Engpässe bei fertilitätsprojektiven Maßnahmen an Unikliniken

Berlin – Erhebliche Engpässe und Probleme bestehen derzeit bei der Versorgung von Frauen und Mädchen, die sich vor einer gonadotoxischen Therapie Ovargewebe entnehmen lassen und dieses kryokonservieren wollen.
Die universitären reproduktionsmedizinischen Zentren, die zwar große Expertise in der Fertilitätsprotektion hätten, hätten nur wenige Ermächtigungen seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zur Abrechnung dieser Leistungen mit den Krankenkassen, berichtete Nicole Sänger dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) am Rande des 65. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin.
Sänger ist Direktorin der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitätsklink Bonn und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin.
Die meisten Universitätskliniken dürften nur über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen, so Sänger weiter. Da das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom Erstattungsprinzip (GOÄ) abweiche, könnten die Patientinnen die Rechnungen nicht bei der Krankenkasse einreichen.
„Dies führt zu sehr viel Unmut, da die Unterschiede der Abrechnungssysteme den Patientinnen nicht bekannt sind und sich auch die Logik, warum kein Abrechnungsweg geschaffen werden kann, den Betroffenen entzieht“, sagte sie.
Etwas, was gut gemeint gewesen sei, habe sich teilweise ins Gegenteil verkehrt, sagte Jan-Steffen Krüssel vom Universitären Interdisziplinären Kinderwunschzentrums Düsseldorf (UniKiD) im Gespräch mit dem DÄ. Grundsätzlich sei die Aufnahme von Leistungen zum Fertilitätserhalt bei Männern und Frauen in den GKV-Leistungskatalog ein bedeutender Fortschritt.
Zum Hintergrund: Seit Juli 2021 werden die Kosten für die Kryokonservierung von Keimzellen vor gonadotoxischen Therapien übernommen sowie seit Juli 2023 auch für die Kryokonservierung von Ovargewebe.
Für die Kryokonservierung von Keimzellen werden die Patientinnen vor der Eizellentnahme über etwa zwei Wochen mithilfe von Hormonen ovariell stimuliert und dann die Ovarien punktiert – ein Eingriff, der häufig in den ambulanten Zentren vorgenommen wird.
Universitäre Zentren kein Teil der kassenärztlichen Versorgung
„Durch das obligatorische zweiwöchige Zeitfenster für die Stimulation der Eizellen bis zur deren Entnahme kommt dieses Verfahren allerdings nicht immer als fertilitätserhaltende Maßnahme infrage“, erläutert Krüssel.
Beispielsweise seien für Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom Stimulationstherapeutika nicht verschreibungsfähig und bei Patientinnen mit Morbus Hodgkin bestünde oft nur ein kurzes Zeitfenster zwischen Diagnostik und onkologischem Therapiestart.
„Für sie kommt nur die Entnahme und Kryokonservierung von Ovargewebe in Betracht, die hauptsächlich an den universitären Zentren durchgeführt wird“, so der Reproduktionsmediziner.
„Allerdings sind wir in den universitären Zentren nicht Teil der kassenärztlichen Versorgung und können als Hochschulambulanzen das Gewebe zwar entnehmen, lagern und auch wieder transplantieren, aber die Kassen können mit uns nicht abrechnen – das ist die Zwickmühle.“
G-BA-Beschluss hat Situation verschlechtert
Letztlich sei jetzt die Situation für die Patientinnen sogar noch schlechter als vorher, als der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Leistungen noch nicht in den Leistungskatalog aufgenommen hatte, so Krüssel weiter.
„Bis dahin haben wir diese Behandlungen über den Paragraf 13 Sozialgesetzbuch V noch abrechnen können.“ Dieser besagt, dass eine Leistung, die noch nicht im GKV-Leistungskatalog enthalten ist, nach Antrag erstattet werden kann. Seit einem Jahr gehe dies jedoch nicht mehr, so Krüssel.
„Es straft jene ab, die derzeit erkranken“, sagte Sänger. „Einige Kliniken sind dazu übergegangen, Leistungen nicht mehr im vollen Umfang anzubieten.“ Das sei bedauerlich, da die Hauptversorgung des Fertilitätserhalts durch Kryokonservierung zum Beispiel der Ovarien nur an den Kliniken angeboten werde.
Auch die Lagerung der Keimzellen über Jahre zeige sich erschwert, da diese bei Drittanbietern ebenso nicht abrechnungsfähig sei. Nun gebe es das erste Gerichtsurteil, dass die Abrechnung für Betroffene erleichtere.
Sollte ein Zentrum über die GKV abrechnen dürfen, so müsse jedes Quartal der Einlagerung ein Überweisungsschein abgegeben werden. Für Sänger ein Administrationsaufwand, der seinesgleichen sucht und eine große Belastung für die Betroffenen.
„Es gab seit 2021 Bestrebungen seitens des Bundesgesundheitsministerium mit den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen eine gangbare Lösung zur Abrechnungsproblematik der Universitäten zu finden“, berichtet Sänger weiter. Leider seien alle erfolglos gewesen, sodass die Bemühungen 2024 eingestellt wurden.
Doch wie geht es weiter? „Den Unikliniken bleibt letztlich nur der Antrag auf Ermächtigung bei der KV, was nur selten in Akzeptanz mündet und eine Wartezeit von 1-2 Jahren bis zur Ergebnismitteilung bedingt“, so Sänger.
Bei einer Beratungs- und Interventionsrate von bundesweit unter zehn Prozent aller betroffenen Frauen und Männer im reproduktiven Alter zum Fertilitätserhalt seien die Kliniken weit davon entfernt, niedergelassenen Zentren durch Patientenabwerbung zu schaden, betont sie. „Letztendlich geht es einzig um die Zukunft der Patientinnen und es sollten alle an einem Strang ziehen.“
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