Politik

Gesundheitsämter weiter zögerlich bei einheitlicher Software

  • Donnerstag, 4. Februar 2021
/picture alliance, Britta Pedersen
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Berlin – Die Einführung der Software SORMAS zur Kontaktnachverfolgung in Gesundheitsämtern stößt bei den Gesundheitsämtern offenbar weiterhin nicht auf große Resonanz. Nach mehreren Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundesregierung sollten bis Ende des Jahres und nun bis Ende Februar alle knapp 400 Gesundheitsämter in Deutschland mit der vom Braunschweiger Helmholz-Zentrum entwickelten Nachverfolgungssoftware ausgerüstet werden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) übernimmt dafür die Kosten. Allerdings nutzen nach unter­schiedlichen Angaben nur zwischen 80 und 150 Ämter die Software inzwischen. Nun hat der Deutsche Landkreistag in einem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont, die angepeilte Entlastung der Gesundheitsämter „von unnötigem Aufwand“ sei nicht zu erreichen.

„Wir halten das Ziel einer flächendeckenden Einführung deshalb weder für erstrebenswert, noch derzeit erreichbar“, heißt es in dem Schreiben des kommunalen Spitzenverbandes, der knapp 300 Landkreise bundesweit vertritt.

Das System scheint tatsächlich noch weit von einer bundesweiten Nutzung entfernt zu sein: In einem Bericht der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) von Mitte Januar nutzen von den rund 400 Ämtern ge­rade 114 eine der verschiedenen SORMAS-Software-Versionen.

Hamburg und Rheinland-Pfalz geben an, weiterhin auf eigene Systeme zu setzen, daher sei eine Um­stellung „zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend.“ Laut der Auflistung der GMK hat auch das Saarland und Sachsen bis Ende des Jahres 2020 SORMAS nicht eingesetzt, in Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein hatte jeweils ein Gesundheitsamt SORMAS installiert.

In den anderen Bundesländern sieht es sehr unterschiedlich aus: Baden-Württemberg gibt an, in elf Ämtern angeschlossen zu sein (Quote: 29 Prozent), Bayern hat dies in 33 Ämtern umgesetzt (Quote 43 Prozent), Berlin in fünf Ämtern (40 Prozent), Brandenburg in sechs Ämtern (33 Prozent), Hessen in acht Ämtern (33 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern in fünf Ämtern (62,5 Prozent), Niedersachsen in 14 Ämtern (30 Prozent), Nordrhein-Westfalen in 17 Ämtern (32 Prozent), Thüringen in elf Ämtern, das ist die Hälfte. Die Hansestadt Bremen hat in ihren insgesamt zwei Gesundheitsämtern die Software eingesetzt.

Ebenfalls heute hat sich der neue „Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit“ (InÖG) Medienvertretern vorgestellt, der sich um mehr Digitalisierung, Interoperabilität und damit eine bessere Datenlage in der Pandemie einsetzen will.

Der Verbund versteht sich dabei als „Netzwerk aus Projekten“, die momentan vor allem Gesundheitsäm­tern bei der Digitalisierung unterstützen wollen, perspektivisch aber auch andere Akteure im Gesund­heitswesen. Entstanden ist die Initiative aus verschiedenen Projekten, sie sich vergangenes Jahr beim bundesweiten Hackathon „WirvsVirus“ zusammen gefunden haben.

In dem GMK-Bericht äußern viele Länder neben der Arbeitsüberlastung auch Kritik an der Software, feh­lende Funktionen und Schnittstellen. Die Kritik, formuliert im GMK-Bericht oder im Brief des Deutschen Städtetages an Spahn, bezeichnete eine der Unterstützerinnen des InÖG als „sehr hilfreich“: „Das ist ja Teil eines Chance-Prozesses, dass es Widerstand gibt. So aber können wir auf Fragen und Unsicherheiten antworten und unterstützen“, erklärte Anke Sax von der Initiative CIO Cooperate Citizens, die sich im InÖG engagiert.

Sie betonte, dass die ehrenamtliche Initiative die interessierten Ämter bei der Einführung der neuen Software unterstütze und dazu derzeit viele Gespräche führe. „Es stimmt definitiv nicht, dass die Gesund­heitsämter SORMAS oder andere Software nicht wollen.“ Vielmehr steige das Verständnis in den Gesprä­chen. Ebenso zeige sich, dass viele Ämter trotz Belastungen an ihrer Migrationsstrategie arbeiten und man hier zu guten Lösungen kommen könne.

Auch Achim Löbke, Co-Initiator des InÖG, bewertet den Brief des Landkreistages als „Werbung“ für SOR­MAS. „Die Software ist ein großer Erfolg, die Hilfe von uns wird vor Ort dankbar angenommen.“ Für sei­nen Mit-Initiator, Tobias Opialla, ist die SORMAS-Technik „das Herzstück der Pandemiebekämpfung.“

Auch Joachim von Beesten von der Björn Steiger Stiftung sieht in der Kritik einen Schwung für die Digi­ta­lisierung. Die Stiftung engagiert sich auch finanziell beim neuen InÖG, alle anderen geben an, sich ehrenamtlich für die Initiative einzubringen.

Das politische Ziel, bereits bis Ende Februar 2021 alle Gesundheitsämter in Deutschland mit dem SOR­MAS-System ausstatten zu können, halten die Initiatoren von InÖG für nicht realistisch. „Es ist gut, dass es so viel politischen Druck gibt. Aber das Ziel sollte der nächste Winter sein sowie eine europäische Ausrollung sein, damit auch hier die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg wieder klappt“, sagte Löbke.

Nach seinen Angaben haben inzwischen 151 Gesundheitsämter das Programm installiert, der Deutsche Landkreistag nennt 80 Ämter, die das Programm nutzen. Aus dem GMK-Bericht geht hervor, dass 114 Ämter die Software nutzen.

In dem Bericht der GMK wurde deutlich, dass viele Ämter die Umset­zung einer neuen Software mitten in der Pandemie scheuen. Es seien „aufgrund der sehr hohen Belas­tung an vielen Gesundheitsämtern zum Jahresende dafür keine ausreichenden Ressourcen mehr vorhan­den, insbesondere da die Änderung der Arbeitsabläufe im laufenden Pandemiegeschehen als hinderlich angesehen werden“, heißt es gleich zu Beginn des Berichts.

Das Thema der Digitalisierung der Gesundheitsämter wird auch am kommenden Mittwoch auf der Tages­ordnung des Treffens der 16 Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen.

bee

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