Politik

Krankenkassen wollen zügige Reformmaßnahmen

  • Mittwoch, 26. Februar 2025
/Butch, stock.adobe.com
/Butch, stock.adobe.com

Berlin – Schnelle Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung werden aus dem Kassenlager gefordert. Der AOK-Bundesverband plädiert für ein entsprechendes Sofortprogramm, DAK-Chef Andreas Storm will einen Gipfel im Kanzleramt.

Die künftige Bundesregierung müsse den weiteren Anstieg der Ausgaben dringend abbremsen und wieder an die Einnahmeentwicklung koppeln, betont der AOK-Bundesverband in einem heute vorgelegten Papier. Eine Reihe von Maßnahmen für mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen seien besonders zeitkritisch und müssten noch in 2025 umgesetzt werden, um im Laufe der Legislaturperiode spürbar Wirkung zu entfalten.

Laut AOK-Bundesverband haben die kurzfristig umsetzbaren Finanzierungs- und Sparvorschläge für beide Versicherungszweige ein Gesamtvolumen von bis zu 35 Milliarden Euro. „Der Handlungsdruck ist inzwischen gewaltig, wir dürfen keine Zeit verlieren. Was wir brauchen, ist ein schnell wirksames Maßnahmenpaket, damit GKV und SPV finanziell wieder Boden unter den Füßen bekommen“, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

So müssten die Kosten für die Transformation und Modernisierung der Krankenhausstrukturen trotz der schwierigen Lage des Bundeshaushalts aus Steuermitteln finanziert werden, da es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle.

Das AOK-Papier enthält zudem Forderungen wie die Refinanzierung von kostendeckenden Beitragspauschalen für Bürgergeldbeziehende in der Gesundheitsversorgung sowie die Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in Höhe von sieben Prozent auf alle GKV-Leistungen.

Für den Pflegebereich werden die Dynamisierung des Bundesbeitrags, eine Rückerstattung von Pandemiekosten und die Übernahme der Ausbildungsumlage gefordert. Außerdem sei eine Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleiches (RSA) erforderlich.

Auf der Ausgabenseite sehen die AOKen kurz- bis mittelfristige Effizienzreserven von rund 14 Milliarden Euro. Den größten Hebel böten Maßnahmen im Arzneimittelbereich wie die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel sowie die Anhebung des allgemeinen Herstellerrabatts.

Für den stationären Bereich hat die AOK ein mögliches Sparvolumen von rund 3,5 Milliarden Euro errechnet. Dies solle unter anderem über die Aufhebung von Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen beziehungsweise über eine bundeseinheitliche Prüfquote, die Beendigung von „Doppelfinanzierungen“ bei Pflegebudgets sowie die Aufhebung der automatischen vollen Tarifrefinanzierung für Personal erzielt werden.

Für den ambulanten Bereich regt die AOK die Rücknahme der Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung sowie der kinderärztlichen Honorare sowie die Streichung der Zuschläge für Terminvermittlung an.

Scharfe Kritik am AOK-Papier äußerte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Was der AOK-Bundesverband als sein Sofortprogramm ausgibt, ist ein Offenbarungseid gegenüber den eigenen Versicherten“, erklärten Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. Es verdeutliche, was Kassenfunktionäre eigentlich wollen: keine qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten zu angemessenen und fairen Preisen, sondern Dumpingangebote nach dem Hamsterradmotto „Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollen immer mehr leisten – und das umsonst“.

Es sei eine Frechheit, die Rücknahme der Entbudgetierung der kinderärztlichen und hausärztlichen Versorgung zu fordern: Wenn die AOK nicht bereit ist, erbrachte Leistungen auch voll zu bezahlen, dann solle sie benennen, auf welche Leistungen ihre Versicherten künftig verzichten sollen.

„Inzwischen müssen wir wohl eher darüber sprechen, wie der kontinuierlichen Zechprellerei der Krankenkassen mit einem nach unten angepassten Leistungsangebot begegnet werden kann. Die Devise wird dann heißen: weniger Geld – weniger Termine“, so die Warnung.

Mit den AOK-Vorschlägen würden „alle Bemühungen, die ambulante Versorgung zu stärken und das Terminangebot für GKV-Patienten auszubauen ad absurdum geführt“, erklärte auch Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes.

„Gleichzeitig lange Wartezeiten auf Termine anzuprangern, ist entweder Realitätsverweigerung oder eine gezielte Provokation gegenüber allen Vertragsärztinnen und Vertragsärzten. Die Zeche dafür werden die Patienten bezahlen, denn es ist für jeden wirtschaftlich denkenden Kassenvorstand nachvollziehbar, dass eine sinkende Vergütung reduzierte Leistung nach sich zieht“, so Heinrich.

DAK-Chef Andreas Storm forderte angesichts einer zunehmend angespannten Finanzlage einen sofortigen Kassensturz. Dies sei zwingend notwendig, „um die Dringlichkeit und die Dimension der Finanzprobleme zu erkennen“, sagte er der Bild. Die Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei „desaströs“.

Er plädierte für einen Gipfel im Kanzleramt – und zwar innerhalb von zwei Monaten. „Daran sollten der Kanzler, der Gesundheitsminister und Kassenvertreter teilnehmen“, so Storm. Die Kassen müssten jetzt schnell stabilisiert werden.

Die DAK-Gesundheit hatte bereits im Januar ein Gegensteuern der Politik gefordert, um die „Beitragsspirale“ zu stoppen. Grundsätzlich müssten sich Ausgaben künftig an den vorhandenen Einnahmen orientieren.

Die Gesundheitspolitikerin Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Grünen Bundestagsfraktion, bezeichnete eine solidere finanzielle Ausstattung der Sozialversicherungen als „die zentrale sozialpolitische Aufgabe der kommenden vier Jahre“. Unter anderem müssten versicherungsfremden Leistungen vollständig aus Steuermitteln erbracht werden.

aha

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung