Hartmannbundvorsitzender Reinhardt dringt auf baldiges Stellen der Vertrauensfrage

Berlin – Nach dem Bruch der Ampelregierung hat sich der Vorsitzende des Hartmannbundes für das zügige Stellen der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler ausgesprochen. Er hoffe, dass Deutschland in möglichst kurzer Zeit zu einer handlungsfähigen Regierung zurückfinde, sagte Klaus Reinhardt heute in Berlin bei der Hauptversammlung des Verbandes. „Dazu sind wahrscheinlich Neuwahlen unverzichtbar.“
Den bisherigen Zeitplan von Kanzler Olaf Scholz (SDP) – mit der Vertrauensfrage am 15. Januar 2025 – kritisierte Reinhardt, der auch Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) ist. Es könne dann bis Mitte/Ende Mai dauern, bis es wieder eine veritable Regierung gebe. „Ich kann nicht erkennen, welches Argument dafür spricht, so zu verfahren.“ Er sprach sich dafür aus, die Vertrauensfrage besser zeitnah zu stellen.
Bei Gesetzesvorhaben aus dem gesundheitspolitischen Bereich wie dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) geht Reinhardt davon aus, dass diese nun vorerst auf Eis liegen. Mit Blick auf die Krankenhausreform bleibe die weitere Entwicklung abzuwarten. Sollte der Vermittlungsausschuss angerufen werden, wäre der weitere Gang des Gesetzes höchstwahrscheinlich in dieser Wahlperiode gestoppt, wie Reinhardt sagte.
Es wäre aus Sicht des Verbandsvorsitzenden als „nicht gut“ zu werten, falls die Reform nun unter den Tisch falle, denn es brauche Planungssicherheit für die Krankenhäuser. Sie müssten Rahmenbedingungen erkennen und sich darauf einrichten können.
Der Bundestag hat die Krankenhausreform Mitte Oktober bereits beschlossen. Im Bundesrat wird derzeit um die Frage gerungen, ob es einen Vermittlungsausschuss geben wird. Reinhardt nannte zudem noch die Notfallreform, die liegenbleibe – ein Thema mit ohnehin „erheblichem Reformstau“. Es gebe parlamentarischen Handlungsbedarf, wochenlange Hängepartien würden nicht gebraucht.
Forderung nach Ende des „Selbstbedienungsladens“
Die Hauptversammlung widmete sich heute dem Tagesordnungspunkt “Orientierungslos durch den Versorgungsdschungel. Wie lange können wir uns den ungesteuerten Patienten noch leisten?“.
Zur Frage der Koordination des Zugangs zum Gesundheitswesen sagte Reinhardt: „Der Selbstbedienungsladen, den wir uns leisten in Deutschland seit Jahrzehnten (...), hat einen Punkt erreicht, wo man sagen kann: So geht's nicht weiter.“
Die Kolleginnen und Kollegen seien an vielen Stellen ausgebrannt. Koordination sei zudem nicht nur eine Frage der Vermeidung unnötiger Arztbesuche, sondern auch der Patientensicherheit. Reinhardt vermied nach eigenen Worten bewusst das Wort „Steuerung“ von Patienten, da es sich paternalistisch anhöre.
In einem Impulsvortrag bilanzierte die Gesundheitsökonomin Leonie Sundmacher von der TU München, dass kein Steuerungsinstrument perfekt sei. Alle hätten bestimmte Nachteile. Auf der Suche dürfe man nicht auf eine vermeintlich perfekte Lösung warten, mahnte sie. Eine schrittweise Einführung von Gatekeeping scheine möglich. Digitalisierung sei eine notwendige Bedingung, um weiterzukommen, aber sie werde nicht die Strukturreform ersetzen.
Diskutiert wurden auf dem Podium dann unter anderem Möglichkeiten, wie Künstliche Intelligenz (KI) angesichts der Problemlage genutzt werden könnte, beispielsweise um die Effizienz zu steigern.
Sinnvoll wäre eine Einbindung von KI im Rahmen der elektronischen Patientenakte (ePA) gewesen, machte der Neurowissenschaftler und Professor für Künstliche Intelligenz in der Medizin, Martin Hirsch (Philipps-Universität Marburg) deutlich.
Hirsch verwies auf Szenarien, in denen KI in Daten aus der Patientenakte etwa Hinweise auf seltene Erkrankungen finden könnte – und verspricht sich von einem solchen denkbaren Nutzen auch mehr Offenheit der Patienten gegenüber technischen Lösungen. Mehrere der Teilenehmer auf dem Podium appellierten dazu, keine Angst vor Digitalisierung zu haben.
Auswirkungen der Trump-Wahl erwartet
Das zweite politische Großereignis der zurückliegenden Woche, die Wahl des Republikaners Donald Trump zum kommenden Präsidenten der Vereinigten Staaten, bringt aus der Sicht Reinhardts gesundheitspolitische Folgen mit sich. Er skizzierte die Möglichkeit eines Handelskrieges zwischen den USA und Europa, sollte Trump seine Ankündigung von Handelszöllen wahr machen.
Zu befürchten seien wirtschaftliche Veränderungen, die sich auch auf die Beitragssituation der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialversicherungssysteme auswirke. Er prognostiziere, dass man in absehbarer Zeit mit großer Gewissheit über strukturelle Maßnahmen nachdenken werde, die auch unter die „Rubrik Spargesetze“ fielen.
„Wir sollten uns als Berufsstand darauf einrichten, wie wir durch Effizienz, Eloquenz und vernünftige Organisation im Gesundheitswesen dazu beitragen können, dass diese Gesellschaft nicht auseinanderfällt“, sagte Reinhardt.
Neben den Folgen der Trump-Wahl für die europäische Sicherheitspolitik hob Reinhardt das Verhältnis des Republikaners zur Klimapolitik („desaströs“) als sehr problematisch hervor. Dabei sei Klimapolitik auch Gesundheitspolitik, betonte er.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: