Politik

Krankenhäuser wollen zügige Korrekturen bei der Krankenhausreform

  • Dienstag, 14. Januar 2025
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft /DKG
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft /DKG

Berlin – Die kommende Bundesregierung sollte nach der Bundestagswahl unverzüglich Korrekturen an der 2024 beschlossenen Krankenhausreform vornehmen. Zudem sollte sie einige Herausforderungen im Gesundheitssystem anpacken. Darauf wies heute der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, hin.

So müsse in einem ersten Schritt die flächendeckende Patientenversorgung durch wirtschaftliche Stabilität wäh­rend der Transformationsphase (2026 bis 2035) der Reform abgesichert werden, forderte Gaß. Der kalte Struktur­wandel im stationären Bereich müsse beendet werden.

Zudem brauche es realistische Personal- und Strukturvor­gaben für die jetzt beginnenden Krankenhausplanungen der Bundesländer. Diese sollen von einem neu geschaffenen Leistungsgruppenausschuss zunächst bis Ende März 2025 unter Beratung der Selbstverwaltung definiert werden. Das sieht das Krankenhausversorgungsverbesse­rungs­gesetz (KHVVG) vor.

Diese Zeit sei für eine sorgfältige Bewältigung dieser Aufgabe aber zu knapp bemessen, bemängelte Gaß. Er geht davon aus, dass sich dieser Ausschuss erstmalig im Januar treffen wird. Noch stehe aber kein Termin für eine kons­tituierende Sitzung fest, erklärte er auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Weiter forderte Gaß heute die Aussetzung der geplanten Vorhaltefinanzierung, die erstmals 2027 greifen und 60 Prozent der bisherigen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) ausmachen soll. Die Vorhaltefinanzierung würde die Planung am Versorgungsbedarf aktuell erschweren, kritisierte Gaß. Die Fristen für die Vorhaltefinanzierung sei zudem zu kurz gesetzt.

So müssten die Bundesländer ihre Krankenhausplanung bis Mitte 2026 abgeschlossen haben, damit die neue Finanzierungsform ein halbes Jahr später umgesetzt werden könne. Wenn dies ausgesetzt werde, würde weiterhin die DRG-Finanzierung gelten, so Gaß.

Statt der Vorhaltefinanzierung sollte mittelfristig eine Ergänzung der DRG-Finanzierung durch Strukturkostenkom­ponenten erfolgen, schlägt Gaß vor. Diese müssten beispielsweise die Kosten der Notfallversorgung vollständig abbilden.

Abbau von Bürokratie und Auswirkungsanalyse oben auf der Agenda

Neben diesem aus der Sicht der DKG sofortigem Handlungsbedarf sollte sich die zukünftige Bundesregierung auf zehn Punkte im Gesundheitswesen konzentrieren, erklärte Gaß weiter. Einige dieser Punkte hatte die DKG in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert.

Ein Hauptaugenmerk liegt auf dem Abbau von Bürokratie. Neben der Belastung des medizinischen Personals leiden einer Civey-Umfrage im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft von Anfang Dezember zufolge auch Patientinnen und Patienten unter der Bürokratie in medizinischen Einrichtungen. Rund 77 Prozent der befragten Personen gaben eine hohe Belastung an.

Weiter brauche es fundierte Auswirkungsanalysen der Krankenhausreform, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Krankenhausplanung der Länder müsse in einem ersten Versuch „sitzen“, erklärte Gaß. Es gebe keine zweite Chance. Er sprach sich dabei erneut für die Fokussierung auf die 60 Leistungsgruppen aus, die Nordrhein-West­falen entwickelt hat.

Die zusätzlichen Leistungsgruppen, die im KHVVG definiert worden sind, sollten fallen gelassen werden. Wichtig sei auch, dass die Krankenhausplanung von Beginn an funktioniere, da man sonst die 50 Milliarden Euro, die im Rahmen des Transformationsfonds zur Umstrukturierung der Krankenhäuser genutzt werden sollten, versenken würde, so Gaß.

Darüber hinaus müsste die Fachkräftesicherung priorisiert werden. Hierzu stehe vor allem eine bessere Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Gesundheitswesen im Fokus. Das Gesundheitssystem sei „zu arztlastig“, so Gaß. Zu­dem brauche es schnellere Anerkennungsverfahren für Fachkräfte aus dem Ausland. Wichtig sei auch, dass die Qualitätssicherung statt auf Prozessqualität verstärkt auf Ergebnisqualität abziele.

Kliniken sollen mehr an ambulanter Versorgung teilnehmen

Gaß schlägt eine stärkere Öffnung des ambulanten Sektors für Krankenhäuser vor. Es brauche eine deutli­chere sektorenübergreifende Versorgung und Länder müssten sowohl ambulante als auch stationäre Angebote beplanen dürfen, forderte er. So müssten künftig auch Ärztinnen und Ärzte, die etwa in Gemeinschaftspraxen ar­beiten auch teilweise in Krankenhäusern an fachärztlichen Ambulanzen tätig sein dürfen. Hier brauche es deutlich mehr Flexibilität.

Auch hinsichtlich des Personaleinsatzes sprach sich Gaß gegen kleinteilige Vorgaben und für einen „Ganzhausan­satz“ an. Ärztliche Personalbemessungsinstrumente dürften lediglich einen Orientierungswert bieten und sollten nicht verpflichtend befolgt werden, so Gaß. „Wir müssen wegkommen von der Idee, je mehr Personal, desto besser.“ Zur Erklärung: Das ärztliche Personalbemessungsinstrument der Bundesärztekammer soll im Zuge der Krankenhausreform in den Kliniken eingeführt werden.

Weiter sollte sich die kommende Bundesregierung darauf fokussieren, die Digitalisierung im stationären Bereich voranzutreiben und den Einsatz von Telemedizin regional oder überregional fördern. Die Krankenhausreform sei in dieser Hinsicht zu fokussiert auf einzelne Standorte. Die Versorgung durch Telemedizin biete aber große Chancen, dass man Patienten versorgen könne, ohne am eigenen Standort Personal vorhalten zu müssen.

Notfallreform zügig angehen

Auf der Liste der Maßnahmen der DKG steht zudem eine zügige Reform der Notfallversorgung. Die Reform wollte die Ampelregierung Ende 2024 noch umsetzen, aufgrund des Bruchs der Koalition konnte dieses Vorhaben aber nicht mehr umgesetzt werden.

Weiter nennt die DKG eine notwendige Verbesserung und Stärkung der psychiatrischen Versorgung. Hier brauche es vor allem sektorenübergreifende regionale krankenhauszentrierte Versorgungsnetzwerke, schlägt Gaß vor.

Zudem solle die Arzneimittelversorgung künftig sichergestellt werden, forderte Gaß. Vor allem müsse eine künf­tige Bundesregierung verstärkt europäische Produktionskapazitäten fördern und Abnahmegarantien einführen, damit in Deutschland auch ein Teil der in Europa produzierten Arzneimittel verwendet werde.

Auch Prävention und Gesundheitsförderung sollte stärker in den Blick genommen werden, appellierte Gaß. Diese Ziele könnten auch dazu beitragen, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

Gaß setzt dabei seine Hoffnungen auf alle Parteien, bis auf die AfD. Er bemängelte zudem, dass die Ampelparteien in der Vergangenheit Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritiklos angenommen hätten. Das sei keine gute Voraussetzung, so Gaß.

Es brauche nun einen Politikwechsel, die Phase des „Herbeiregulierens“ müsse zügig beendet werden. Stattdessen sollte die Politik den Akteuren im Gesundheitswesen mehr Vertrauen schenken. Die künftige Bundesregierung sollte vor allem Ergebnisse und Ziele definieren und die Umsetzung den Akteuren vor Ort überlassen. Durch kluge Anreize könne man so mehr Innovationskraft freisetzen und Probleme besser vor Ort lösen, so Gaß.

Nachbesserungen an der Krankenhausreform forderte heute auch der AOK-Bundesverband. Es seien noch einige inhaltliche Punkte offen, die zu klären sind, erklärte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des Verbands.

„Nur 20 Prozent der Bevölkerung gehen davon aus, dass sich die gesundheitliche und medizinische Versorgung bei ihnen vor Ort durch die Krankenhausreform eher verbessern wird, 42 Prozent erwarten dadurch keine we­sentlichen Änderungen“, erklärte Reimann und nahm Bezug auf eine kürzlich veröffentlichte forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbands. „36 Prozent glauben sogar, dass die geplante Reform zu einer Verschlechterung führen wird“, so Reimann.

Auch Reimann betonte dabei die Notwendigkeit bei der Vorhaltekostenfinanzierung nachzubessern. Weiter brauche es eine qualitätsorientierte Reform der Krankenhausplanung. Als dritten Punkt müsse die Notfallreform zügig angegangen werden, forderte sie weiter weiter. „Auch hier müssen Bund und Länder aufeinander zugehen und die Expertise von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen mit einbinden.“

cmk

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