Politik

Krankenhausreform: Länder setzen auf Nachbesserungen kurz vor Abstimmung im Bundesrat

  • Donnerstag, 21. November 2024
/picture alliance, photothek, Michael Gottschalk
/picture alliance, photothek, Michael Gottschalk

Berlin – Kurz vor der morgigen Abstimmung im Bundesrat über die Krankenhausreform haben Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern einen Antrag eingebracht, der auf inhaltliche Nachbesserungen der Reform zielt.

Die drei Länder wollen den Vermittlungsausschuss voraussichtlich nicht anrufen, setzen aber mit ihrem Ent­schließungsantrag darauf, weitere gesetzliche Änderungen im Rahmen der Krankenhausreform zu erwirken. Die Forderungen betreffen den Bürokratieabbau, die Anforderungen der Facharztbesetzung und die Vorhaltefinan­zierung.

Das noch von der Ampelkoalition im Bundestag beschlossene Gesetz kommt an diesem Freitag abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es dort nicht, die Länderkammer könnte es aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken. Unklar ist, ob es dort in dieser Legislaturperiode noch vor den Neuwahlen wieder herauskommen würde.

Der Abbau von Doppelregelungen sei anzustreben, erklären die drei Länder in dem Entschließungsantrag für die morgige Bundesratssitzung, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. „Prinzipiell sollten gleiche Sachverhalte in der Krankenhaussachbearbeitung durch Pflegepersonal oder Verwaltung nur einmal aufgearbeitet werden müssen“, heißt es darin.

Weiter brauche es eine Abschätzung von Bürokratiefolgekosten durch das Krankenhausversorgungsverbesse­rungs­gesetz (KHVVG). Einheitliche Prüfregeln auf allen Ebenen seien anzustreben und laufend zu aktualisie­ren. Und: „Die Umsetzung der angestrebten Reformen bedarf unter Berücksichtigung des insgesamt hierbei sehr hohen Aufwands realistischer Fristen.“

Alle Verfahren sollten zudem regelmäßig auf ihre Zweckhaftigkeit beziehungsweise auf ihren Aktualitäts- sowie Wirkungsgrad überprüft werden. Bei Bedarf müssten sie angepasst oder außer Kraft gesetzt werden. Die drei Länder bemängeln zudem zu hohe Anforderungen an die Facharztbesetzung.

Diese seien im KHVVG höher als in den Leistungsgruppen in Nordrhein-Westfalen und damit „zu hoch“. Das könne die Versorgung beeinträchtigen. Deshalb fordern die drei Länder eine Anpassungszeit und für manche Leistungsgruppen eine Überprüfung und Anpassung des Facharztstandards, etwa in der Komplexen Endokrino­logie und Diabetologie. Die Vorgaben der NRW-Leistungsgruppen sollten berücksichtigt werden.

Zügigere und intensive Evaluation benötigt

Um die Auswirkungen der Vorhaltefinanzierung zügig zu erfassen, ist nach Ansicht der Länder die vorgesehene Evaluation möglichst früh und ergebnisoffen zu nutzen. Gegebenenfalls müsse entsprechend nachgesteuert werden, hieß es.

Die drei Länder sorgen sich auch um kleine, aber bedarfsnotwendige Krankenhäuser, die unterfinanziert sein könnten, weil sie bevölkerungsbedingt nur geringe Leistungsmengen erbringen können. Es sei fraglich, ob die Maßnahmen, darunter der erhöhte Sicherstellungszuschlag, ausreichen würden, schreiben sie.

Zudem regen Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern an, noch einmal zu überprüfen, welche Optionen für eine Übergangsfinanzierung bis zum Greifen des KHVVG möglich sind.

Fest steht derzeit, dass die drei Länder neben Bremen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland morgen nicht den Vermittlungsausschuss anrufen wollen. Auch Brandenburg werde nicht den Vermittlungsausschuss anrufen oder sich bei Uneinigkeit im Landeskabinett enthalten, erklärte die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) gestern vor Journalisten in Potsdam.

„Ich halte eine Anrufung des Vermittlungsausschusses auch angesichts des Ampelaus' für fahrlässig. Das führt zu einer Versenkung dessen, was wir zwei Jahre mühsam ausgehandelt haben.“ Die Reform sei nicht ideal, aber alles in­frage zu stellen und darauf zu hoffen, dass eine kommende Bundesregierung alle Wünsche der Länder realisie­ren werde, sei naiv, erklärte Nonnemacher.

Auf der anderen Seite stehen Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thürin­gen, die morgen voraussichtlich den Vermittlungsausschuss anrufen und damit das Reform­gesetz zunächst blockieren wollen.

Vermittlungsausschuss würde Reform töten

Die Bundestagsabgeordnete Tina Rudolph (SPD) geht davon aus, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einem Abschluss kommen würde, wenn es morgen in den Vermittlungsausschuss überwiesen wird. „Dann wäre die Krankenhausreform tot“, meinte sie heute auf dem 10. Thüringer Krankenhausforum in Erfurt.

Dann müsse der ganze Gesetzgebungsprozess in der neuen Legislaturperiode noch einmal anlaufen. „Und Sie können sich ausrechnen, wie lange es dauern würde, bis eine neue Krankenhausreform zu Veränderungen im System führen würde“, sagte Rudolph. „Besser wäre es, nach der verabschiedeten Reform weiter im Gespräch zu bleiben und Punkte wie eine wirklich auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser dann neu anzugehen.“

Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, warnte davor, die Reform in dieser Legislaturperiode scheitern zu lassen. „Wenn es in dieser Legislaturperiode keine Krankenhaus­reform mehr geben wird, werden wir unter der neuen Bundesregierung frühestens Ende 2025 eine gesetzliche Änderung im Krankenhausbereich bekommen“, meinte Gaß. An die Geschäftsführenden der Krankenhäuser ge­wandt sagte auch er: „Sie können sich jetzt ausrechnen, ob Sie mit der derzeitigen Unterfinanzierung noch ein Jahr durchhalten können.“

KHVVG bietet nur unzureichende Mittel

Gaß warb dennoch erneut dafür, das KHVVG in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Dort müssten die im Gesetz enthaltenen Mängel behoben werden. Zum einen reichten die im KHVVG vorgesehenen finan­ziellen Mittel zur Stabilisierung der Krankenhäuser nicht aus.

Deutschlandweit gebe es ein Defizit von sechs Milliarden Euro. Dem stehe eine halbe Milliarde Euro gegenüber, mit denen die Krankenhäuser sicher rechnen dürften: über den Tariflohnausgleich für das Jahr 2024. Abgesehen von den Mitteln für bestimmte Bereiche wie Kinderkliniken seien alle weiteren Gelder, die über das KHVVG in Aussicht gestellt seien, „pure Spekulation“.

Michael Weller, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), äußerte sich zu den Defiziten, die viele Krankenhäuser aktuell insbesondere infolge der nicht refinanzierten Inflationssteigerung angehäuft haben. Auf die Frage, wie die Häuser die nächsten Jahre ohne einen Inflationsausgleich finanziell überstehen sollen, sagte er: Wenn man einen Strukturwandel der Krankenhauslandschaft anstrebe, müsse man sich überlegen, ob man über einen Inflationsausgleich die mit einer Zahlung dieser Geldmittel verbundenen Anreize setzen wolle.

Zweitens sei die Frage, woher das Geld dafür kommen solle. Es sei absolut illusorisch gewesen, entsprechende Mittel aus dem Bundeshaushalt zu erhalten. Schließlich sei die Ampelkoalition auch am Bundeshaushalt gescheitert.

Gaß kritisierte, dass mit dem KHVVG nicht, wie angekündigt, die Bürokratie abgebaut werde, sondern, dass weitere Dokumentationspflichten dazukämen. Im KHVVG seien 19 eng beschriebene Seiten enthalten, die den Erfüllungsaufwand darstellten. „Auf die Idee zu kommen, das der Öffentlichkeit als Entbürokratisierung zu verkaufen, ist atemberaubend“, sagte Gaß.

Lauterbach wirbt weiter für Reform

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb heute nochmals für eine Umsetzung der umstrittenen Krankenhausreform. „Ich glaube, dass wir diese sehr wichtige Reform durchbringen können, müssen und auch werden“, sagte der SPD-Politiker in Berlin.

Sie sei unbedingt notwendig. Zu viele Menschen überlebten große Operationen derzeit nicht, weil es nicht ge­nug Spezialisierung bei den Kliniken gebe. Gleichzeitig müssten aber auch die kleinen Krankenhäuser auf dem Land geschützt werden. „Die Reform leistet beides. Wir können es uns nicht leisten, diese Reform morgen scheitern zu lassen.“

Die Reform soll den finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und eine stärkere Spezialisierung bei kompli­zier­teren Behandlungen durchsetzen. Dafür soll die Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote be­kommen.

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen zudem neue „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen die jeweiligen Klinik-Behandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern.

cmk/fos/dpa/kna

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung