Experten fürchten massiven Personalmangel auf Intensivstationen

Bonn – Intensivmediziner und Pflegeexperten warnen vor einer massiven Verschärfung des Personalmangels auf den Intensivstationen. „Die Krise der deutschen Pflege hat sich durch die Coronapandemie jetzt noch einmal erheblich verschärft und wird sich weiter verschärfen“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
In der beginnenden dritten Welle der COVID-19-Pandemie hielten die Pflegenden derzeit aus Pflichtgefühl noch durch, die Frage sei aber, was danach komme, so Marx. Nach einer neuen Umfrage überlegten rund 32 Prozent der Pflegenden derzeit, aus dem Beruf auszusteigen.
In einem gemeinsamen Papier fordern die DIVI und die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) konkrete Verbesserungen zur Stärkung der Intensivpflege. Dazu gehören unter anderem ein am tatsächlichen Pflegebedarf orientierter Personalschlüssel, moderne Arbeitszeitmodelle und eine der Qualifikation angemessene Bezahlung. Wichtig sei zudem eine bessere psychische Unterstützung der oft extrem belasteten Intensivpfleger.
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung zeigte sich ebenfalls alarmiert: Aufgrund der momentanen Arbeitsbedingungen spielten zahlreiche Pflegende mit dem Gedanken, aus ihrem Beruf auszusteigen, sagte Andreas Westerfellhaus den Zeitungen: „Das hätte katastrophale Folgen für unsere Gesundheitsversorgung.“
Der Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe und Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, forderte deutliche Verbesserungen, um Pflegeberufe attraktiver zu machen. „Wir fordern 4.000 Euro als Einstiegsgehalt für Pflegende. Das wäre eine angemessene Entlohnung“, sagte er der Passauer Neuen Presse.
Doch das Finanzielle sei nicht alleine ausschlaggebend: „Wenn sie die Pflegenden fragen, wünschen sie sich auch mehr Personal in Kliniken und Heimen, um der hohen Belastung entgegenzuwirken.“
Zur Beanspruchung des Pflegepersonals während der Coronapandemie sagte er weiter: „Die Erschöpfung geht bei einigen so tief, dass sie unter posttraumatischen Erschöpfungszuständen leiden. Viele denken daran, ihren Beruf aufzugeben.“ Die kurze Phase im Sommer mit niedrigeren Infektionszahlen habe nicht wirklich zu einer Erholung geführt.
Alleine in der Langzeitpflege, so Wagner weiter, fehlten schon mehr als 100.000 Pflegende. Zudem erreichten rund 40 Prozent der Pflegenden innerhalb von zehn Jahren das Rentenalter.
In einer Umfrage, über die die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung exklusiv berichtete, gab ein gutes Drittel der Pflegekräfte an, sie seien im Arbeitsalltag oft oder sogar sehr oft überfordert. Dabei nannten nur sehr wenige Befragte (sieben Prozent) die Angst vor einer Coronainfektion als Ursache dafür. Deutlich mehr (23 Prozent) fühlen sich den Angaben zufolge von den Hygieneregeln zum Schutz vor einer Infektion überfordert.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: