Krankenhausreform: Sechs Länder wollen Vermittlungsausschuss anrufen

Berlin – Vor der morgigen Entscheidung des Bundestags zur Krankenhausreform formiert sich Widerstand vonseiten einiger Bundesländer. Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein drohen dabei konkret, im Bundesrat den Vermittlungsausschuss (VA) anrufen und damit das Gesetz vorerst blockieren zu wollen. Auch die ostdeutschen Länder formulieren Widerstand. Der Bundestag wird das KHVVG nach jahrelangen Beratungen morgen voraussichtlich beschließen.
In einem vor sechs Tagen verfassten Papier, erklären die ostdeutschen Länder, dass die zuletzt erfolgten Änderungen innerhalb des geplanten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) eine flächendeckende Krankenhausversorgung nicht gewährleisten könnten.
Die Länder Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt erachteten die Mängel als so schwerwiegend, „dass ohne weitere Anpassungen eine Anrufung des VA zur Vermeidung schwerwiegender struktureller Folgen empfohlen werden muss“, heißt es in dem Papier, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt.
„Ich werde mich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses einsetzen“, sagte auch die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Kerstin von der Decken (CDU) heute dem DÄ.
Und der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte gestern in einem Brief an die Gesundheitsministerinnen und -minister: „Vor dem Hintergrund der dargestellten Situation werde ich dem Landeskabinett von Nordrhein-Westfalen vorschlagen, über ein Vermittlungsverfahren zu versuchen, das Gesetz im Sinne der Versorgungssicherheit zu verbessern.“
Der Brief liegt dem DÄ vor. Laumann kritisiert darin etwa eine mangelnde Planungshoheit der Länder sowie unzureichende Kenntnisse über die geplante Finanzreform.
Nicht alle Gesundheitsministerinnen und -minister wollen hingegen den Vermittlungsausschuss anrufen. „Für Niedersachsen bin ich mit den aktuellen Änderungen bei der Krankenhausreform einverstanden“, sagte der niedersächsische Gesundheitsminister, Andreas Philippi (SPD), dem DÄ.
Philippi als auch die ostdeutschen Bundesländer spielen damit auf die kürzlich vorgelegten Änderungsanträge an, die das KHVVG nochmal etwas abändern. „Die entscheidende Frage für den Vermittlungsausschuss stellt sich nach der Analyse der Leistungsgruppen mit dem Grouper. Diese Analyse wird zeigen, wie bedarfsgerecht das Gesetz sein wird“, sagte Philippi weiter.
Die Krankenhausreform sieht 65 Leistungsgruppen vor, die künftig bundeseinheitlich Strukturvorgaben zu Personal und technischer Ausstattung definieren sollen. Eine Vorhaltevergütung soll künftig 60 Prozent der bisherigen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) ausmachen.
Zudem sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen vorgesehen, die die wohnortnahe Versorgung sicherstellen sollen. Mit diesen Maßnahmen soll eine Zentralisierung und Spezialisierung von Kliniken angestrebt werden, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
Mit Simulationsmodell sollen Bundesländer ihre Vorhaben prüfen können
Den Bundesländern soll nun ein Simulationsmodell zur Analyse der Auswirkungen der Reform vor dem Bundesratsbeschluss zur Verfügung gestellt werden. Es basiert auf einem vorerst nicht-zertifizierten Grouper, der vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) entwickelt wird. Dieser Grouper soll alle stationären Fälle in die 65 Leistungsgruppen zuordnen können.
Die Länder sollen mit dem Tool ihre geplante Reform, also wie viele Leistungsgruppen sie auf wie viele Krankenhausstandorte aufteilen wollen, analysieren können. Auch die geplante Finanzierungsänderung soll damit überprüft werden können. Der Beschluss im Bundesrat und eine mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KHVVG wird voraussichtlich am 22. November erfolgen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich heute während einer Regierungsbefragung im Bundestag zuversichtlich, dass der Bundesrat nicht den Vermittlungsausschuss anrufen werde.
Er verwies darauf, dass man mit der Reform das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen überwinde, die Versorgung auf dem Land verbessere und für eine Spezialisierung sorge. „Ich bin daher zuversichtlich, dass auf der Grundlage dieser sachlichen Argumente die Bundesländer die Reform positiv begleiten werden.“
Weiter erklärte er heute, dass die Auswirkungsanalyse jetzt vorliege. Der Minister betonte, damit könnten die Länder zum Beispiel standortgenau sehen, welche Leistungsgruppen wie in ihrem Bundesland verteilt seien. Es sei ein Instrument, mit dem die Krankenhausplanung auf eine ganz neue Ebene geführt werden könne.
Wesentliche Forderungen der Länder sind nicht erfüllt
„Wir brauchen eine Reform, aber eine gute. Die haben wir bisher nicht“, sagte Ministerin von der Decken allerdings heute. „Ich stelle fest, dass die wesentlichen Forderungen der Länder nicht erfüllt sind.“
Dazu gehöre etwa eine auskömmliche Übergangsfinanzierung, bis die Reform greife, stärkerer Bürokratieabbau sowie eine Finanzierung, die die Grund- und Notfallversorgung in der Fläche verlässlich sichern könne, so von der Decken. Zudem sieht sie die Wahrung der Planungshoheit der Länder bedroht.
Dies sieht auch Laumann kritisch. Er bemängelte, dass die zentralen Kritikpunkte der Bundesländer an der Krankenhausreform im Bundesgesundheitsministerium (BMG) „auf wenig Resonanz gestoßen“ sind. Trotzdem räumte Laumann in dem Brief an seine Kolleginnen und Kollegen ein, dass die in den vergangenen Tagen bekannt gewordenen Änderungsanträge das Gesetz besser machen würden.
Die ostdeutschen Länder schreiben in ihrem Papier, das nur zwei der elf Forderungen der Bundesländer in den Änderungen des KHVVG aufgenommen worden sind. Dazu gehört die koordinierende Funktion auch für Maximalversorger statt nur für Unikliniken für Versorgungsnetzwerke und Lockerungen bei den Facharztvorgaben in den geplanten Leistungsgruppen.
Weitere Punkte, wie etwa Ausnahmen von Qualitätsanforderungen für Leistungsgruppen oder eine unzureichende Übergangsfinanzierung seien nach wie vor nicht aufgenommen worden, kritisieren die ostdeutschen Länder.
Auswirkungsanalyse rechtzeitig vorlegen
Von der Decken betonte darüber hinaus die Notwendigkeit einer rechtzeitig vorgelegten Auswirkungsanalyse. „Selbst wenn ein dafür erforderliches Instrument tatsächlich vorgelegt werden würde, kann kein fachlich Beteiligter ernsthaft annehmen, dass damit innerhalb kurzer Zeit eine seriöse Auswirkungsanalyse vorgenommen werden kann“, bemängelte von der Decken.
Laumann räumte hingegen auch ein, dass künftig die Länder über die Zuteilung der Leistungsgruppen entscheiden können und damit darüber, welche medizinische Leistung an welchem Krankenhaus in welchem Umfang angeboten werden sollen.
Die Zuteilung von Fallzahlen werde Auswirkungen auf die Finanzierung des jeweiligen Krankenhauses haben. „Damit bekommen die Länder sogar eine viel größere Verantwortung übertragen, als es bisher der Fall ist. Ich gehe fest davon aus, dass wir uns alle dieser Verantwortung gerne stellen“, sagte Laumann.
Ende vergangen Jahres hatte der Bundesrat bereits bei einem ersten Baustein der Krankenhausreform, dem Krankenhaustransparenzgesetz, den Vermittlungsausschuss angerufen. Damit wurde das Inkrafttreten des Gesetzes um Monate verzögert. Nach Verhandlungen im Vermittlungsausschuss einigten sich Bund und Länder aber doch auf das Gesetz.
Der Bund versprach dafür eine finanzielle Stabilisierung der Krankenhäuser, die nun im KHVVG enthalten ist. Dazu gehört etwa die rückwirkende Anpassung der Landesbasisfallwerte sowie eine Steigerung der Landesbasisfallwerte in Zukunft, damit Betriebskosten der Kliniken angesichts gestiegener Kosten besser abgebildet werden können.
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