Politik

Lage in Gesundheitsämtern offenbar immer dramatischer

  • Mittwoch, 14. Oktober 2020
Jasmin Schneider, Gesundheitswissenschaftlerin und Koordinatorin des Kontaktpersonenmanagement im Gesundheitsamt des Landkreises Esslingen. /picture alliance, Marijan Murat
/picture alliance, Marijan Murat

Berlin – Die Lage der Gesundheitsämter in deutschen Coronahotspots wird einem Bericht zufolge immer dramatischer. Zwei Drittel der Ämter sind bei der Nachverfolgung der Kon­takte von Coronainfizierten an der Belastungsgrenze, wie die TV-Sender RTL und ntv un­ter Berufung auf eigene Recherchen berichteten.

Die Sender hatten den Angaben zufolge die Gesundheitsämter in den derzeit 43 Corona-Risikogebieten im Inland angefragt, 23 antworteten bislang. Acht davon stufen die Lage bei der Kontaktnachverfolgung demnach als „machbar“ ein, 15 als „kritisch“.

In der zweiten Gruppe sind den Sendern zufolge die Berliner Bezirke Spandau und Steg­litz-Zehlendorf, die Städte Leverkusen, Essen, Mainz, Duisburg, Offenbach, Esslingen, Stuttgart und Rosenheim und die Landkreise Main-Taunus, Bitburg-Prüm, Recklinghausen, Groß-Gerau und Wesermarsch.

Die Landkreise Groß-Gerau und Wesermarsch erklärten den Angaben zufolge, die Belas­tungsgrenze sei bereits erreicht. Die Gesundheitsämter im Landkreis Vechta, in Essen, Stuttgart und Esslingen betonten, die Nachverfolgung sei zwar gerade noch machbar, allerdings nur auf Kosten einer sehr hohen Arbeitsbelastung.

Besonders kritisch ist die Situation dem Bericht zufolge im bayerischen Rosenheim. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, um Infektionsketten zu unterbrechen, so schnell es geht. Leider ist es in vielen Fällen nicht mehr möglich, die Infektionsketten lückenlos nachzu­vollziehen“, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes zu RTL und ntv. Besonders bei Aus­brüchen in größeren Gruppen, zum Beispiel in Schulklassen, sei der Aufwand „sehr hoch“.

Berlins Gesundheitsämter suchen Personal

Eine Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt zudem, dass etwa Berlins Gesundheits­äm­ter mitten in der Pandemie häufig unterbesetzt sind. Die Bezirks­äm­ter schätzen die Arbeitsbelastung demnach überwiegend als permanent hoch ein und versuchen derzeit, Stellen für die Kontaktnachverfolgung befristet zu besetzen.

Von einem Ausnahmezustand seit Mitte März und Arbeiten bei der Pandemiebekämpfung am Rande der personellen Kapazitäten spricht das Bezirksamt Pankow. Rund 20 Stellen sind derzeit unbesetzt. Für die Kontaktnachverfolgung sollen 18 befristete Stellen be­setzt werden.

Die Arbeitsbelastung in Charlottenburg-Wilmersdorf schätzt das Bezirksamt als „enorm“ ein. „Insbesondere die Nachverfolgung von Kontakten bei rapide steigenden Fallzahlen und größere Infektionsgeschehnisse wie Schulen, Kitas oder Alten- und Pflegeheime stellen eine zunehmende Herausforderung dar.“

Im Gesundheitsamt sind den Angaben zufolge gut 20 Stellen nicht besetzt, für die Kon­taktnachverfolgung werden ebenfalls Mitarbeiter befristet eingestellt. Das Bezirksamt Mitte hat aktuell acht offene Stellen, in den kommenden Wochen sollen 36 Stellen zur Kontaktnachverfolgung besetzt werden.

Als sehr hoch und das seit März bewertet das Bezirksamt Spandau die Arbeitsbelastung im Gesundheitsamt. Dort sind 23 Stellen offen, 15 Stellen sollen befristet für einen „Coro­nastab“ besetzt werden.

Laut dem Bezirksamt in Neukölln ist die Arbeitsbelastung seit März anhaltend hoch, we­gen der angestiegenen Fallzahlen aktuell sogar sehr hoch. Derzeit sind den Angaben zu­folge 13,5 Stellen nicht besetzt, 26 befristete Stellen sind eingerichtet, das Besetzungs­ver­fahren läuft.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hatte kürzlich von berlinweit 200 offenen Stellen in den Gesundheitsämtern gesprochen. Er wies darauf hin, dass es oft schwierig sei, Personal dafür zu finden, auch wenn Stellen ausgeschrieben und die Finanzierung gesichert sei.

Die Berliner Linke hat eine bessere Ausstattung der Gesundheitsämter gefordert – insbe­sondere für die Kontaktverfolgung von Menschen, die positiv auf das Coronavirus getes­tet wurden.

afp/dpa

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