Politik

Kassenreport sieht keine positiven Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes

  • Freitag, 19. Juli 2024

Berlin – Die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel steigen trotz der Maßnahmen des GKV-Finanzsta­bilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) offenbar weiter an. Das zeigt der AMNOG-Report der DAK-Gesundheit, der darüber hinaus „blinde Flecken im Arzneimittelmarkt“ untersucht hat. Erstellt haben ihn Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld.

Der Analyse zufolge erhöhten sich die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel in den Monaten Februar bis April 2024 gegenüber dem gleichen Zeitraum 2023 um 18 Prozent auf durchschnittlich 2,54 Milliarden Euro pro Monat. Dabei machten sie 50 Prozent der Gesamtausgaben für Arzneimittel aus.

Im Zeitraum Februar bis April 2022 – und damit vor der Verabschiedung des GKV-FinStG – lagen die monat­lichen GKV-Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel – auf Ebene des Apothekenverkaufspreises – noch bei 1,86 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum 2023 beliefen sie sich auf 2,16 Milliarden Euro. Dabei sind die Ausgaben laut Report bedeutend stärker angestiegen als die abgegebenen Packungen oder Tagesdosen.

„Es hat noch keine Legislaturperiode mit einer solchen Ausgabensteigerung und Beitragsdynamik gegeben“, erklärte Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit, heute bei der Vorstellung des Re­ports.

Die DAK prognostiziere für das kommende Jahr einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitragsatzes auf 2,3 Prozent. In der Legislaturperiode 2022 bis 2025 würde der Zusatzbeitrag demnach um einen ganzen Pro­zentpunkt steigen. „An einer Begrenzung des Ausgabenanstiegs führt meines Erachtens kein Weg vorbei“, be­tonte Storm.

Mehr als jeden sechsten Euro würde die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mittlerweile für Arznei­mit­tel ausgeben – trotz des erhöhten Herstellerabschlags seien diese mit 17,38 Prozent der Gesamtausgaben der zweitgrößte Block, noch vor den vertragsärztlichen Behandlungen mit 16,33 Prozent.

Einen bisher oft unterschätzten und auch unbeachteten blinden Fleck bildet der AMNOG-Report mit der Aus­gabenentwicklung bei patentgeschützten Arzneimitteln im Krankenhausbereich ab.

Dieser Bereich wird der DAK zufolge in Zukunft weiter an Bedeutung zunehmen, da der Anteil der hochprei­sigen patentgeschütz­ten Arzneimittel im stationären Bereich immer weiter steige. Ursache seien etwa neue Onkologika oder Gentherapien. Diese blinden Flecken seien „ein großes Problem, das immer deutlicher zutage tritt“, betonte der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken.

Alleine in Krankenhäusern wurden den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Euro für patent­geschützte Arzneimittel ausgegeben. Das ist eine Steigerung um 132 Prozent binnen fünf Jahren in einem bisher wenig untersuchten Ausgabenbereich.

„Wir brauchen Transparenz über die tatsächlichen Kosten im Arzneimittelbereich, deren blinde Flecken wie dem Krankenhausbereich und eine offene Diskussion, wie die GKV diese stemmen soll. Und wir brauchen konkret Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung der Ausgaben“, sagte Storm.

Er bezeichnete die Ausgabendynamik auf dem Arzneimittelmarkt als „enorme Herausforderung“ für die Finanz­stabilität der GKV. Durch die inkonsequenten politischen Maßnahmen gibt es jetzt einen enormen Handlungsdruck“, sagte er.

Anders als von der Bundesregierung behauptet, zeige sich dabei keine spürbare Entlastung durch das GKV-FinStG, erklärte der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner. Vielmehr seien die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel seit Inkrafttreten des Gesetzes nicht nur kontinuierlich, sondern zuletzt sogar überproprtional stark gestiegen.

Indexiert auf den Zeitpunkt Januar 2022 hatte Greiner die monatlichen Ausgaben untersucht und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Index in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren um 40 Punkte gestiegen ist. „Das ist schon dramatisch, das muss man so sagen“, betonte er.

Andererseits sei aber auch nicht eingetreten, wovor die pharmazeutische Industrie gewarnt habe. Es sei auf­grund der Verschärfungen der sogenannten AMNOG-Leitplanken nicht zum massenhaften Marktaustritt von Arzneimitteln gekommen.

Bei Produkten, die vom Markt genommen werden, erfolge das eher, weil diese durch technische Neuerungen überholt sind. Ein „Frustrationseffekt durch das GKV-FinStG“ sei hingegen nicht zu erkennen.

Storm mahnte dringend eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik an. „Die Leistungsausgaben dürfen nicht schneller steigen als die Einnahmen, denn das können die Versicherten und die Wirtschaft auf Dauer nicht verkraften“, so Storm. Das müsse auch Konsequenzen für den Arzneimittelbereich haben.

Den Informationen des Reports zufolge gab es im vergangenen Jahr auch einen Höchststand bei den Jahres­therapiekosten für neue Arzneimittel. Mittlerweile liegen diese durchschnittlich bei fast 400.000 Euro pro Patient. Gleichzeitig endeten 20 von 38 Erstbewertungsverfahren seit der Einführung des FinStG mit einem nicht belegten Zusatznutzen.

lau/aha/may

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung