Politik

Kabinett billigt Gesetz zur einheitlichen Pflegeassistenz­ausbildung

  • Mittwoch, 4. September 2024
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /picture alliance, Michael Kappeler
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) /picture alliance, Michael Kappeler

Berlin – Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf des Pflegefachassistenzeinführungsgesetzes beschlossen. Mit dem Gesetz sollen die derzeit 27 landesrechtlich geregelten Ausbildungen zu Pflegeassistenzberufen bun­desweit vereinheitlicht werden. Zudem ist eine einheitliche Vergütung für die Pflegeassistenzausbildung vor­gesehen.

Bislang wird nur etwa die Hälfte aller Assistenzausbildungen in der Pflege vergütet. Die Ausbildungszeit soll künftig 18 Monate betragen. Sie kann auf zwölf Monate oder weniger verkürzt werden, wenn die Auszubilden­den über Vorerfahrungen in der Pflege verfügen. Die Neuregelungen sollen ab dem Jahr 2027 gelten.

„Die Pflege befindet sich derzeit in einer sehr kritischen Lage“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauter­bach (SPD) heute im Anschluss an die Kabinettssitzung vor Journalisten. Die Situation sei bedrohlich. Unter anderem fehle es flächendeckend an Personal in allen Bereichen: in der examinierten Pflege ebenso wie in der Pflegeassistenz und der akademisierten Pflege.

Dabei werde sich die Situation noch verschärfen, wenn die Babyboomergeneration in Rente gehe. Auch da­durch werde die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen: in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um 50 Prozent. „Wir stehen am Vorabend eines enormen Engpasses“, sagte Lauterbach.

Mehr Kompetenzen

Mit dem Pflegefachassistenzeinführungsgesetz will die Bundesregierung die Attraktivität der Pflegeausbil­dung steigern. „Wir planen, dass die Pflegeassistenzberufe mehr Kompetenzen in der Ausbildung erwerben“, sagte Lauterbach.

Mit zwei weiteren Gesetzen würden auch die Kompetenzen sowohl der examinierten Pflegekräfte als auch der akademisierten angehoben. „Wir skalieren die Kompetenz in allen Bereichen hoch, damit wir am Ende den Bedarf in der Pflege decken können“, so Lauterbach. Das sei auch deshalb angemessen, weil die Pflegeausbil­dungen im Ausland eine ähnliche Kompetenz vermittelten.

„Durch die Einführung eines neuen, einheitlichen Kompetenzprofils für die Pflegefachassistenz können Aufga­ben zwischen Pflegefach- und Pflegefachassistenzpersonen zukünftig besser verteilt werden“, heißt es in einer Erklärung von Bundesgesundheits- und Bundesfamilienministerium.

„Denn Pflegefachassistenzpersonen sollen zukünftig vermehrt Aufgaben durchführen können, die heute noch teilweise von Pflegefachpersonen durchgeführt werden. Hierdurch werden Pflegefachpersonen deutlich ent­las­tet.“

Mit dem Gesetz sollen zudem bestehende Hürden im System abgebaut werden. Da sich die derzeitigen Aus­bildungswege in Dauer und Inhalt teils deutlich voneinander unterscheiden, werden die Ausbildungen in der Pflegeassistenz zwischen den Bundesländern nicht in jedem Fall anerkannt. Das werde sich mit der neuen bundesweiten Ausbildung ändern, erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).

Auch die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte solle vereinfacht werden. „Mit der neuen Ausbildung kann zum Beispiel ein deutschsprechender Syrer, der keinen Schulabschluss nachweisen kann, zu der Assistenz­aus­bildung zugelassen werden, sofern die Pflegeschule, bei der er sich bewirbt, einen erfolgreichen Abschluss erwartet“, erklärte Paus. Darüber hinaus wolle man all jenen ein alternatives Angebot machen, die heute die Ausbildung zur Pflege­fachperson abbrechen.

Voraussetzung für die neue Ausbildung ist grundsätzlich ein Hauptschulabschluss. Gleichzeitig ist eine Zu­lassung ohne Schulabschluss bei einer positiven Prognose der Pflegeschule zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung möglich.

Die Ausbildung umfasst Pflichteinsätze in den drei Versorgungsbereichen stationäre Langzeitpflege, ambu­lante Langzeitpflege und stationäre Akutpflege. Die Absolventinnen und Absolventen können zukünftig in ganz Deutschland in allen Versorgungsbereichen der Pflege arbeiten.

Analog zur Finanzierung der Ausbildung von Pflegefachpersonen soll auch die Ausbildung zur Pflegeassistenz künftig im Umlageverfahren von den Pflegeeinrichtungen, den Bundesländern und der Pflegeversicherung finanziert werden.

Paus erklärte, dass der Gesetzentwurf im Einklang mit den Bundesländern erarbeitet worden sei. „Das ist ein großer Verhandlungserfolg“, meinte sie. Das Gesetz sei zwar im Bundesrat zustimmungspflichtig, sie erwarte dabei jedoch keine Probleme. Schließlich sähen die Bundesländer ebenfalls die Notwendigkeit einer Verein­heitlichung des Pflegeassistenzberufs.

Drei weitere Gesetz in diesem Herbst

„Die Reform ergänzt eine Reihe mehrerer Gesetzinitiativen in der Pflege, mit denen wir uns darauf einstellen, dass in einer älter werdenden Gesellschaft immer mehr Menschen Pflege benötigen“, sagte Lauterbach. Mit dem bereits verabschiedeten Pflegestudiumstärkungsgesetz wurde die akademisierte Pflege adressiert.

Darüber hinaus kündigte Lauterbach drei weitere Reformen noch in dieser Legislaturperiode an. Neben der „großen“ Pflegereform, die unter anderem die Finanzierung der Pflegeversicherung neu ordnen soll, damit die Eigenanteile wieder sinken, gehören dazu das Pflegekompetenzgesetz und ein Gesetz zur Advanced Practice Nurse.

Mit dem Pflegekompetenzgesetz sollen die Aufgaben der examinierten Pflegefachpersonen erweitert werden. Die Einführung einer Advanced Practice Nurse soll eine akademische Weiterqualifizierung für Pflegefachkräfte ermöglichen, die dann zum Beispiel bestimmte Arzneimittel verschreiben können.

Kritik von den Arbeitgebern

Arbeitgeberverbände kritisierten, dass die neue Assistenzausbildung 18 Monate andauern soll. „Die Bundesre­gierung ist den Empfehlungen vieler Trägerverbände und einiger Länder nicht gefolgt und bringt eine Pflege-Assistenzausbildung mit einer Dauer von 18 Monaten auf den Weg“, erklärte der Präsident des Bundesver­bandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer.

„Damit ist die Chance verpasst worden, schnelle Entlastung für Pflegekräfte und pflegende Angehörige zu schaffen.“ Es sei inzwischen für jeden deutlich, unter welchem Druck betroffene Familien stehen, weil die professionellen Unterstützungsstrukturen aufgrund des fehlenden Personals wegbrächen. „Es macht einen großen Unterschied, ob Hilfe nach zwölf oder erst nach 18 Monaten verfügbar ist“, meinte Meurer.

Der Druck steige sogar noch. „Die Bundesregierung hat es in drei Jahren nicht geschafft, ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen he­rauszunehmen“, so Meurer. „Sie schafft es aber, diese Kosten durch eine unnötig lange Assistenzausbildung noch zu steigern, zulasten der Pflegebedürftigen.“

Professionelle Pflege in Deutschland wird von ausgebildeten Fach- und Assistenzkräften sowie von angelern­ten Hilfskräften geleistet. Insgesamt arbeiten in Deutschland circa 1,7 Millionen Pflegekräfte. 62 Prozent be­ziehungsweise 1,1 Millionen haben eine Pflegefachausbildung.

30 Prozent beziehungsweise 515.000 Beschäftigte sind Pflegehilfskräfte, von denen heute etwa 343.000 Be­schäftigte eine Ausbildung in einem Pflegehelfer- oder -assistenzberuf oder in einem anderen Beruf haben.

fos

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