Lipidsenker können früher verordnet werden
Berlin – Wenn die Wahrscheinlichkeit für ein kardiovaskuläres Ereignis in den nächsten zehn Jahren bei mindestens zehn Prozent liegt, kann ein Statin verschrieben werden. Dafür stimmte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute in der 12. Sitzung der laufenden Amtsperiode.
„Von einem hohen Risiko ist zudem bei Diabetes mellitus Typ 1 mit Mikroalbuminurie sowie bei familiärer Hypercholesterinämie, einer genetisch bedingten Störung des Cholesterinstoffwechsels, auszugehen“, erklärte der G-BA. Hier sei die Verordnungsfähigkeit zukünftig generell gegeben.
Eine zusätzliche Indikationserweiterung – ohne, dass dabei die zehn Prozent eingehalten werden müssen – gibt es für bestimmte Krankheitsbilder: Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Autoimmunerkrankungen mit ähnlichem kardiovaskulärem Risiko wie SLE, HIV-Infektion sowie einigen psychischen Erkrankungen. Dazu zählt die Schizophrenie, die bipolare Störung und Psychosen mit vergleichbarem kardiovaskulärem Risiko.
Grundlage für die Entscheidung war die NICE-Empfehlung (National Institute for Health and Care Excellence) „Cardiovascular disease: risk assessment and reduction, including lipid modification.”
Bislang konnten Lipidsenker in Deutschland ab einem Zehnjahresrisiko für kardiovaskulären Risiko von 20 Prozent verordnet werden. Zur Debatte im G-BA-Stellungnahmeverfahren stand auch eine Herabstufung der Verordnungsgrenze auf 7,5 Prozent.
Scharfe Kritik an Lauterbachs Herzgesetz
Diese Absenkung der Verordnungsfähigkeit von Statinen war im Entwurf für das Gesunde Herz-Gesetz der Bundesregierung ebenfalls vorgesehen und nach Vorlage des Gesetzes kontrovers diskutiert worden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte in einem ersten Gesetzesentwurf altersabhängige Grenzwerte für den Einsatz von Statinen geplant.
So sollten bei unter 50-Jährigen zum Beispiel ab einem kardiovaskulären Zehnjahresrisiko von 7,5 Prozent ein Statin verordnungsfähig werden. Aufgrund des Endes der Ampelregierung von SPD, Grünen und FDP ist dieses Präventionsgesetz von Lauterbach nun jedoch erst einmal vom Tisch.
In der Sitzung kritisierte G-BA Vorsitzender Josef Hecken den Entwurf des Gesunden-Herz-Gesetzes der Bundesregierung erneut scharf. Lauterbach habe das Gesetz nach „eigens generierter Evidenz gestaltet“, so Hecken.
Die Grundlage dabei sei vor allem eine europäische kardiologische Leitlinie gewesen, die dem G-BA Vorsitzenden zufolge nicht den formalen Kriterien für die Aufnahme in eine systematische Literaturrecherche entsprochen habe. „Es gab nur einen Autor und der hat möglicherweise Statine in größeren Gebinden von irgendjemandem bekommen“, kommentierte Hecken.
Am Gesetz beteiligt war auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Hecken betonte nun, dass selbst die Kardiologen sowie die Kinder und Jugendärzte sich letztlich im Stellungnahmeverfahren des G-BA für eine Verordnung ab einem Zehnjahresrisiko von zehn Prozent ausgesprochen hätten. In dem G-BA Verfahren hätten nur zwei Pharmazeutische Unternehmer, die Statine herstellen, für die 7,5 Prozent plädiert, berichtete Hecken im G-BA-Plenum.
Die DGK bekräftigte ihre Zustimmung an der Indikationserweiterung: Der Beschluss unterstreiche die kausale Bedeutung des Cholesterins für die Entstehung von Herz- und Gefäßkrankheiten. „Mit den Statinen steht eine sehr gut bewiesene, wirksame und ökonomische Therapie zur Verfügung. Der Beschluss erleichtert deren Einsatz zur Vorbeugung und Behandlung“, sagte der Kardiologe Ulrich Laufs, Vorstandsmitglied der DGK, dem Deutschen Ärzteblatt.
Zusätzlich waren im Gesunden-Herz-Gesetz ein Screening sowie ein Disease-Management-Programm zur Vorsorge von kardiovaskulären Erkrankungen vorgesehen. Auch das hält Hecken für „hoch problematisch“. Er sagte: „Das wird dazu führen, dass Menschen therapiert werden, beziehungsweise Primärprävention erhalten, die gesund sind und Patienten mit wirklichen Erkrankungen keinen Termin beim Arzt bekommen.“
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