Krankenhausreform: Kliniken und Länder fordern langsames Vorgehen

Berlin – Die Bundesländer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) drängen auf mehr Zeit für die Beratungen und Vorbereitungen zur geplanten Krankenhausreform. Zudem sollte es ihren Vorstellungen nach mehr Möglichkeiten im Gesetz für landesspezifische Belange geben.
Zum Sommerempfang hatte die DKG zunächst die diesjährige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Kerstin von der Decken (CDU), für einen Impulsvortrag eingeladen. Doch auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte vor den Vertretern der Krankenhäuser und anderen aus der gesundheitspolitischen Szene in Berlin sprechen.
Wer einen Schlagabtausch ähnlich wie vergangene Woche beim GKV-Spitzenverband erwartet hatte, der wurde enttäuscht: Zwischen den drei Rednern – auch der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß verteidigte seine Forderungen an das Gesetz – ging es friedlich zu.
Alle schienen bemüht, Wege für Kompromisse für die kommenden Wochen der parlamentarischen Diskussion und Verhandlungen nicht zu versperren sowie die eigenen Vorschläge in der Debatte noch einmal zu betonen.
So hatte sich Minister Lauterbach dem Vernehmen nach am Morgen der Veranstaltung noch selbst auf die Rednerliste setzen lassen: Er berichtete in einer kurzen Ansprache von zahlreichen Gesprächen zur Reform, vielen Prüfbitten aus den Fraktionen, die jetzt vom Ministerium bearbeitet werden. Zudem gebe es mit der GMK aber auch einigen Ländern direkten Austausch über die Inhalte der Reform.
„Die Reform ist dringend notwendig. Bis 2030 würde ein Viertel der Krankenhäuser nicht mehr existieren, wenn es die Reform nicht gibt“, betonte Lauterbach erneut. Aus seiner Sicht sind die Grundsätze der Reform auch unstrittig.
„Wir müssen weg von den 100 Prozent Ansätzen bei den Fallpauschalen. Das System der Vorhaltepauschalen und der Leistungsgruppen hat sich bewährt und wird in Ansätzen auch schon umgesetzt“, sagte er mit Blick auf die Vorarbeiten in Nordrhein-Westfalen. „Das ist sehr gut gemacht, das geht in die richtige Richtung.“
Die Sorge um den Erhalt der kleinen Krankenhäuser auf dem Land, die von den Bundesländern sowie der Krankenhausgesellschaften immer wieder vorgetragen wird, versuchte der Minister zu zerstreuen. „Die Reform, die wir vorhaben, wird den ländlichen Raum besser absichern. Wir werden Zuschläge für die Notfallversorgung, für die Intensivversorgung, für die Traumatologie, für die Schlaganfallversorgung für die Geburtshilfe sowie für die Kinder- und Jugendmedizin geben", betonte Lauterbach. Zudem seien weitere Sicherungszuschläge geplant. „Wir werden alles tun, um die kleinen Häuser, die wir auf dem Land brauchen, abzusichern.“
Dazu gehöre auch, die Finanzsituation der Häuser im Blick zu behalten. So werden mit der Reform im kommenden Jahr die Landesbasisfallwerte neu berechnet. „Das schafft den Häusern Luft zum Atmen.“ Außerdem könne der geplante Transformationsfonds bereits im kommenden Jahr greifen.
„Das sind Perspektiven. Wenn ich mit den Repräsentanten, den Ärztinnen und Ärzten und den Leitern von Krankenhäusern spreche, dann sagen mir viele, die Reform muss kommen, damit es endlich Sicherheit und Verlässlichkeit gibt“, so Lauterbach. Diese Planbarkeit gebe es ab Herbst – dann sei der sogenannte Grouper fertig, mit dem erste Auswirkungen der Reform berechnet werden könnten.
Die Konflikte um die Reform sind aus Lauterbachs Sicht wichtig für ein Gelingen der Vorhaben: „Das ist eine Reform, die im Konflikt geboren ist. Das ist für alle großen Reformen notwendig. Eine Reform, bei der es keinen Konflikt gibt, löst kein großes Problem.“
Er sei froh, dass man konstruktiv miteinander in den Beratungen umgehe. „Wenn wir manchmal für unsere Vorschläge einen 16-zu-Null-Beschluss der Länder bekommen gegen das, was wir vorhaben, dann ist das nobel und gibt uns Material zur Diskussion und zum Denken", betonte Lauterbach. „Ein Zeichen einer funktionierenden Demokratie ist es, dass man in der Sache streitet, sich persönlich aber nicht herabsetzt und unsachlich wird.“
Für einen konzentrierten Austausch, der frei von Parteigrenzen sein soll, warb auch GMK-Vorsitzende von der Decken, die eigentliche Gastrednerin des Abends. Sie betonte, dass sie als Ländervertreterin in der Bundestagsdebatte zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KVVG) vergangene Woche hätte sprechen können – dies wäre aber nur auf der Redezeit der CDU/CSU-Fraktion möglich gewesen.
„Ich habe gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass jede der Parteien mir eine Minute Redezeit abgibt, aber das geht offenbar aus formellen Gründen nicht. Ich hätte auf dem Ticket einer Partei sprechen müssen und das wollte ich nicht“, berichtete von der Decken.
Sie wolle damit vermeiden, dass es bei der Länderkritik am Gesetz um Parteipolitik geht. Die 16 Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder hätten trotz der vier verschiedenen Parteizugehörigkeiten eine Linie: „Wir sind uns alle in den Forderungen einig, die wir seit eineinhalb Jahren immer wieder in den Gesprächen vorgetragen haben.“
Die Enttäuschung, dass der Bund die Forderungen der Länder nicht bereits in den nun vorliegenden Gesetzestext aufgenommen habe, sei weiterhin groß. „Es hätte die Sache sehr erleichtert, wenn unsere geeinten Forderungen schon im Entwurf aufgenommen worden wären“, sagte sie.
Nun wolle man „auf den verschiedenen Kanälen“ mit den Bundestagsfraktionen sprechen. Neben den zentralen Forderungen der Länder – Überbrückungsfinanzierung, Auswirkungsanalyse, eigene Gestaltungsspielräume, eine fallzahlunabhängige Vorhaltevergütung sowie Beibehaltung der Mindestmengenvorgaben vom G-BA – äußerte von der Decken noch zwei zentrale Bitten.
„Ich bitte, dass man den Ländern und den Krankenhäusern bei der Gestaltung der Versorgung vertraut. Die Krankenhäuser sind willens, Veränderungen vorzunehmen. Aber sie brauchen Instrumente, mit denen man flexibel arbeiten kann“, betont von der Decken. „Die zweite Bitte: Bitte nichts überstürzen. Ich bitte ausdrücklich darum, die Auswirkungsanalyse abzuwarten, bevor das Gesetz beschlossen wird.“
Aus ihrer Sicht benötigen die Länder mehr Zeit, die Auswirkungen auf ihre Länder zu analysieren. Dies könne nicht binnen zwei Wochen geschehen, sobald im September vom Bundesministerium der sogenannte Grouper vorliege. „Bitte nichts überstürzen. Im Notfall lieber zwei drei Monate länger den Gesetzestext beraten“, so von der Decken. „Bei jedem großen Bauvorhaben machen wir vorher eine Umweltverträglichkeitsanalyse. Und bei der größten Klinikreform der Geschichte wollen wir vorher keine Auswirkungsanalyse haben?“
Beim Thema Vertrauen und Zeit konnte DGK-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß zustimmen. „Sie haben uns aus dem Herzen gesprochen, wir werben auch um Vertrauen. Denn die, die sich um die Menschen kümmern, haben es verdient“, so Gaß.
Er betonte, dass die wirtschaftliche Lage für die Krankenhäuser schnell geklärt werden muss. Es müssen finanzielle Mittel aus einem Transformationsfonds bereit gestellt werden, „damit wir die Kraft haben, die Transformation zu schaffen“, so Gaß. Man müsse nun Kompromisslinien finden. Aus Sicht der DKG ist die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen ein Bespiele, an dem sich alle Länder orientieren könnten.
„Wir sollten für die Reform mit NRW-pur beginnen und ab 2027 schauen, ob noch nachjustiert werden muss.“ Daher sollte es zu Beginn der Reform keine Mindestfallzahlen sowie keine Einschränkungen bei den Kooperationen zwischen Häusern geben. Auch die Vorhaltefinanzierung müsse mit Leben gefüllt werden – hier müsse es noch Zeit für Entwicklung geben. Auch dies sollte erst in einer – möglichen – zweiten Phase der Reformen angegangen werden.
Um den Krankenhäusern die Kraft zur Transformation geben und nicht weiter mit Bürokratie zu belasten, müsse es jetzt schnell gehandelt werden. Dazu zählten ein schnelles Ende der Pflegepersonaluntergrenzen, eine Verlängerung der OPS Strukturprüfungen sowie keine weiteren Verschärfungen der Bürokratie, wie es das Transparenzgesetz vorgibt sowie es im Medizinforschungsgesetz geplant sei.
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