrer Performance und Nutzbarkeit im Praxisalltag sind daher zu gering.“
Diese Informationen würden aber benötigt, um verlässlich beurteilen zu können, ob die ePA in die Versorgung gebracht werden könne. Testpraxen würden immer wieder von technischen Problemen berichten.
Pochhammer fordert deshalb auf eine bundesweite Verpflichtung vorerst zu verzichten. „Es ist noch zu früh für einen bundesweiten Roll-out.“ Die Tests in den Modellregionen müssten fortgesetzt werden.
Erst wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Sicherheit der ePA bestätigt habe, können auch Praxen außerhalb der Modellregionen Erfahrungen mit der ePA sammeln, schlägt Pochhammer vor.
Wichtig sei, dass diese Tests freiwillig seien und dafür ausreichend Zeit eingeplant wird, damit die Technik in allen PVS gehärtet werden könne. „Eine verpflichtende Einführung der ePA darf es erst dann geben, wenn die Technik ausgereift und gut in die Prozesse der Praxen integrierbar ist.“
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