Politik

Nationale Antibiotika­resistenzstrategie sieht weitere Fortbildungen für Ärzte vor

  • Donnerstag, 6. April 2023
Die weißen Plättchen geben verschiedene Antibiotika ab, von denen aufgrund Resistenzen nicht alle die Keime im Umkreis absterben lassen. /dpa
/dpa

Berlin – Um Antibiotikaresistenzen (AMR) in der Humanmedizin künftig stärker zu bekämpfen, könnte es bald verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen für Ärzte geben. Das geht aus einem Strategiepapier zur Weiterent­wicklung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2030) hervor. Die Bundesregierung hatte die Strategie gestern im Bundeskabinett verabschiedet.

Entsprechende verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen sollen geprüft werden, heißt es in dem Papier. Zudem werde eine angemessene Vermittlung des Themas und Wissens um alternative Therapiemöglichkeiten in den medizinischen Studiengängen geprüft. Die Einrichtung einer internetbasierten Fortbildungsplattform für Ärztinnen und Ärzte wird zudem angestrebt.

Das Papier ist eine Weiterentwicklung der bestehenden Strategie „DART 2020“ und beschäftigt sich mit unter­schiedlichen Ansätzen, um AMR zu bekämpfen. Die zentralen Punkte sind Ausbau von Systemen bezüglich Monitoring (Beobachtung) und Surveillance (Überwachung) von AMR und Antibiotikaeinsatz, Verbesserung der Infektionsprävention und des sachgerechten Antibiotikaeinsatzes, Sensibilisierung der Bevölkerung und der Erwerb notwendiger Kenntnisse beim Fachpersonal sowie die Unterstützung von Forschung und Entwicklung.

Neben vor allem medizinischen Gesichtspunkten spricht die Strategie auch die Tiergesundheit und darunter etwa Haltungsbedingungen von Tieren an. Hier müsse der Einsatz von Antibiotika kritisch geprüft werden.

Vorgesehen ist mit bereits etablierten Fortbildungsprogrammen als auch künftigen Ausweitungen der Fort­bildungen im stationären und ambulanten Bereich, die infektiologische Expertise innerhalb der Ärzteschaft zu stärken. „Dies könnte einen Beitrag dazu leisten, die in Deutschland im Vergleich mit Ländern mit einem ähn­lich gut entwickelten Gesundheitswesen hohe Sepsissterblichkeit im Krankenhaus langfristig zu senken“, heißt es.

Zukünftig müsse mit geeigneten Maßnahmen von Bund und Ländern eine ausreichende Ausstattung der medizinischen Einrichtungen mit infektiologisch qualifiziertem ärztlichen und pharmazeutischen Personal erreicht werden. Außerdem brauche es eine bessere Gesundheitskompetenz und höhere Aufmerksamkeit in Bezug auf Sepsis auch in der Allgemeinbevölkerung.

Lauterbach fordert bessere Datenbasis unabhängig von Industrie

„Wir brauchen eine viel bessere Datenbasis für die Resistenzsituation“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gestern zudem vor der Bundespressekonferenz. Diese werde aktuell von der Industrie ge­liefert. „Wir brauchen eine industrieunabhängige Datenbasis“, so Lauterbach.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werde entsprechend ausgerüstet, um diese Basis zu bekommen. Daten zum Antibiotikaverbrauch solle insbesondere in den stationären Einrichtungen präziser erhoben werden. Das sei gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) geplant, sagte Lauterbach.

Es gibt zwar bereits etablierte Surveillancesysteme, wie das am RKI etablierte Antibiotika-Resistenz-Surveil­lance-System (ARS), das Daten in der Humanmedizin zusammenführt oder das System für den stationären Be­reich „Antibiotikaresistenz und -Verbrauch – integrierte Analyse“ (ARVIA). Allerdings sollen die verschiedenen Systeme harmonisiert und ausgebaut werden, um die Datenlage zu verbessern, heißt es im Strategiepapier. Das ARVIA-System soll zudem auf den gesamten ambulanten Sektor ausgeweitet werden.

Weiter ist geplant, dass auch Resistenzdaten von Pilzen künftig erfasst werden. Bei der Surveillance wird das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) eine wichtige Rolle spielen. Über DEMIS melden Krankenhäuser bereits unter anderem Bettenkapazitäten an das RKI.

Einen Fokus setzt die Strategie auf die ambulante medizinische Versorgung. „Mit der Verordnung von mehr als 80% der Antibiotika und der großen Zahl der mit Atemwegs – und Harnwegsinfekten versorgten Patientinnen und Patienten stellt der ambulante Versorgungssektor ein relevantes Feld für die nationale AMR-Strategie dar, unter anderem da sich Prozesse in Diagnostik und Therapie wesentlich vom stationären Bereich unterschei­den“, heißt es im Papier.

Deshalb soll die ambulante „Antibiotic Stewardship-Strategie“ (ABS) weiterentwickelt werden, die sich an Be­sonderheiten und Bedarfen der haus- und kinderärztlichen Primärversorgung, der ambulanten fachspezialisti­schen Versorgung und der zahnärztlichen Versorgung orientiere. Zur ABS soll unter anderem die Ausweitung der Fortbildungen gehören.

Verhinderung von Infektionskrankheiten ist wichtige Maßnahme

Die Strategie setzt zudem stark auf Prävention, vor allem die Vermeidung von Infektionskrankheiten durch Maßnahmen zur Hygiene und Infektionsprävention. Insbesondere Impfungen verhindern Infektionen und damit auch indirekt den Einsatz von Antibiotika, heißt es. Hier spielen die medizinischen Fachgesellschaften eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung der Implementierung entsprechender Maßnahmen.

Lauterbach erwähnte gestern vor der Bundespressekonferenz zudem weitere Maßnahmen, wie AMR stärker eingedämmt werden sollen. Geplant sei mit der Strategie auch, dass Reserveantibiotika komplett aus dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) herausgenommen werden sollen. Damit solle eine freie Preisbildung ermöglicht werden, so Lauterbach. Das AMNOG trat 2011 in Kraft und sollte stark anstei­gen­de Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen eindämmen.

Als weitere Maßnahme gegen AMR solle eine Antibiotikaresistenz-Botschafterin hauptamtlich zur Beobach­tung der Resistenzsituation besetzt werden, kündigte Lauterbach an.

AMR führen zu schweren Krankheitsverläufen und hohen Kosten

Das Strategiepapier betont, dass alle Akteure gemeinsam daran arbeiten müssen, AMR einzudämmen. Denn die Resistenzen werden mehr und mehr zu einer Herausforderung bei der Versorgung von Patienten sowie Tieren in der Veterinärmedizin.

„Sie bewirken, dass auch für bisher gut behandelbare bakterielle Infektionen nur noch wenige – gegebenen­falls auch gar keine – Therapieoptionen mehr zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Strategiepapier.

Konsequenzen seien längere und deutlich schwerere Krankheitsverläufe sowie erhebliche zusätzliche Kosten durch steigende Behandlungskosten, verlängerte Krankenhausaufenthalte, Arbeitsausfälle und vorzeitigen Todesfällen.

Die Strategie ist eine Nachfolgestrategie der „DART 2020“ aus dem Jahr 2015. Erstmals hatte Deutschland im Jahr 2009 die Resistenzstrategie DART entwickelt. Mittlerweile arbeiten nicht nur das Bundesgesundheits­ministerium (BMG), sondern auch die Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Bildung und Forschung (BMBF) sowie erstmalig auch das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) an der Strategie und deren Umsetzung.

Das Papier sieht ein zweistufiges Vorgehen vor. Zunächst sind Ziele und Ansatzpunkte beschrieben, die AMR auf nationaler Ebene sowie in der internationalen Zusammenarbeit bekämpfen sollen. In einem zweiten Schritt soll ein Aktionsplan erarbeitet und veröffentlicht werden, der die erforderlichen Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, konkreter beschreibt.

Auch unter der deutschen G7-Präsidentschaft vergangenes Jahr haben sich die Gesundheitsministerinnen- und minister der G7-Staaten dazu verpflichtet, Überwachungsmöglichlichkeiten unter anderem von AMR zu stärken. Zudem haben sich die G7-Staaten unter anderem dazu verpflichtet, die Forschung und Entwicklung neuer, dringend benötigter Antibiotika stärker zu fördern.

Inzwischen hatte zudem die Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Jahr 2015 verabschiedet, dass die Mit­gliedstaaten nationale Aktionspläne entwickeln sollen, um das Problem anzugehen. Die WHA ist ein Ent­scheidungsorgan, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steuert und tagt einmal jährlich.

cmk

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