Merkel: Coronakurs verhinderte Überlastung des Gesundheitssystems

Berlin – Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel rechtfertigt ihren Kurs mit staatlichen Kontaktbeschränkungen und Alltagsauflagen während der Coronapandemie. „Die Alternative wäre gewesen, alle Menschen in kurzer Zeit der von dem Virus verursachten Erkrankung auszusetzen und dabei zuzusehen, wie unser Gesundheitssystem kollabiert“, schreibt die 70 Jahre alte ehemalige CDU-Chefin in ihren Memoiren, die sie heute in Berlin vorstellte.
„Dabei hätten wir den Tod vieler, besonders der Alten und Vorerkrankten, riskiert, wenn nicht billigend in Kauf genommen“, so Merkel. Schwer erträglich habe sie es gefunden, wenn es bei Toten „scheinbar beruhigend hieß, dass ein Mensch nicht an Corona gestorben sei, sondern mit Corona. Es hätte noch gefehlt, dass man „nur“ voranstellte, nach dem Motto: der Mensch war so alt oder so vorerkrankt, der wäre sowieso bald gestorben, ob mit oder ohne Corona.“
Mit Blick auf manche Beratungen lässt Merkel in ihrem Buch rückblickend Frust erkennen. „Auch wenn ich unsere föderale Ordnung in Deutschland im Grundsatz für richtig hielt: Jetzt verzweifelte ich an ihr.“ Als Naturwissenschaftlerin habe es sie „schier verrückt“ gemacht, nach dem in der Politik so beliebten Prinzip Hoffnung vorzugehen.
Manchmal sei es für sie auch nur schwer zu ertragen gewesen, „wenn Politiker Wissenschaftler bezichtigten, permanent ihre Meinung zu ändern, und damit ein großes Missverständnis über das Wesen von Wissenschaft und Forschung offenbarten“. Über eine Bund-Länder-Runde 2020, bei der ein Forscher „wie ein dummer Schuljunge behandelt“ worden sei, schreibt sie: „Innerlich kochte ich.“
Merkel plädiert zudem, anders als etliche Unionspolitiker, für eine Reform der Schuldenbremse zugunsten von Zukunftsinvestitionen. „Die Idee der Schuldenbremse mit Blick auf nachfolgende Generationen bleibt richtig.“ Um aber Verteilungskämpfe in der Gesellschaft zu vermeiden und den Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung gerecht zu werden, müsse die Schuldenbremse reformiert werden, damit die Aufnahme höherer Schulden für Zukunftsinvestitionen möglich wird.
Vor der geplanten vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar dürfte der Union Merkels Forderung nicht sehr gelegen kommen – CDU/CSU pochen seit langem auf die Einhaltung der Schuldenbremse.
Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz hatte aber kürzlich erklärt, die Schuldenbremse sei ein technisches Thema und selbstverständlich zu reformieren. Die Frage sei, wozu. Offen zeigte er sich für eine Reform, wenn diese etwa Investitionen, dem Fortschritt oder den Lebensgrundlagen der jungen Generation diene.
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