Politik

Merkel ruft Bürger zum Befolgen der neuen Coronaregeln auf

  • Montag, 2. November 2020
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) /picture alliance, Kay Nietfeld
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) /picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Am ersten Tag des coronabedingten zweiten Teil-Shutdowns in Deutschland rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Menschen in Deutschland eindringlich dazu auf, die neuen wie auch bisherigen Regeln zu befolgen. „Wir leben in und mit der Pandemie, das ist das herausforderndste Ereignis unserer Zeit.“

Sie habe Verständnis für den Unmut vieler Bürger über das erneute weitgehende Herunter­fahren des öffentlichen Lebens im November – dies sei aber unabdingbar, um die Zahl der SARS-CoV-2-Neuinfektionen wieder zu senken. Deutlich wie selten zuvor erklärte sie zum Ziel der nun vier Wochen dauernden Maßnahmen, dass die 7-Tage-Inzidenz deutschlandweit unter 50 pro 100.000 Einwohner fallen müsse. Heute liege der Deutschlandweit bei 127,8, in vielen Landkreisen auch deutlich darüber. „Das Virus bestraft Halbherzigkeit“, sagte die Kanzlerin.

Keine rauschenden Silvesterfeiern

Auch daher müssten jetzt die Kontakte der Menschen um 75 Prozent reduziert werden. „Wir müssen nun vier Wochen auf vieles verzichten, was das Leben schön macht.“ Von vier Kontakten müsste drei abgesagt werden, damit es mit dieser „Wellenbrecher“-Lockdown helfen kann, einen „erträglichen“ Dezember zu schaffen. Aber zugleich machte die Kanzlerin deutlich, dass es auf absehbare Zeit keine Rückkehr zur Normalität der Vor-Corona-Zeit geben könne. Großveranstaltungen und Partys werde es während der gesamten vier Wintermonate nicht geben. „Dass es die großen, rauschenden Silvesterpartys gibt, das glaube ich nicht“, fügte sie hinzu. Allerdings: „Es werde ein Weihnachten unter Corona-Bedingungen, aber kein Weihnachten der Einsamkeit“, betonte die Kanzlerin.

„Ob diese große gemeinsame Kraftanstrengung etwas bringt im November, das hängt nicht nur von den Regeln ab, sondern vor allem auch davon, ob diese Regeln befolgt werden“, sagte Merkel heute in Berlin in der Bundespressekonferenz nach einer Sitzung des Coronakabinetts. „Jeder und jede hat es in der Hand, diesen November zu unserem gemeinsamen Erfolg zu machen, zu einem Wendepunkt wieder zurück zu einer Verfolgbarkeit der Pandemie.“

In den rund 75 Minuten vor der Hauptstadtpresse verglich Merkel die Pandemie mit einer Naturkatastrophe und bezeichnete sie als größte Bewährungsprobe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. „Das ist eine Naturkatastrophe und nicht ein politischer Beschluss.“ Das Virus sei da, auch wenn wir es nicht sehen könnten. Merkel wollte sich nicht festlegen, wie es nach dem Teil-Lockdown im November weitergehen wird.

Ausgangssperre vermeiden

Sie kündigte an, dass es am 16. November ein weiteres Gespräch mit den Minister­präsidenten der Länder geben werde. Dieses Gespräch sei erst einmal eine „Etappe“: Sollte sich herausstellen, dass die jetzt ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Zahl der Neuinfektionen stark zu reduzieren, seien womöglich auch zusätzliche Einschränkungen nötig. Auch mit Blick auf andere Staaten betonte die Kanzlerin aber, sie wolle keine Ausgangssperre in Deutschland haben, „wenn es irgendwie zu vermeiden ist“.

Auch die Kritik, welche Wirtschaftbetriebe nun schließen müssten und die anderen nicht, versuchte sie mehrfach zu entkräften: Es sei eine Frage, ob etwas „lebenspraktisch“ ist, das eine zu schließen und das andere geöffnet zu halten. „Wir alle sparen viel Geld, wenn wir vernünftig sind.“ Es müssten einige Wirtschaftbereiche geöffnet bleiben, um andere wieder unterstützen zu können. Die in den Betrieben bereits erarbeiteten Hygienekonzepte werden wieder dann wieder wichtig, wenn vor allem gastronomische Betriebe wieder öffnen dürfen.

Gesundheitswesen nicht immer an der Leistungsgrenze fahren lassen

Die Kanzlerin zeigte sich auch zuversichtlich, dass bei möglichen Klagen gegen die Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder das Argument der Überlastung des Gesundhetiswesens eine wichtige Rolle spiele. Wenn man hier nicht gegensteuere, „kommen wir in eine Situation, die wir nicht wollen.“ Man könne auch ein Gesundheitswesen nicht immer an der Leistungsgrenze fahren lassen. Auch die Kritik, es gebe keine langfristige Strategie der Bundesregierung, sei falsch: „Unsere langfristige Strategie ist, dass wir, so lange wir noch mit dem Virus leben müssen, muss es nachverfolgbar sein.“

Man müsse hier „Schritt für Schritt“ gehen, auch bei der Beobachtung des wissen­schaftlichen Fortschritts bei der medizinischen Versorgung der Gesellschaft. Da aber 30 bis 40 Prozent der Gesellschaft zur Risikogruppe zählen, müsse man auch diese schützen, dabei aber nicht ausgrenzen.

Nationale Kraftanstrengung

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Bürger eindringlich zur deutlichen Reduzierung ihrer Kontakte aufgerufen. Um angemessen mit der „Jahrhundert­situation“ der Coronapandemie umzugehen, sei eine „nationale Kraftanstrengung im November“ nötig, sagte Spahn gestern Abend im ZDF-heute-journal. Damit Kitas und Schulen offen bleiben könnten, müssten die Kontakte anderweitig „umso mehr“ verringert werden.

Spahn zeigte sich zuversichtlich, dass wie durch den Lockdown im Frühling auch durch die Einschränkungen im November die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus deutlich verlangsamt werden könne. Von Vorteil sei, dass mittlerweile mehr über den Erreger und seine Verbreitung bekannt sei. Die vergangenen Wochen mit den hohen Zahlen der Neuinfektionen in Deutschland hätten aber auch gezeigt, dass es ganz ohne staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht gehe, betonte der Gesundheitsminister. So habe sich die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Covid-19-Patienten in Deutschland in den vergangenen zwei Wochen verdreifacht.

Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, rät in der Coronapandemie zu konsequent vorsichtigem Verhalten. „Am besten wäre es, wir täten alle so, als wären wir infiziert und wollten andere vor Ansteckung schützen“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montagsausgabe).

Mit einer schnellen Normalisierung der Lage ist laut Drosten vorerst nicht zu rechnen. „Sicher ist: Ostern ist die Pandemie nicht beendet“, sagte er. „Aber spätestens im Sommer wird sich unser Leben deutlich zum Positiven verändern können – wenn wir jetzt die akut steigenden Ansteckungszahlen in den Griff bekommen.“

bee/dpa/afp/kna

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