Politik

GKV-Finanzen: Keine kurzfristige Lösung, Ball liegt bei Gesundheitsministerin

  • Freitag, 5. September 2025
Nina Warken (CDU), Bundesministerin für Gesundheit /picture alliance, Britta Pedersen
Nina Warken (CDU), Bundesministerin für Gesundheit /picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Im Bundeshaushalt für das laufende Jahr sind keine weiteren Mittel für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) eingeplant. Die Haushälter erklärten heute, der Ball liege bei Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU).

Thorsten Rudolph, haushaltspolitischer Sprecher SPD, verwies in der Bundespressekonferenz anlässlich der Haushaltsberatungen darauf, dass sich der Koalitionsausschuss grundsätzlich darauf verständigt habe, dass man Beitragssatzerhöhungen vermeiden wolle.

„Das betrifft nicht mehr den Haushalt 2025, sondern 2026. Wie dann der genaue Weg sein wird, darüber wird sich die Koalition verständigen müssen. Wir warten, was für Vorschläge Frau Warken machen wird und werden es im Haushalt 2026 berücksichtigen müssen“, betonte Rudolph. Die Beratungen zum Haushalt 2026 sollen kommende Woche starten.

Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher CDU/CSU, erläuterte, man habe gehofft, dass auf Regierungsebene schon eine Lösung für diesen Haushalt 2025 da sei. Im Koalitionsausschuss habe man über verschiedene Lösungswege gesprochen, es habe aber dazu noch keine Einigung gegeben. „Insofern liegt das im Augenblick auf der Ebene und nicht auf unserer“, so der Haushaltspolitiker.

Ministerin Warken selbst machte heute keine konkreten Ansagen. „Der Handlungsbedarf ist klar: Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen und langfristig wirkende Strukturreformen“, sagte Warken bei einer Pressekonferenz in Berlin. Sollten diese Reformen nicht umgesetzt werden, drohten abermalige Beitragssteigerungen, warnte die Ministerin. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Warken.

Die Koalition sei sich einig, dass die Spirale von immer zu Jahresbeginn steigenden Beiträgen durchbrochen werden müsse, betonte die Ministerin. Doch die Beiträge würden auch absehbar „unter Druck bleiben“, auch mit Blick auf die heute bekannt gewordenen Zahlen der GKV.

Warken zufolge klafft bei der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr ein Loch von vier Milliarden Euro, bei der Pflege sind es zwei Milliarden. Die Ausgaben seien in beiden Bereichen „ungebrochen hoch“, sagte Warken. Das System sei „ohne tiefgreifende Reformen nicht mehr zu finanzieren“. Es brauche „dingend kurzfristige Maßnahmen und langfristig wirksame Strukturreformen, um das System sicher zu machen“, so Warken weiter.

Auf Nachfragen ging sie nicht konkreter auf die Pläne oder die vorliegenden Vorschläge ein. Sie betonte aber, dass der Bund 2025 Darlehen bereitstelle sowie die Transformationskosten im Rahmen der Krankenhausreform trage. Letztere war bisher allerdings noch nicht in die Berechnungen der Haushalte der Krankenkassen eingeflossen.

Warken kündigte an, noch in diesem Monat eine Expertenkommission einzuberufen, die zeitnah Vorschläge für Reformen erarbeiten solle. Dazu laufe derzeit „regierungsintern die finale Abstimmung“. In der Kommission sollten „umfassend“ die Bereiche der Einnahmen und Ausgaben beleuchtet werden.

Die Reformen sollten dazu führen, dass ab dem Jahr 2027 die Beiträge stabilisiert würden, dafür müssten Ergebnisse Anfang des Jahres 2026 vorliegen. Im Koalitionsvertrag war noch vorgesehen, dass die Ergebnisse der Kommission bis 2027 vorliegen sollen – seit Wochen deutet es sich aber an, dass es deutlich schneller gehen soll.

Dietmar Bartsch, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, findet den Verweis auf die Kommission schwierig. „Na Donnerwetter, kann ich nur sagen. Donnerwetter. Wann bringen die Ergebnisse? Wie ist die jetzige Situation? Der Handlungsbedarf ist gewaltig. Also es geht darum, wirklich um Reformen, dass da gibt es einen Stau sondergleichen“, sagte er heute in der Bundespressekonferenz.

Sebastian Schäfer, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, ergänzte, man habe das Thema gegenüber der Ministerin thematisiert. „Aber das ist noch nicht mal vage, was da als Reaktion kommt.“

In den vom Kabinett auf den Weg gebrachten Entwürfen für 2025 und 2026 sind bereits Finanzspritzen für die gesetzlichen Krankenversicherung über Darlehen vorgesehen. Das Bundesministerium für Gesundheit hatte aber mehrfach klargestellt, dass dies noch nicht ausreicht, um Beitragsanhebungen Anfang 2026 zu verhindern. Erst Anfang 2025 hatte es eine Welle kräftiger Beitragserhöhungen gegeben.

Ministerin Warken kündigte vor Journalisten ebenso an, noch vor der Planungen der Haushalte der Krankenkassen für 2026 Klarheit über die finanzielle Unterstützung zu schaffen. „Wir sind und den hohen Erwartungen und dem Zeitdruck durchaus bewusst. Ich erwarte vor dem Abschluss des Haushaltes 2026 Klarheit, was die finanzielle Situation von GKV und Pflegeversicherung angeht“, so die Ministerin.

Der enge Zeitplan in den kommenden vier Monaten bereitet vor allem den Krankenkassen Sorge: Der sogenannte Schätzerkreis, bei dem sich Finanzexpertinnen und -experten des Ministeriums, des GKV-Spitzenverbandes sowie des Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) Ende Oktober treffen, könne kaum eine solide Berechnung des Zusatzbeitrages erstellen, wenn erst Ende November der Bundeshaushalt final geeint wird.

Die Krankenkassen stellen ihre Haushalte nach den Empfehlungen des Schätzerkreises auf und lassen den von ihren Verwaltungsräten zwischen Anfang und Mitte Dezember absegnen.

In ersten Reaktionen äußern sich drei große Krankenkassen sehr kritisch über die Ankündigungen der Ministerin. „Das Damoklesschwert der Beitragssatzerhöhungen schwebt weiterhin über der GKV und Pflegeversicherung. Die Ministerin kündigte lediglich an, sich in den Beratungen zum Haushalt 2026 für mehr Bundesmittel einzusetzen, wohlwissend, dass die Spielräume im Bundeshaushalt äußerst eng sind“, teilte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, mit.

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, sieht den Beschluss der Koalition, die Beiträge stabil zu halten, als „gut“ an. Jetzt müssten Vorschläge auf den Tisch, seine Kassen habe dazu im Sommer ein Papier vorgelegt.

Der Chef der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, sieht die Lage kritischer. „Bei Gesundheit und Pflege droht uns ein Herbst der Hilflosigkeit, den Versicherte und Arbeitgeber im nächsten Jahr teuer bezahlen müssen“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Die wiederholten Ankündigungen zur Stabilisierung der Beiträge für Gesundheit und Pflege blieben „weiter ein leeres Versprechen“.

bee/aha/may/dpa/afp

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