Ethikrat fordert gerechte Verteilung der Lasten im Kampf gegen den Klimawandel

Berlin – Die Suche nach Wegen, den fortschreitenden Klimawandel zu begrenzen und seine Folgen zu bewältigen, gehört nach Ansicht des Deutschen Ethikrates zu den großen Menschheitsaufgaben der Gegenwart und Zukunft. Dies werfe vielfältige Fragen der Gerechtigkeit auf.
„Die Klimakrise wird uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte nicht nur intensiv als Gesellschaft beschäftigen, sondern uns dabei auch in schwierigste Herausforderungen und ethische Abwägungen bringen“, ist Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, überzeugt. Die Klimakrise gut zu bewältigen, sei eine Frage der Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft, international und zwischen den Generationen. „Sie ist eine Mammutaufgabe“, betonte Buyx heute bei der Präsentation der Ethikrat-Stellungnahme zur Klimagerechtigkeit.
Grundsätzlich fordert der Rat darin einen verstärkten auf Klimagerechtigkeit und Verantwortung fokussierten öffentlichen Diskurs zum Klimawandel sowie eine transparente und gerechte Verteilung von Lasten. Die Politik müsse bessere Rahmenbedingungen schaffen, die Individuen und privaten Organisationen klimafreundliches Handeln erleichtere. Im Mittelpunkt seiner umfassenden Stellungnahme stehen dabei drei Dimensionen der Klimagerechtigkeit: die innergesellschaftliche, internationale und intergenerationelle Dimension. Belastungen und Verantwortlichkeiten müssen in allen diesen Dimensionen gerecht verteilt werden, betont das interdisziplinär besetzte Gremium.
Konkret formuliert der Rat in seinem Papier 13 Empfehlungen, wie die Klimawende gerecht gestaltet werden kann. Diese basieren alle auf dem vom Ethikrat entwickelten Gerechtigkeitskonzept, das im Großen und Ganzen darauf abzielt, die Verteilung von Lasten und Pflichten so zu gestalten, dass die Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben jetzt und in Zukunft erfüllt sind.
Für wichtige Grundgüter, zu denen explizit Gesundheit, Ernährung, Sicherheit und Mobilität gehören, seien nach Ansicht des Rates Schwellenwerte zu bestimmen, die nicht unterschritten werden dürften. Die Bedürfnisse von Menschen, die von den Mindestanforderungen noch am weitesten entfernt und am stärksten vom Klimawandel belastet sind, sollten dabei nach Ansicht des Rates vorrangig berücksichtigt werden.
„Wir empfehlen, öffentlich präziser und deutlicher die Knackpunkte und Konflikte zu Gerechtigkeit und Verantwortung zu diskutieren – konstruktiv, offen, lösungsorientiert –, und klarer die Kosten der großen Veränderungen die notwendig sind, zu benennen und sie gerechter zu verteilen“, sagte Buyx. „Dafür braucht es ein politisches Gesamtkonzept.“ Aber auch Unternehmen und kollektive Akteure müssten stärker in die Pflicht genommen werden, betonte die Ärztin und verwies dabei explizit auf das Gesundheitswesen.
Gesundheitswesen besonders gefragt
„Der Gesundheitssektor hat eine besondere Verantwortung“, erläuterte sie auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes. Einerseits trage er viel zum Klimawandel bei, andererseits versorge er vulnerable Personen, die besonders unter den Auswirkungen des Klimawandels litten. „Es gibt eine Multiakteursverantwortung“, so Buyx. Dies beinhalte klare Verantwortungszuschreibungen gegenüber dem Staat, privaten Organisationen wie Unternehmen und Individuen.
Initiativen wie KLUG, die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit, die aus einem Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem gesamten Gesundheitsbereich bestehe, seien zu begrüßen und auszubauen, sagte die Ratsvorsitzende. Lösungsansätze im Interesse der Gesundheit würden beispielsweise sowohl Maßnahmen zur Emissionsminderung als auch Anpassungen an bereits eingetretene und zukünftig auftretende Folgen des Klimawandels, wie etwa den Schutz vor Hitze, Hochwasser, Dürre und Waldbränden, betreffen.
„Menschen tragen sehr unterschiedlich zum Klimawandel bei“, erklärte Kerstin Schlögl-Flierl, Sprecherin der Arbeitsgruppe zur Klimaethik. Das werfe große Gerechtigkeitsfragen auf: „Innerhalb unserer Gesellschaft fliegen wohlhabende Menschen öfter, während Menschen mit weniger Geld durch viele Klimaschutzmaßnahmen besonders belastet werden. International sehen wir große Unterschiede zwischen den hauptsächlichen Verursachern im globalen Norden und den Menschen im globalen Süden, die oft besonders unter den Folgen leiden. Und junge Menschen und Menschen, die noch nicht einmal geboren sind, werden in Zukunft drastische Klimafolgen zu ertragen haben, die vor allem jetzt und in der Vergangenheit verursacht wurden“, erläuterte sie. Deshalb müssten die Belastungen und Verantwortlichkeiten in allen drei Dimensionen – innergesellschaftlich, international und intergenerationell – gerecht verteilt werden.
„Aus unserer Sicht ist es allerdings unangemessen, die Bewältigung des Klimawandels allein von einzelnen Personen zu erwarten, etwa durch ihr Konsum- oder Mobilitätsverhalten“, erklärte Armin Grunwald, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe. Die Politik müsse die gesellschaftlichen Verhältnisse und rechtlichen Rahmenbedingungen so gestalten, dass emissionsärmeres Verhalten ohne unzumutbare persönliche oder unternehmerische Belastungen möglich sei. „Verbote jedoch werden uns nicht weiterbringen“, meinte er.
Verbote finden sich auch nicht in der mehr als 100-seitigen Stellungnahme des Ethikrates. Seine 13 Empfehlungen zielen vielmehr auf eine öffentliche Diskussion über die sozial-ökologische Transformation für Klimagerechtigkeit und Verantwortung. Kosten für Klimaschutzmaßnahmen sollen nach seiner Ansicht präzise bestimmt und gerecht verteilt werden, wobei Grundbedürfnisse berücksichtigt werden müssen.
Ferner empfiehlt er, verschiedene Klimaschutzmaßnahmen in einem Gesamtkonzept zu verknüpfen, das auch die CO2-Entfernung aus der Atmosphäre berücksichtigt und mögliche Abhängigkeiten bedenkt. Des Weiteren soll eine rasche Erfüllung der Pariser Klimaziele durch eine Ausweitung der CO2-Bepreisung und die Schaffung klimafreundlicher Alternativen auf nationaler Ebene angestrebt werden.
Auf internationaler Ebene empfiehlt der Ethikrat eine verstärkte Zusammenarbeit für effektiven Klimaschutz und eine Unterstützung der Länder des Globalen Südens durch wohlhabende Industriestaaten. Das Trittbrettfahrerphänomen müsse durch breite internationale Kooperationen bekämpft werden, so das Gremium. Zudem betont es, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels aus Gründen der intergenerationellen Gerechtigkeit schnellstmöglich ergriffen werden müssen, wobei die Perspektiven junger Generationen berücksichtigt werden sollen.
„Ein Abwarten, Hinhalten und Hinauszögern ist angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensgrundlagen jüngerer und zukünftiger Generationen ethisch nicht zu rechtfertigen“, sagte Buyx.
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