Politik

Internisten: Patientensteuerung ohne Flaschenhals umsetzen

  • Freitag, 26. September 2025
/fotogestoeber, stock.adobe.com
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Berlin – Eine pauschale Verpflichtung, alle Versicherten zunächst durch Hausarztpraxen zu führen, ist angesichts der begrenzten hausärztlichen Ressourcen nicht sinnvoll. Das betonte der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) in einem heute vorgelegten Positionspapier zu einem künftigen Primärarztsystem. Hausarztpraxen dürften nicht zum „Flaschenhals im Versorgungspfad“ werden.

Um Versorgungswege effizient zu nutzen und vorhandene Kapazitäten gezielt einzusetzen, brauche es in der Regelversorgung eine strukturierte Ersteinschätzung, so der BDI. Ein solches System müsse digital gestützt, durch geschultes Personal begleitet und flächendeckend verfügbar sein. So sollen Patienten direkt in die passende Versorgungsebene – Hausarzt, Facharzt oder Krankenhaus – gelenkt werden.

Die Umsetzung einer verstärkten Patientensteuerung müsse „differenziert“ erfolgen, sagte Verbandspräsidentin Christine Neumann-Grutzeck im Rahmen des BDI-Hauptstadtforums. Nicht jede medizinische Maßnahme benötige die Steuerung durch den Hausarzt. So seien zum Beispiel chronisch Erkrankte beim jeweiligen Facharzt „gut aufgehoben“.

Auch nach einem Krankenhausaufenthalt könne ein Direktzugang zu bestimmten Facharztpraxen sinnvoll sein. Diese Beispiele würden zeigen, dass die Akteure im Gesundheitswesen an der Entwicklung von Lösungen für ein Primärarztsystem beteiligt werden müssen.

Das im Koalitionsvertrag als umzusetzendes Instrument genannte Primärarztsystem solle „nächstes Jahr durch das parlamentarische Verfahren“ laufen, sagte Hans Theiss (CSU), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Mit Blick auf das Erfordernis von mehr Effizienz im Gesundheitssystem sei mehr Steuerung auch dringend notwendig.

Theiss betonte, dass man als Regierungskoalition bei den anstehenden Reformen auch auf die Expertise der Berufs- und sonstigen Interessensverbände zurückgreifen wolle. Den Fehler des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), darauf bewusst weitgehend zu verzichten, werde man nicht wiederholen.

Er appellierte allerdings zugleich an die Akteure, ein Denken im Sinne einer Besitzstandswahrung vermeiden. In diesem Zusammenhang werde man seitens der Politik auch den Patientinnen und Patienten Dinge klarmachen müssen, welche unter Umständen „weh tun“.

Genau dies mahnte Thomas Schröter, 2. Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT), an. Es brauche eine klare Kommunikation der Politik an die Bürger. Das Wesentliche sei eben eine indikationsgerechte Steuerung und eine anschließend bedarfsgerechte Versorgung.

Der von den Krankenkassen immer wieder genannte Ziel einer Reduktion von Wartezeiten auf Termine sei hingegen ein „Luxusproblem“. Zudem gelte: Wenn die ambulante Versorgung die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllen können solle, müsse auch entsprechend investiert und finanziert werden.

Im BDI-Positionspapier heißt es dazu unter anderem, ein medizinisch sinnvoll gesteuertes System dürfe „weder in der Haus- noch in der Facharztpraxis an Budgetgrenzen scheitern“. Fachärztliche Leistungen, die auf einer qualifizierten hausärztlichen Indikationsstellung beruhten, müssten angemessen und extrabudgetär vergütet werden.

Ein wirksames Primärarztsystem brauche außerdem ein Mindestmaß an Verbindlichkeit. Um Mehrfachinanspruchnahmen zu vermeiden, sollen sich Patienten den Vorschlägen zufolge für eine definierte Zeitspanne auf eine primärärztlich tätige Praxis festlegen. Entscheidend dabei sei, dass die gewählte Praxis als erste Anlaufstelle fungiere, den Behandlungsbedarf einschätze und gegebenenfalls gezielt überweise.

Neben der passgenauen Umsetzung eines Primärarztsystem fordert der BDI weitere gesundheitspolitische Weichenstellungen. Unter anderem muss demnach die internistische Versorgungsforschung an den medizinischen Fakultäten gestärkt werden.

Versorgungsforschung finde derzeit überwiegend bei den wissenschaftlichen Instituten der Krankenkassen, am Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) sowie an einzelnen Lehrstühlen für Allgemeinmedizin statt.

In der Inneren Medizin – wie auch in anderen Fächern – sei sie strukturell unterrepräsentiert. Dabei könne Versorgungsforschung Evidenz liefern, Probleme zu erkennen, Nutzen und Aufwand abzuwägen und daraus praxistaugliche Empfehlungen für Politik und Selbstverwaltung abzuleiten.

Aus Sicht des BDI sollte die Bundes- und Landespolitik zudem die Rahmenbedingungen für eine ambulant-stationär vernetzte und regionale Ressourcenplanung vorantreiben. Erforderlich seien flexible Planungs- und Finanzierungsinstrumente für die Selbstverwaltung - anstatt zentraler politischer Detailvorgaben.

Langfristig könne Versorgungssicherheit nur gewährleistet werden, wenn ambulante und stationäre Kapazitäten gemeinsam geplant und gesteuert würden, betont der BDI. Zu beachten sei, dass das Prinzip „ambulant vor stationär“ mit der Konsolidierung der Krankenhausstrukturen weiter an Bedeutung gewinne.

aha

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