Politik

Mecklenburg-Vor­pommern nimmt COVID-19-Patienten aus Sachsen auf

  • Dienstag, 22. Dezember 2020
/Michelle, stock.adobe.com
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Schwerin/Dresden – Die Lage auf manchen Intensivstationen in Sachsen spitzt sich zu. Nachdem erste Patienten mit COVID-19 nach Berlin verlegt worden waren, nimmt nun auch Mecklenburg-Vorpommern Coronapatienten aus Sachsen auf. Das ARD-Magazin „Fakt“ berichtet unterdessen von möglicherweise ge­schönten Daten von sächsischen Krankenhäusern.

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) erklärte heute, es sei eine Anfrage aus Sachsen mit der Bitte um Unterstützung gekommen. Die Patienten würden in den kommenden Ta­gen in Rostock und Greifswald erwartet, ein Erkrankter sei bereits angekommen.

Es gehe darum, Krankenhauskapazitäten und insbesondere Beatmungsplätze in Regionen mit starkem Infektionsgeschehen in Sachsen zu entlasten, sagte Glawe. Er sprach davon, dass die Lage vor allem in Ostsachsen sei ernst sei.

Zwischen den Bundesländern und innerhalb der einzelnen Länder bestünden erhebliche Unterschiede in der Auslastung, sagte der Minister. Durch die täglich ansteigenden Fallzahlen könne es zu lokalen und regionalen Überlastungen und Engpässen in der intensivmedizinischen Versorgung kommen. Dafür haben Bund und Länder extra ein Kleeblattmodell erarbeitet. Das soll für eine regional ausgewogene Verteilung von COVID-19-Patienten sorgen.

Sachsen hat mit einem Wert von mehr als 400 die mit Abstand höchste Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner unter allen Bundesländern. Zahlreiche Landkreise liegen deutlich über 500.

Das ARD-Magazin „Fakt“ berichtet, der Mangel an Intensivbetten für COVID-19-Patienten sei in den säch­sischen Coronabrennpunkten deutlich größer als offiziell gemeldet. Das Magazin beruft sich dabei auf einen Abgleich der freien Behandlungskapazitäten im DIVI-Intensivregister mit internen Bettenlisten der Krankenhäuser von fünf sächsischen Landkreisen.

In diesen Bettenlisten, die „Fakt“ vorliegen, melden demnach Kliniken der Krankenhausleitstelle täglich freie Betten zur Behandlung der COVID-19-Patienten. Bereits vergangene Woche habe demnach die Ge­samtzahl der freien Intensivbetten in den Landkreisen Bautzen, Dresden, Sächsische Schweiz Osterzge­bir­ge, Görlitz und Meißen bei lediglich rund 20. Mit 50 freien Intensivbetten wies das offizielle DIVI-Intensivregister mehr als doppelt so viele Intensivbetten für diese Landkreise aus.

Besonders widersprüchlich sind laut „Fakt“ die Angaben des Zittauer Klinikums Oberlausitzer Bergland in dem besonders von der Pandemie betroffenen Landkreis Görlitz. Vergangene Woche sorgte die Klinik bundesweit für Schlagzeilen, weil ein Chefarzt aufgrund fehlender Behandlungskapazitäten von „Triage“ gesprochen hatte.

Die Klinik dementierte später die Berichte. „Fakt“ schreibt dazu, dass die interne Bettenliste zu diesem Zeitpunkt tatsächlich „null freie Betten“ ausgewiesen habe. Im offiziellen DIVI-Intensivregister seien aus Zittau zu dieser Zeit noch immer verfügbare Bettenkapazitäten gemeldet gewesen.

Ein Mitglied des sächsischen Corona-Krisenstabs, das laut „Fakt“ anonym bleiben will, kritisiert, dass Krankenhäuser dem Intensivregister mehr Betten meldeten, als sie hätten. „Das DIVI-Intensivregister genießt ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und der Politik. Wenn mit Bettenzahlen getrickst wird, taugt die Datenbank nichts. Sie fällt als Frühwarnsystem für entstehende Engpässe bei der Versorgung von COVID-19-Patienten aus.“

Der Insider vermutet in dem „Fakt“-Bericht, Kliniken würden offiziell mehr Intensivbetten melden, weil sie für freie COVID-19-Betten Ausgleichszahlungen erhielten. Im April unterzeichnete Gesundheits­mi­nister Jens Spahn (CDU) eine Verordnung, wonach Krankenhäuser tagesaktuell freie Betten im DIVI-In­tensivregister melden müssen.

Zwei der Kliniken mit auffällig abweichenden Angaben in der DIVI-Datenbank und der internen Betten­liste haben dem ARD-Magazin auf schriftliche Anfragen geantwortet. Das Klinikum Görlitz erklärte ab­wei­chende Angaben mit krankem oder in Quarantäne befindlichem Personal, wodurch freie Betten nicht belegt werden könnten. Die Bettenliste für die Krankhausleitstelle sei tatsächlich „praxisrelevanter und pragmatischer“ als das DIVI-Intensivregister.

Die Oberlausitz-Klinik Bautzen widerspricht dagegen den Vorwürfen: „Die Realität, die wir gerade in den deutschen Krankenhäusern erleben, ist wohl etwas komplexer als die DIVI-Datenbank sie darstellt.“ Aus­gleichsbeträge oder Freihaltepauschalen beziehe man nicht.

Unregelmäßigkeiten sind bereits auch der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) aufgefallen, die das offizielle Intensivbettenregister betreibt. Das zeigt ein Appell der DIVI und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) von Anfang November.

„Durch Rückmeldungen von Rettungsdiensten und regionalen Stichproben war in der vergangenen Wo­che aufgefallen, dass die Zahlen der noch verfügbaren, unmittelbar für die Versorgung von Intensivpa­tien­ten freistehenden Betten, nicht zu 100 Prozent stimmen kann. Genau das ist für eine unmissver­ständ­liche Interpretation der Daten und der sich daraus ergebenden Planung in der gesamten Republik unerlässlich.“

afp/may

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