Geplanter Klinikverbund zeigt Herausforderungen der Krankenhausreform

Mannheim – Die Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim wollen nach der Absage des Bundeskartellamts zu einem möglichen Verbund weiter kämpfen. Sie argumentieren, dass sie mit ihrem Vorgehen die Zielrichtung der geplanten Krankenhausreform anstreben. Welche Vorteile dieser Verbund haben könnte und wie es nun mit der Patientenversorgung und dem medizinischen Personal weitergeht, hat das Deutsche Ärzteblatt bei den Beteiligten nachgefragt.
„Seit vier Jahren arbeiten wir an diesem Prozess“, erklärte der ärztliche Direktor und medizinische Geschäftsführer der Uniklinik Mannheim (UMM), Hans-Jürgen Hennes, zu dem geplanten Verbund. Hintergrund ist, dass die Uniklinik Mannheim unter den 36 Universitätskliniken bundesweit eine Art Sonderstatus hat. Trägerin der Klinik ist die Stadt Mannheim, während die Trägerschaft der meisten anderen Universitätskliniken die jeweiligen Bundesländer innehaben.
Eine weitere Ausnahme bildet die Uniklinik Gießen/Marburg, die sich mehrheitlich in privater Trägerschaft befindet. Die Uniklinik Mannheim ist eine GmbH, die meisten anderen Unikliniken sind Anstalten des öffentlichen Rechts. „Das sorgt für unterschiedliche wirtschaftliche Voraussetzungen“, sagte Hennes.
Neben finanziellen Schwierigkeiten, die viele Krankenhäuser in Deutschland haben (hohe Kosten bedingt durch Tarifsteigerungen oder gestiegenen Sach- und Energiekosten), hat die Uniklinik Mannheim durch diesen Sonderstatus weitere Ausgaben.
„Bestimmte Leistungen bekommen wir als Universitätsklinikum nicht refinanziert, weil wir kein Landesuniversitätsklinikum sind“, erklärte Hennes. „Beispielsweise haben wir eine Professur für personelle Onkologie, da arbeiten wir eng mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum zusammen und entwickeln neue Therapieformen, die wir auch in die Patientenversorgung einbringen.“
Eine der Grundvoraussetzungen sei ein molekulares Tumorboard mit einer Gensequenzierung für die Patienten. Diese Leistung erhalte die Uniklinik nicht refinanziert, obwohl sie kostenintensiv sei, so Hennes.
Stadt Mannheim will Defizite ausgleichen
„Zudem haben wir eine sehr alte Infrastruktur mit mehr als 100 Gebäuden, die zum Teil mehr als 100 Jahre alt sind. Das führt zu sehr hohen Instandhaltungskosten und -maßnahmen, die im diagnosebezogenen Fallpauschalensystem nicht refinanziert und über die Fördermittel des Landes nicht gedeckt sind“, sagte Hennes.
Das alles führt dazu, dass die UMM bereits seit Jahren im defizitären Bereich liegt. Für 2025 erwartet das Klinikum nach Angaben der Stadt ein Minus von 99 Millionen Euro. „Zwar hat die Stadt Mannheim zugesagt, für 2024 und 2025 die Defizite der Klinik zu decken. Über die Hälfte des gesamten Investitionshaushaltes der Stadt Mannheim geht aber in das Uniklinikum.“
Das sei auf Dauer inakzeptabel. „Es gibt auch noch Schulen, Kindergärten, Straßen und Brücken. Deswegen braucht es hier dringend eine Änderung“, forderte Hennes. „Die Stadt Mannheim und das Land Baden-Württemberg verhandeln derzeit über die Trägerschaft.“
In den vergangenen Jahren sind die Standorte Heidelberg und Mannheim aufgrund der regionalen Nähe bereits nach und nach zusammengewachsen, es wurden Subspezialitäten beispielsweise in der Pädiatrie untereinander aufgeteilt, berichtet Hennes. „In der COVID-19-Pandemie wurde die Uniklinik Mannheim aber bei einem Schutzschirmverfahren des Landes Baden-Württemberg nicht berücksichtigt, weil das Land nicht der Träger der Uniklinik ist“, sagte Hennes.
„Die Uniklinik wandte sich damals an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), dieser erteilte der damaligen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) den Auftrag, einen Lösungsvorschlag zu entwickeln. Zuerst sollten die beiden Standorte fusionieren, später wurde dann die Verbundidee entwickelt“, erklärte Hennes.
„Da die Uniklinik Mannheim einen Neubau plant, soll die Rechtsform als GmbH bestehen bleiben. Ziel ist, dass die Uniklinik Heidelberg mehrheitlich Trägerin wird. Indirekt wäre damit auch das Land Baden-Württemberg Trägerin.“
Zusammenschluss könne Spitzenmedizin voranbringen
Auch das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist überzeugt, dass der Zusammenschluss zwischen den Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim aus gesellschaftlicher, wissenschaftlicher und medizinischer Sicht sinnvoll und notwendig sei. Das erklärte eine Sprecherin des Universitätsklinikums auf Nachfrage.
„Zusammen mit allen beteiligten Institutionen verfolgt auch das UKHD das gemeinsame Ziel, mit dem Verbund Hochschul- und Spitzenmedizin, die medizinische Forschung und Lehre sowie den Gesundheitsstandort in der Region, aber auch in Deutschland insgesamt voranzubringen.“
Der geplante Verbund unter strategischer Führung des UKHD werde durch weitreichende Synergien zwischen den beiden Universitätsklinika bedeutende Fortschritte in der medizinischen Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung an beiden Standorten erzielen, heißt es.
„Dies wird den Patientinnen und Patienten in Mannheim und Heidelberg und in der gesamten Metropolregion Rhein-Neckar zugutekommen.“ Der Verbund zwischen den beiden Unikliniken böte zudem die Möglichkeit, den bestehenden Innovationscampus des Landes „Health + Life Science Alliance Heidelberg Mannheim“ zu einem wissenschaftlichen Leuchtturm mit internationaler Ausstrahlung auszubauen, erklärte die Sprecherin des UKHD weiter.
Auf die Patientenversorgung würde ein solcher Verbund keine direkte Auswirkung haben, erklärte Hennes von der Uniklinik Mannheim. Auch die 2.000 Medizinstudienplätze in Mannheim sollen demnach erhalten und bis Ende 2026 auf 2.400 Plätze aufgestockt werden.
Abteilungen werden fortgeführt
„Für die Mitarbeiterschaft spielt der Verbund zunächst keine Rolle, weil wir bestehende Abteilungen fortführen“, erläuterte Hennes. „Aus medizinischer Sicht werden wir uns noch stärker in Subspezialitäten komplementär aufstellen. Denn wir finden gar nicht so viele Spezialisten und können nicht alles doppelt vorhalten.“
Die Uniklinik Heidelberg ist zudem überzeugt davon, dass der Verbund attraktiver für das Personal sei. „Als überregional attraktiver Arbeitgeber wird uns der Verbund ermöglichen, neues Personal anzuziehen und bestehendes Personal langfristig zu binden“, erklärte die UKHD-Sprecherin.
Die Untersagung des geplanten Verbundes durch das Bundeskartellamt wurde aber vor allem mit wettbewerbsrechtlichen Aspekten begründet. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, erklärte, die wettbewerblichen Nachteile infolge eines Zusammenschlusses hätten vor allem die Patienten zu tragen, „denn in der Region verbleiben neben den Kliniken der Beteiligten nur wenige vergleichbare und unabhängige Wettbewerber, in manchen medizinischen Fachbereichen fast gar keine“.
Hennes kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. „Es ist nicht gelungen dem Bundeskartellamt klar zu machen, dass Unikliniken einen anderen Versorgungsauftrag haben wie andere Krankenhäuser in der Grund- und Regelversorgung. Das Bundeskartellamt hat uns behandelt wie jedes andere Krankenhaus auch und das trifft nicht unsere Aufgabenstellung“, kritisierte Hennes.
Konträre Ansicht zur aktuellen Gesundheitspolitik
Dass es in der Region beispielsweise nur wenige andere spezialisierte Kinderkliniken gebe, spreche für die Strategie, dass man komplexe Erkrankungen in bestimmten Krankenhäusern konzentrieren wolle. „Da ist die Beurteilung des Bundeskartellamtes komplett konträr zu dem, was die Politik für die Gesundheitsversorgung plant. Wir rechnen mit weiteren Fusionen und Verbünden in der stationären Gesundheitsversorgung und deshalb wird es auf eine Änderung der Betrachtungsweise hinauslaufen müssen, sonst geht das schief“, betonte Hennes.
Das Bundeskartellamt erklärte hingegen, dass es auch andere Formen der Kooperation geben würde, die ähnliche positive Wirkungen entfalten könnten, ohne den Kliniken ihre Unabhängigkeit zu nehmen. „Zudem erscheint uns die Annahme, dass große Unikliniken durch weiteres Wachstum automatisch besser würden, kaum tragfähig“, erklärte das Amt zur Entscheidung.
Die Uniklinik Heidelberg – als eine der größten deutschen Unikliniken – habe auf dem Krankenhausmarkt Heidelberg schon heute eine marktbeherrschende Stellung, so das Bundeskartellamt. Durch den Zusammenschluss mit der Uniklinik Mannheim würde sich diese verstärken, befürchtet das Bundeskartellamt.
Das Land Baden-Württemberg will diese Entscheidung nicht hinnehmen und nun eine Ministererlaubnis beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) anstreben, bestätigte das baden-württembergische Wissenschaftsministerium dem Deutschen Ärzteblatt. Der Antrag soll zügig gestellt werden. Eine Entscheidung wird im Frühjahr 2025 erwartet, heißt es weiter.
Der Antrag auf Ministererlaubnis ermögliche eine Prüfung des Vorhabens nach anderweitigen Kriterien. Das Bundeskartellamt dürfe nur wettbewerbliche Gesichtspunkte berücksichtigen, erklärte die Sprecherin. Das BMWK dürfe hingegen Aspekte zur Spitzenforschung, Gesundheitsversorgung oder dringend benötigten Medizinstudienplätzen berücksichtigen.
Mannheim verspricht: Keine Kündigungen
Für die Zeit bis zu dieser Entscheidung gilt: „Es gibt keine Kündigungen“, sagte der ärztliche Direktor Hennes. „Stattdessen sollen vor allem Prozessoptimierungen, etwa Optimierungen der Stationsgrößen vorgenommen werden, um das Defizit zu reduzieren. Bei dem aktuellen Fachkräftemangel wird kein Geschäftsführer auf die Idee kommen, jemandem zu kündigen“, sagt Hennes.
Auf die Frage, was passieren würde, wenn die Ministererlaubnis im Frühjahr 2025 negativ ausfallen werde, erklärte Hennes: „Es gibt keinen Plan B. Es ist eine politische Entscheidung und ich kann mir nicht vorstellen, dass bei den Bemühungen deutschlandweit Medizinstudienplätze aufzustocken, ernsthaft darüber nachgedacht werden könnte, ein Universitätsklinikum zu schließen.“ Hennes erklärte, man sei optimistisch, dass der Antrag erfolgreich sein wird. Das BMWK selbst wollte auf Nachfrage den Fall nicht kommentieren.
Das baden-württembergische Gesundheitsministerium sieht zudem Änderungsbedarf im bestehenden Recht. Ziel der Krankenhausreform, aber auch der Krankenhausplanung in Baden-Württemberg, sei unter anderem die Förderung von Klinikkooperationen und -verbünden zum Abbau von Doppelstrukturen für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage.
„Durch Konzentrationsprozesse und die Bündelung medizinischer Kompetenzen können Synergien erzielt und eine bestmögliche Versorgung auch in Zukunft gewährleistet werden. Wettbewerbsrechtliche Aspekte könnten dem Zusammenschluss zweier oder mehrerer Kliniken je nach gesellschaftsrechtlicher Ausgestaltung durchaus entgegenstehen, wenn das Bundeskartellamt darin im Einzelfall eine nicht gerechtfertigte marktbeherrschende Stellung sehen würde“, erklärte die Ministeriumssprecherin.
Das Kartellrecht scheine nicht darauf ausgelegt zu sein, die Besonderheiten von Klinikverbünden mit Blick auf die bestehenden finanziellen Herausforderungen und den Fachkräftemangel in der stationären Gesundheitsversorgung zu berücksichtigen.
„Der Bund sollte diese Fragestellungen im Hinblick auf die geplante Krankenhausreform daher bereits jetzt eingehend prüfen und zeitnah gegebenenfalls erforderliche Lösungen für die Sicherstellung einer guten stationären Gesundheitsversorgung erarbeiten“, lautet die Forderung des Gesundheitsministeriums in Stuttgart.
Auch der ärztliche Direktor des Uniklinik Mannheims, Hennes, erklärte: „Die politische Betrachtung und die Vorgaben für das Kartellamt werden sich ändern müssen, sonst kann man die Krankenhausreform, wie sie angedacht ist, nicht umsetzen.“
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