Merkel und Spahn: Russischer Impfstoff Sputnik V in Deutschland willkommen

Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich grundsätzlich offen für die Anwendung des russischen Coronaimpfstoffs Sputnik V auch in Deutschland gezeigt. Jeder Impfstoff sei in der EU willkommen, aber zugelassen werde er nur, wenn er der zuständigen EU-Behörde EMA die notwendigen Daten vorlege, sagte Merkel gestern in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Jeder, der sich mit den Daten um eine Zulassung bemühe, sei „herzlich willkommen“. Sie betonte, sie habe mit dem russischen Präsidenten genau darüber gesprochen.
Nach Kritik an fehlenden belastbaren Studien hatten russische Forscher gestern im Lancet weitere Details zu dem Coronaimpfstoff Sputnik V veröffentlicht. „Wir haben heute gute Daten gelesen auch von dem russischen Impfstoff“, sagte Merkel. Nach den neuen Daten hat das Vakzin eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent.
Der Kreml sprach heute von einer „sehr wichtigen Veröffentlichung, die die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit des russischen Impfstoffes gezeigt“ habe. Jeden Tag steige die Zahl der Länder, die Sputnik V registrieren wollten, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. „In naher Zukunft ist geplant, die Produktion des Impfstoffs auch im Ausland aufzubauen.“
Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt es Überlegungen zur Produktion des russischen Impfstoffs Sputnik V in Europa. Bei Gesprächen mit der russischen Seite habe es die Bitte gegeben, zu schauen, ob es in Deutschland oder Europa Produktionskapazitäten geben könne, sagte Spahn heute bei einer Onlinekonferenz von Tagesspiegel, Zeit, Handelsblatt und Wirtschaftswoche. „Wir können ja auch Unterstützung geben für die Produktion eines Impfstoffes, der in Europa noch gar nicht oder gar nicht zugelassen ist.“ Da sei man vermittelnd tätig.
Der Gesundheitsminister sagte, er freue sich über jeden Impfstoff, der Wirksamkeit zeige, sicher sei und einen Unterschied machen könne. „In welchem Umfang das bei Sputnik V der Fall ist, muss jetzt einfach auch die Zulassungsbehörde sich anschauen.“ Es gebe Kontakt, und das Verfahren zur Zulassung beginne formal bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Nach Angaben aus Moskau war dort ein entsprechender Antrag im Januar eingereicht worden. Die EMA hatte das bisher nicht bestätigt.
Noch keine Kontrolle
Eine Woche vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie hatte Merkel gestern in dem ARD-Interview eine Lockerung der Lockdowns abgelehnt. Sie bitte alle Menschen, „noch eine Weile durchzuhalten“, sagte die CDU-Politikerin.
Zwar gebe es jetzt bundesweit eine Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. „Das ist eine gute Leistung, da waren wir lange nicht. Aber damit haben wir noch nicht wieder die Kontrolle über das Virus durch die Gesundheitsämter.“ Daran müsse weiter gearbeitet werden, betonte Merkel. Lockerungen werde es aber nicht erst geben, wenn alle Bürger geimpft seien. „Das ist nicht der Weg, den wir anstreben.“
Einen Tag nach dem vielfach kritisierten Impfgipfel warb Merkel um Verständnis für den Ablauf der Coronaimpfungen in Deutschland. „Wir können keinen starren Impfplan machen“, sagte sie. Die Hersteller hätten den Regierungschefs von Bund und Ländern am Vortag erläutert, dass die Impfstoffe unter Hochdruck produziert würden und sich exakte Vorhersagen über die genauen Mengen nicht lange im Voraus treffen ließen.
Man müsse das Vorgehen „dynamisch anpassen“. Bis zum Ende des Sommers solle jede und jeder zumindest die erste der zwei nötigen Impfungen bekommen können. Bei der Impfstoffbestellung durch die Europäische Union sei „im Großen und Ganzen nichts schief gelaufen“.
Die Ministerpräsidenten der Länder, Pharmavertreter, Vertreter der EU-Kommission und Experten hatten mit Merkel am Montagabend mehrere Stunden lang über die Probleme beim Start der Impfungen in Deutschland diskutiert. Oppositionsparteien und Verbände hatten sich gestern enttäuscht über die mageren Ergebnisse gezeigt. Aus der Wirtschaft kam Kritik wegen fehlender Perspektiven für einen Weg aus dem Lockdown.
Am Mittwoch kommender Woche wollen Merkel und die Ministerpräsidenten darüber entscheiden, ob der zunächst bis 14. Februar befristete Lockdown in Deutschland erneut verlängert wird.
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