Politik

Haushalt: Abgeordnete sorgen sich um GKV-Finanzen und zählen auf das Sondervermögen

  • Freitag, 11. Juli 2025
/picture alliance, Kay Nietfeld
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Berlin – Der hohe Kostendruck in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Pflegeversicherung treibt die Abgeordneten des Bundestages um. Dabei debattierten sie gestern am späten Abend zunächst nur den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), der für 2025 bei 19,3 Milliarden Euro liegen wird.

Die Versorgung der gesetzlich Versicherten wird nicht aus dem Haushalt des Ministeriums bezahlt – sondern aus den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber. Aus dem BMG-Etat fließen 14,5 Milliarden Euro in den Gesundheitsfonds. Über die weiteren 4,2 Milliarden Euro wird in den kommenden Sommerwochen in den Haushaltsberatungen gerungen.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) skizzierte die geplanten Aktivitäten ihres Ministeriums: So solle das „Gesundheitswesen besser gemacht werden", mehrere Fachkräftegesetze seien auf dem Weg – neben Gesetzen für die Pflegekräfte auch eins für die beschleunigte Anerkennung der Abschlüsse von ausländischen Ärztinnen und Ärzten.

Die Versicherungssysteme sollten ausreichend finanziert werden. Sie gehe nun „tiefgreifende und mutige Reformen" an, die „zwei Triebfedern haben: Die Sicherstellung einer hochwertigen Versorgung und zugleich die Gewährleistung der Bezahlbarkeit.“

An der Krankenhausreform halte sie trotz geplanter Anpassungen fest und stelle vier Milliarden Euro als Soforthilfe für die Häuser bereit. Diese könnten bereits im November ausgezahlt werden und kommen aus dem Sondervermögen.

Warken zählte weitere Projekte auf, die aus ihrem Haushalt oder auch aus dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz finanziert werden können: So werde künftig der geplante Transformationsfonds für die Krankenhäuser aus dem Sondervermögen finanziert. Auch sei sie „zuversichtlich", dass die Digitalisierung des Rettungsdienstes ab 2027 aus dem Sondervermögen unterstützt wird.

Nebenbei ließ sie fallen, dass mit der geplanten Notfallreform auch eine Reform des Rettungsdienstes kommen soll. Außerdem soll es eine Förderung von KI-Reallaboren und der Gesundheitsdateninfrastruktur geben. „Zusammengerechnet entfallen fast 34 Milliarden Euro auf mein Haus".

Damit leiste der Bund einen substanziellen Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur des Gesundheitswesens. Dazu komme auch ein Sofortprogramm zur Cybersicherheit: Denn zur „Versorgungssicherheit gehört in diesen Zeiten auch Cybersicherheit", so die Ministerin. Man werde Krankenhäuser aber auch alle relevanten Gesundheitseinrichtungen bei IT-Sicherheit unterstützen.

In dieser Woche wurde bekannt, dass möglicherweise die Beiträge zur GKV sowie zur Pflegeversicherung Anfang 2026 noch einmal steigen werden. Diesen „unmittelbaren hohen Druck" auf die GKV will Warken zügig beenden. Sie erwartet – wie schon mehrfach angekündigt – schnellere Ergebnisse aus der Expertenkommission zur Zukunft der GKV-Finanzierung.

Auch die Ergebnisse der Pflegekommission solle Ende des Jahres kommen. Ihre Forderung nach der Ausgleichszahlung für die Pauschalen in der Versorgung von Menschen mit Bürgergeldbezug sowie die Rückzahlung eines Darlehens an die Pflegeversicherung aus der Coronazeit, wiederholte Warken ebenso. Hier war sie in den bisherigen Beratungen mit dem Finanzministerium nicht erfolgreich gewesen.

Drei Oppositionsfraktionen mit unterschiedlichen Strategien

Die größte Oppositionsfraktion, die AfD, rechnete traditionsgemäß mit der Ministeriumsleitung ab. Michael Espendiller, haushaltspolitischer Sprecher der AfD, kritisierte zunächst die hohen Summen an Steuergeld, die Amts-Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) für Coronatests oder anderes ausgegeben hätte.

Die Kostenexplosionen im Gesundheitsbereich seien hausgemacht. Für die Reformvorschläge, die Warken präsentiert habe, benötige es keine „weiteren Kommissionen und lauter Stuhlreise“, so Espendiller, vielmehr sollte die Kompetenz im Parlament und im Ministerium genutzt werden.

Für Martin Sichert, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD, ist klar, dass „Gesundheitspolitik als ungeliebtes Stiefkind der Bundesregierung“ betrachtet werde. Er belegte dies damit, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) das Thema in seiner Regierungserklärung am Vortag nicht erwähnt hatte und nun die Debatte zum Thema so spät am Abend stattfinde. Kritisch blickt er auch auf die Krankenhausreform, bei der in zu vielen Regionen Kliniken geschlossen würden. Diesen „Kahlschlag der medizinischen Versorgung“ dürfe es nicht geben.

Zwei Abgeordnete der AfD betonten die Wichtigkeit von Klimaanlagen in Pflege- und Krankenzimmern. Hier müsse es ein Förderprogramm geben, forderte Kay-Uwe Ziegler (AfD). Die AfD-Abgeordnete Christina Baum warb dafür, sämtliche Gelder, die mit Pandemievorsorge, Impfungen oder WHO-Zuschüssen zu tun haben, komplett zu streichen.

Kein gutes Haar an der Regierungsarbeit ließ die Grünen-Fraktion – wenn auch aus anderer Richtung: So kritisierte Paula Piechotta (Grüne) die vielen Versprechen aus der Union in Bezug auf die Stabilisierung der Beiträge – „aber davon haben sie nun wenig gehalten.“ Es sei die Woche des „Wortbruches.“ Piechotta weiter: „Wie wollen Sie so noch fast vier Jahre durchhalten?“, sagte sie in Richtung Regierungskoalition.

Die Finanzsituation in der GKV sei auch deshalb so schwierig, da die Rücklagen in den vergangenen Jahren deutlich abgeschmolzen worden seien. „Und wer war das? Jens Spahn!“ rief Piechotta ins Plenum. Sie kritisiert Spahn seit Monaten für die hohen Summen, die er für die Einkäufe der Masken ausgegeben hatte. Diese Milliarden sowie die, die durch Gerichtsentscheide nun verloren seien, „müssen eben irgendwann wieder im Einzelplan 15 eingespart werden“, sagte Piechotta.

Auch Linda Heitmann (Grüne) sorgt sich um die GKV-Finanzen: „Die GKV macht mir Sorgen und nach diesem Haushaltsentwurf noch mehr.“ Reformen seien nicht in Sicht, die Steuerzuschüsse und Darlehen reichten nicht aus. Sie hoffe nun, dass der Entwurf für das Haushaltsjahr 2026 besser werde als der vorliegende Entwurf für 2025.

Bei den Linken sehen die Abgeordneten das Gesundheitssystem generell am Ende. „Alles ist kaputt gespart, der Trick mit dem GKV-Darlehen ist ein reiner Haushaltstrick“, sagte Tamara Mazzi von den Linken. Die Kürzungen, die im Haushalt nun vorgenommen werden, verschlechterten das Leben vieler weiter. „Ihr spart uns kaputt, ohne uns gesund zu machen“, so Mazzi weiter. Es müsse eine Gesundheitsversorgung geben, „die für alle da ist.“

Deutliche Kritik übte sie auch am früheren Minister Spahn. Es habe „politische Inkompetenz im Ministerium“ gegeben, sowie: „Steuergelder sind kein Selbstbedienungsladen.“ Die Obfrau der Linken in der Gesundheitspolitik, Julia Christina Stange, sieht es kritisch, dass bisher nur die Vorhaben der alten Ampelregierung auf den Weg gebracht wurden. „Das macht die Politik für pflegende Angehörige, Long-COVID-Betroffene sowie kranke Kinder nicht besser.“

Regierungsfraktionen äußern Erwartungen

Die beiden Regierungsfraktionen unterstützen naturgemäß die Pläne der Ministerin: Besonders die Abgeordneten der SPD äußerten die Erwartung, dass Warken in den Reformdebatten „Mut und Haltung“ zeige. „Das erwarte ich von Ihnen“, so Svenja Stadler (SPD), in der Haushaltspolitik ihrer Fraktion auch für Gesundheit zuständig. „Wenn Sie für Mut und Haltung Geld benötigen, dann sprechen Sie mich gerne an“, erklärte sie weiter.

Allerdings wolle sie als Haushaltspolitikern gerne wissen, was mit all dem Geld aus dem Staatshaushalt passiere, über das nun beraten werde. Denn hier gebe es oft keine Auskünfte.

Für Lina Seitzl (SPD) legt die Regierung mit den viel kritisierten Darlehen für die GKV eine „klare Priorität“ und bietet den Krankenkassen eine gewisse Planungssicherheit. Doch die gewonnene Zeit müsse man nutzen: „Unser Gesundheitssystem funktioniert auf dem Papier gut, nur der Output ist nicht wie gewünscht“, so Seitzl. „Gute Versorgung darf nicht abhängig vom Ort oder vom Geldbeutel sein.“

Für sie zählt die ambulante Versorgung als Rückgrat der Versorgung auf dem Land, die Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte müsse besser werden. Das gelte auch für die Verzahnung aller Sektoren. Die Krankenhausreform dürfe nicht verwässert werden. Sie kritisierte aber die Pläne, die vier Milliarden Euro Soforthilfe für die Krankenhäuser nun an alle Krankenhäuser zu geben. „Das Geld muss dort ankommen, wo es gebraucht wird.“

Für Simone Borchardt (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, ist bei der künftigen Gesundheitspolitik klar: „Viel Geld hilft nicht viel. Wir müssen an die Strukturen ran.“ Denn die aus ihrer Sicht „begrenzten Spielräume“ müssten nun zu strukturellen Reformen führen, „damit es wieder Versorgungssicherheit gibt.“

Die Debatte um die Pflege dürfe nicht verengt und „nicht immer als Kostenfaktor“ betrachtet werden. Von der Ausbildung, über die Leistungen bis hin zur Wohnform müsse diskutiert werden. Außerdem will sie sich für mehr Prävention in der Pflege einsetzen, damit die Eigenständigkeit möglichst lange erhalten wird.

Für Sebastian Schmidt (CDU) zeigt der Haushaltsentwurf, dass die Mittel für die GKV zwar nicht ausreichen werden, aber zunächst einmal nun Spielräume geschaffen wurden. Aus seiner Sicht sind besonders Investitionen in die Krisenresilienz sowie die WHO und des WHO-Hubs in Berlin wichtig. Für Peter Aumer (CDU) zeigt der BMG-Etat „Stabilität und Solidarität.“ Er habe Hoffnungen, in den kommenden Beratungen noch mehr heraus zu holen.

Der Haushalt wird nun vom Haushaltsausschuss sowie den Fachbereichen beraten. Parallel dazu beginnen bereits die Beratungen für das Jahr 2026, da der Haushalt für das laufende Jahr durch den Bruch der Ampelregierung sowie der Neuwahl im Februar 2025 nicht mehr beschlossen werden konnte.

Neben dem Haushaltsentwurf wird auch die Ausgestaltung des Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro beraten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht nicht nur die Krankenhäuser am Zug: „Deshalb sollte das Sondervermögen auch mit einem Praxiszukunftsgesetz einhergehen, um einen noch weitergehenden Digitalisierungsschub im ambulanten Bereich zu erreichen“, erklärten die drei Vorstände der KBV, Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.

Zu den Investitionen gehörten „Praxisverwaltungssysteme, in eine moderne, sichere Praxis-IT, die zusätzliche Datensicherheitsanforderungen und Cybersicherheit berücksichtigen“, heißt es weiter. Dies könnte nicht mehr „allein aus Eigenmitteln und mit Eigenengagement der Praxisinhaber geleistet werden“, so die KBV-Vorstände.

bee

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