Politik

Koalition uneins über Coronatestpflicht in Unternehmen

  • Freitag, 9. April 2021
/picture alliance, AP, Francisco Seco
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Berlin – Die Bundesregierung sieht bei Coronatests in Unternehmen Nachholbedarf - ist sich aber nicht einig, ob die Unternehmen auch zum Testen verpflichtet werden sollen. Während Bundeswirtschafts­mi­nister Peter Altmaier (CDU) weiter auf Freiwilligkeit setzen will, plädierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) für gesetzliche Auflagen.

Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Umfrage unter Beschäftigten hatte ergeben, dass aktuell 61 Prozent einen Arbeitgeber haben, der Coronatests anbietet. „Das ist nicht genug“, betonte Scholz. Mindestens 90 Prozent müssten erreicht werden. Altmaier bekräftigte, die Zielmarke seien 90 Prozent der Betriebe.

Eine Steigerung der Testangebote mindestens in der Größenordnung von einem Drittel sei machbar und möglich, sagte der CDU-Politiker. Er wünsche sich, dass diese Erfolge mit einer freiwilligen Lösung er­reicht werden könnten. Scholz hingegen sprach von gesetzgeberischen Regeln. Die Wirtschaft ist gegen solche Auflagen.

Ein Sprecher von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte erst gestern gesagt: „Aus Sicht des Bundesarbeitsministeriums ist es nicht zufriedenstellend, dass rund 40 Prozent der Beschäftigten kein Testangebot bekommen.“ Der Minister habe in der Vergangenheit wiederholt deutlich gemacht, dass er für eine verbindliche Regelung sei, falls in der Arbeitswelt nicht ausreichend getestet werde.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Beschäftigte heute dazu aufgerufen, sich in ihren Un­ter­nehmen häufiger auf das Coronavirus SARS-CoV-2 testen zu lassen. Es sei wichtig, dass die Betriebe kos­tenfreie Tests anböten – aber mindestens ebenso wichtig sei, dass die Mitarbeiter diese auch nutz­ten, sagte er heute. „Die regelmäßigen Tests müssen in den Arbeitsalltag von Menschen, die nicht im Home­office sind, integriert werden."

Derzeit nutzen laut Spahn nur etwa 20 bis 40 Prozent der Beschäftigten regelmäßig die Möglichkeit – „auch in Unternehmen, die das sehr großzügig anbieten“. Der Präsident des Robert Koch-Institut (RKI), Lothar Wieler, betonte, durch Tests könnten SARS-CoV-2-Infizierte früher erkannt werden. „Das geht aber nur, wenn die Tests in einer bestimmten Frequenz sind“, so Wieler. Schutzmaßnahmen dürften trotz der Tests aber nicht aufgegeben werden. „Wir können das Virus nicht wegtesten“, betonte er.

Zum Brechen der dritten Coronawelle in Deutschland sind aus Sicht des RKI stärkere Einschränkungen der Mobilität nötig. „Wenn man die Modellierungen anschaut, die von vielen Gruppen aus Deutschland kommen, dann heißt ein Lockdown, dass die Mobilität massiv eingeschränkt wird“, sagte Wieler. Viele Experten bezögen sich auf Daten aus dem vergangenen Frühjahr mit starken Einschränkungen der Be­wegungsfreiheit.

Die meisten Modellierer hielten Lockdownzeiträume von zwei bis vier Wochen für nötig, um diese Welle zu brechen, so Wieler. Die gegenwärtige Situation sei „dem Infektionsschutz gegen COVID-19 nicht zu­träglich“. Er betonte, dass jeder Tag des Abwartens Menschenleben koste.

Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 25.464 Coronaneuinfektionen. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 296 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI von heute Morgen hervor. Das RKI geht jedoch davon aus, dass sich in den Ferien meist weniger Menschen testen lassen, was zu einer geringeren Meldezahl an die Gesundheitsämter führe.

Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 21.888 Neuinfektionen und 232 neue Todes­fälle verzeichnet. Die Zahl der heute binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Ein­wohner lag laut RKI bundesweit bei 110,4. Am Vortag gab das RKI diese Sieben-Tage-Inzidenz mit 105,7 an.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von gestern Abend bei 0,80 (Vortag: 0,76). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 80 weitere Menschen anstecken. Die nach Ostern beobach­teten kleinen R-Werte können laut RKI jedoch auch mit einer geringen Testzahl in den vergangenen Ta­gen zusammenhängen. „Die Werte können erst in einigen Tagen bewertet werden“, schreibt das Institut.

dpa/bee

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