Grünenfraktion mahnt zeitnahe Einführung eines umfassenden Primärversorgungssystems an

Berlin – Eine rasche Implementierung eines umfassendes Primärversorgungssystems will die Grünen-Bundestagsfraktion vorantreiben. In einem entsprechenden Antrag, welcher dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, heißt es, dabei müsse auf Digitalisierung, berufsgruppenübergreifende Teams, Koordination der Behandlung der Patientinnen und Patienten und Prävention gesetzt werden.
Mit Blick auf die bestehenden Herausforderungen bei der Gesundheitsversorgung und die großen Chancen eines Primärversorgungssystems wäre es falsch, dieses Thema weiter zu vertagen, warnen die Abgeordneten. Die Bundesregierung bleibe jedoch bislang ein diesbezügliches Konzept schuldig. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte kürzlich im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt erklärt, derzeit werde die Diskussion in den Fachabteilungen des Ministeriums vorbereitet.
„Noch in diesem Jahr“ solle die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, fordern nun die Grünen. In einem ersten Schritt müssten kurzfristig Maßnahmen ergriffen werden, um sicher zu stellen, dass allen Versicherten innerhalb von 20 PKW-Minuten vom Wohnort, gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), eine hausärztliche Praxis und für Kinder und Jugendliche eine kinderärztliche Praxis zur Verfügung steht. Dies soll in Zusammenwirken mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie dem Deutschen Hausärztinnen- und Hausärzteverband erfolgen.
Im nächsten Schritt soll dann ein Primärversorgungssystem eingeführt werden, in welchem haus- und kinderärztliche Praxen Erstansprechpartner der gesundheitlichen Versorgung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche sind. Diese Praxen sollen „die koordinierende Funktion innerhalb des Versorgungssystems übernehmen“ und Patienten dort, wo es möglich ist, fallabschließend behandeln. Wenn es medizinisch erforderlich ist, sollen qualifizierte und nach Dringlichkeit gestaffelte Überweisungen an Fachärzte vorgenommen werden.
Bei Menschen mit chronischen Erkrankungen und einem kontinuierlichen Behandlungsbedarf soll durch Jahres- oder Dauerüberweisungen und durch elektronische Konsile (eKonsile) eine kontinuierliche Mitbetreuung durch spezialisierte Fachärzte sichergestellt werden.
Die Versicherten sollen sich laut des Grünen-Konzeptes „unter Wahrung des Rechts auf freie Arztwahl“ bei einer primärversorgenden Praxis einschreiben – diese Einschreibung aber jederzeit widerrufen und eine andere primärversorgende Praxis wählen können. Die koordinierende Rolle der primärversorgenden Praxis und der verbindliche Überweisungsvorbehalt für fachärztliche Behandlungen soll für alle Behandlungsfälle gelten, außer für akute schwere Notfälle und für Behandlungen auf dem Gebiet der Augenheilkunde, der Gynäkologie und Geburtshilfe sowie der Psychiatrie und Psychotherapie.
Für die Einschreibung bei einer primärversorgenden Praxis sollen Anreize geschaffen werden – etwa durch Boni oder verminderte Zuzahlungen. Die Grünenpolitikerinnen und -politiker plädieren zudem dafür, die koordinierte Primärversorgung sowohl im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung als auch im kollektivvertraglichen Rahmen zu ermöglichen.
Im Rahmen des Primärversorgungsmodell seien zudem gesetzliche Anpassungen dahingehend notwendig, dass weitere Gesundheitsberufe an der Leistungserbringung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beteiligt werden können. Der G-BA solle mit einer geeigneten Fristsetzung beauftragt werden, „die Aufgabenprofile, Kompetenzen und Befugnisse der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe“ in den Primärversorgungspraxen festzulegen.
„Bevorzugt in sozial benachteiligten oder strukturschwachen Regionen“ sollen Primärversorgungszentren eingerichtet werden, die über die übrigen primärversorgenden Praxen hinaus sozialraumbezogene Bedarfe berücksichtigen. Sowohl Primärversorgungspraxen als auch Primärversorgungszentren sollen von den sogenannten sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen, diese sind im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehen, betrieben werden können.
Unter Vermeidung von Ausgabensteigerungen und insbesondere auch bürokratischen Aufwänden soll ein „gestuftes neues Vergütungssystem“ eingeführt werden. Eine kontaktunabhängige Einschreibepauschale solle etwa 80 Prozent des Aufwands abdecken und Komplexität und Betreuungsaufwand berücksichtigten. Mit zusätzlichen Pauschalen sollen beispielsweise besondere Leistungen oder das Erreichen von Qualitätszielen berücksichtigt werden. Die quartalsbezogene Abrechnung soll schrittweise in Jahrespauschalen überführt werden.
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