Gasmangel: Krankenhäuser müssten im Extremfall die Versorgung einstellen

Berlin – Bundesregierung und Bundesnetzagentur weisen immer wieder darauf hin, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bei der Gasversorgung allerhöchste Priorität haben. Dass gar kein Gas mehr an die Einrichtungen fließt, davon geht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) nicht aus. Sollte es zu diesem Szenario kommen, wären Versorgungsengpässe nicht auszuschließen.
„Kliniken, die bei ihrer Wärmeversorgung ohne Alternative vollständig auf Gas angewiesen sind müssten im Extremfall die Versorgung ab einem gewissen Punkt vollständig einstellen“, sagte Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
Allerdings sei „ein kompletter Ausfall der Energieversorgung trotz der hochproblematischen Lage nicht zu erwarten“, weil Krankenhäuser grundsätzlich zu den Bereichen gehörten, die vorrangig mit Energie zu versorgen seien. Darüber hinaus hätten alle Kliniken Alarm- und Einsatzpläne, die auch den Ausfall kritischer Infrastruktur umfassten.
Die Einrichtungen überprüfen Gaß zufolge ihre Notfallpläne, um für solche Worst-Case-Szenarien gewappnet zu sein. In solche Fällen müssten die Bereiche des Krankenhaus gesichert werden, die für die Versorgung der Patienten unerlässlich seien. Dazu gehörten etwa die Notaufnahme, die Computertomographie, Operationen oder Intensivstationen, so Gaß.
Der DKG-Präsident betonte auch, dass eine kurzfristige Umstellung der Energieversorgung für die Kliniken „nicht möglich“ ist. Es gelte daher für besonders betroffene Häuser auch mögliche Kooperationen mit Kliniken zu suchen, die ihre Energieversorgung von Gas unabhängig aufgebaut hätten. Zudem würden jetzt kurzfristig Möglichkeiten des Energiesparens aktiviert.
An der Gaspipeline Nordstream 1 haben heute die angekündigten Wartungsarbeiten begonnen. Sie sollen bis zum 21. Juli andauern. Bis dahin wird kein Gas von Russland durch diese Pipeline nach Deutschland fließen. Ob Russland danach wieder Gas durch Nordstream 1 nach Deutschland leiten wird, ist offen.
Die Sorge ist, dass in einem solchen Fall die Gasspeicher für den Herbst und Winter nicht aufgefüllt werden können und unabhängig von den bereits explodierten und weiter steigenden Gaspreisen eine Rationierung notwendig wird. Für eine solchen Fall gibt es einen Plan bei der Bundesnetzagentur, der vorsieht, wer wann kein Gas mehr bekommen würde.
„Im schlimmsten Fall, wenn kein Gas mehr aus Russland käme, kommt es auf ein paar Parameter an“, sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, im Morgenmagazin. Die Frage sei, wie schnell man Flüssiggasterminals aufbauen könne und wie stark man Gas einsparen könne. „Aber es gibt mehrere Szenarien, in denen wir in eine Gasnotlage hineinrutschen würden“, sagte Müller. Das hieße, es wäre zu wenig Gas da. Es müsse alles dafür getan werden, das zu vermeiden.
Er wies darauf hin, dass die dritte Notfallstufe von der gesamten Bundesregierung per Kabinettsentscheid ausgerufen werden müsste. Das passiere erst dann, wenn es zu wenig Gas gebe. „Da sind wir heute noch nicht.“ Müller hatte seit Beginn der Debatte darauf hingewiesen, dass Kliniken und Pflegeeinrichtungen wie private Haushalte, zu denen praktisch gesehen auch die Arztpraxen gehören, besonders geschützt sein sollen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte vorgestern im Deutschlandfunk, im Krisenfall werde laut europäischer Rechtsnorm in den privaten Gasverbrauch sowie die kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser und Altenheime „als Allerletztes“ eingegriffen.
Er warnte zugleich bei einem Ausfall der Gaslieferungen vor einem „politischen Albtraumszenario". Dieses träte ein, wenn der Staat im akuten Krisenfall die Zuteilung von Gas steuern müsste, sagte er. Er mache sich „keine Illusion“, was dann passieren werde, sagte der Grünen-Politiker. „Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten.“
Eine solche Notlage müsse etwa durch das Einsparen und Einspeichern von Gas verhindert werden, sagte Habeck. Ein akuter Gasmangel würde die gesellschaftliche Solidarität „bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus“ strapazieren.
Die Preisanpassungen für die Verbraucher würden „hart werden und für einige Menschen auch zu hart“, sagte Habeck. „Ich will da keinen Hehl daraus machen: Ich glaube, ohne weitere politische Flankierung zerreißen wir oder sagen wir, wird die Spaltung, die soziale Spaltung, dort zu stark befördert.“ Über weitere Entlastungen werde derzeit in der „konzertierten Aktion“ zwischen Regierung und Sozialpartnern gesprochen.
Dazu ob Russland nach der Wartung von Nordstream 1 wieder Gas liefern wird, sagte Habeck: „Alles ist möglich, alles kann passieren“. „Es kann sein, dass wieder mehr Gas fließt, auch mehr als davor. Es kann aber auch sein, dass gar nichts mehr ankommt.“ Der Minister riet: „Wir müssen uns ehrlicherweise immer auf das Schlimmste einstellen und ein bisschen für das Beste arbeiten.“
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