Politik

Oppositionspolitiker fordern Untersuchungsausschuss zu Maskenbeschaffung

  • Mittwoch, 25. Juni 2025
/picture alliance, AFP-POOL, Ina Fassbender
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Berlin – Angesichts weiter offener Fragen fordern mehrere Oppositionspolitiker einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Maskenbeschaffungen durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in der Coronapandemie.

Ein Rahmen wie der Haushaltsausschuss des Bundestages sei für die Aufarbeitung nicht das optimale Mittel, sagte etwa die Haushaltspolitikerin Paula Piechotta (Grüne) heute in Berlin.

Mangels einer Mehrheit von Grünen- und Linksfraktion wäre es aus ihrer Sicht zu hoffen, dass CDU und SPD mit für eine Einrichtung eines solchen Ausschusses stimmten, denn nur dort müsse unter Eid ausgesagt werden und man könne sich bei Falschaussagen auch strafbar machen.

Auch mehrere Politikerinnen und Politiker der Linksfraktion wie Dietmar Bartsch betonten, dass sie einen Untersuchungsausschuss befürworten.

Zudem gab es erneut Rücktrittsforderungen in Richtung des früheren Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). „Wer so leichtfertig unsere Steuergelder aus dem Fenster wirft, darf kein wichtiges politisches Amt mehr ausüben“, erklärte Linken-Chefin Ines Schwerdtner.

Spahn zunächst nicht im Ausschuss befragt

Im Haushaltsausschuss, in dem Spahn heute gehört werden sollte, habe es hingegen keine beziehungsweise nur politische Konsequenzen, wenn gelogen oder Fragen nicht beantwortet würden, so Piechotta.

Die nicht-öffentliche Ausschusssitzung wurde allerdings vor einer Befragung Spahns wegen einer zeitgleich beginnenden Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema Maskenbeschaffung unterbrochen. Spahn, der sich vor Ort zunächst nicht öffentlich äußerte, sollte dort heute noch zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden.

Auch die von der Regierung heute neu angeschobene Enquetekommission zur Aufarbeitung der Coronapandemie habe nicht die für das Thema benötigten Instrumente, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch, in der Aktuellen Stunde.

Man sei es den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, „dass jeder Anschein ausgeräumt wird, dass in einer so schweren Krise in Deutschland Vetternwirtschaft betrieben wurde und im Zweifel auch zu Korruption gegriffen wurde.“ Es brauche diesbezüglich Klarheit.

Zuvor waren aus der Union und SPD Verweise auf eine weitere Bearbeitung des Themas im Rahmen der Enquetekommission gekommen.

Warken beantwortet Fragen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Haushaltsausschuss hatte am Nachmittag bereits Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hinter verschlossenen Türen befragt. Sie berichtete einer großen Gruppe von Pressevertretern danach, dass man sich über Schlussfolgerungen ihres Hauses ausgetauscht habe.

Sie nannte etwa die geplante Einrichtung einer Projektgruppe, die weitere Lehren aus der Pandemie ziehen solle, um für künftige vergleichbare Situationen besser aufgestellt zu sein.

Die Gruppe solle auch die Arbeit der Enquetekommission begleiten und unterstützen. Geleitet werden soll sie von einem erfahrenen Mitarbeiter aus der Bundestagsverwaltung, so Warken. Es gebe bisher keine zeitliche Befristung für die Tätigkeit.

„Damit haben wir größtmögliche Transparenz geschaffen“, sagte Warken auch mit Blick auf die Übermittlung des Berichts der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof an den Ausschuss. Dieser war gestern mit Schwärzungen publik geworden, das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

Ähnlich wie bereits gestern in einer Stellungnahme des BMG kritisierte Warken den Sudhof-Bericht deutlich: „Ich finde ihn in der Methodik schlecht. Er gibt wenige Quellen an.“ Es sei nicht nachvollziehbar, welche Schlussfolgerungen auf welche Quellen zurückzuführen seien. Vieles bleibe auch offen oder vage.

Gleichzeitig räumte Warken ein, dass die „Veraktung der Dokumente“ aus der fraglichen Zeit im Ministerium erst später nachgeholt werden musste. „Dass das Bundesgesundheitsministerium eigentlich ein Gesetzgebungshaus ist und kein Logistikunternehmen ist, ist klar. Und für die Zukunft sollten wir diese Verfahren auch anders aufstellen“, sagte Warken zudem. Die Lage in der damaligen Zeit sei aber besonders gewesen.

Die Grünen-Haushälterin Piechotta teilte nach Warkens Befragung mit, dass Sudhofs Bericht durchaus bereits in Teilen zu Änderungen bei der Strategie des Gesundheitsressorts bei fraglichen Prozessen geführt habe. Sudhofs Arbeit sei also sehr erfolgreich gewesen.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Christos Pantazis, warnte in der Aktuellen Stunde davor, den Bericht als parteipolitisch motiviert zu diskreditieren: Er sei von einer „hochverdienten und über Parteigrenzen hinaus anerkannten Spitzenbeamtin“ parteiunabhängig erstellt worden.

Zuvor hatte die die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Simone Borchardt (CDU) von einem vermeintlichen Gutachten ohne klare Methodik, ohne nachvollziehbare Quellen und ohne rechtliche Substanz gesprochen.

Warken verteidigt Schwärzungen

Das Vorgehen, den Bericht dem Ausschuss mit Schwärzungen vorzulegen, verteidigte die Ministerin: Es sei der praktischste und schnellste Weg gewesen. Nach Abschluss von Gerichtsverfahren beispielsweise könnten Schwärzungen in Zukunft auch entfallen.

Man habe zudem geprüft, ob Abgeordnete den Bericht in der sogenannten Geheimschutzstelle des Bundestages einsehen könnten – dieser sei aber nicht als geheim eingestuft und daher dort nicht angenommen worden.

Der Linken-Politiker Bartsch forderte dennoch eine Offenlegung des Berichts ohne Schwärzungen. Es gehe um die richtigen Schlussfolgerungen für die nächste Pandemie, sagte er.

Piechotta bedauerte nach der Befragung Warkens, dass viele Fragen offen geblieben seien. Sie warf dem BMG anhand von Presseberichten auch vor, dass offenbar Sätze aus dem Sudhof-Bericht gestrichen worden seien – die Ministerin bestreite dies jedoch.

Die Schwärzungen im Bericht betreffen aus Sicht der Grünen-Politikerin nicht nur Geschäftsgeheimnisse und Prozessrisiken: „Sondern es sind die Teile, wo es wirklich schmerzhaft für Jens Spahn wird.“ Am Ende sei der Kern der Frage, ob sich Spahn persönlich bereichert habe – dafür gebe es bisher aber nur Indizien.

Viele der bestehenden Unklarheiten sind für Piechotta nicht nur mit „Selbstüberschätzung und Wurstigkeit“ zu erklären: „Da muss mehr dahinter stecken“, sagte sie und spielte auf einen damaligen Villenkauf Spahns an. Außerdem müsse geklärt werden, warum das Parlament 2020 nicht ausreichend in der Lage gewesen sei, die Regierung zu kontrollieren.

Sudhof-Bericht auch Thema im Gesundheitsausschuss

Am Vormittag war Warken bereits im Gesundheitsausschuss: Dort sollte sie vor allem zur Vorhabenplanung des BMG sprechen, wurde aber auch von den Abgeordneten zum Sudhof-Bericht befragt. Die Vertreterinnen und Vertreter beklagten, dass dem Gesundheitsausschuss der Bericht erst heute um 9.28 Uhr zugegangen ist – um 9.30 Uhr startete die Sitzung.

„Es war der erste Gesundheitsausschuss, an dem die neue Gesundheitsministerin teilgenommen hat und danach bleiben zunächst viele Fragen offen, in welcher Geschwindigkeit und mit welchen Fristen eigentlich wichtige Reformbaustellen im Gesundheitswesen angegangen werden sollen, auf die alle Menschen warten", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen.

Mit Blick auf die Maskenbeschaffung betonte er, es gehe um den Vorwurf von Machtmissbrauch im Amt. „Dabei sind alle wesentlichen und zentralen Fragen offen geblieben.“ Die Ministerin sei im Ausschuss sehr unsicher gewesen. Sie habe den Sudhof-Bericht zwar angeblich gelesen, aber zu entscheidenden Stellen keine Auskunft geben können, erklärte Dahmen.

Auch habe sie keine Fragen zur zentralen Aufklärung von Verantwortlichkeit oder von Ablaufprozessen von Zuständigkeiten beantworten können. Dahmen betonte: „Wir werden alles daran setzen, hier weitere Aufklärung zu betreiben.“

Der Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof legt Spahn eine Mischung aus „fehlendem ökonomischem Verständnis und politischem Ehrgeiz“ zur Last, der zu erheblichen Kosten und Risiken geführt habe. Der damaligen Gesundheitsminister, der heute die CDU/CSU-Fraktion leitet, sei zu Beginn der Pandemie gegen den Rat seiner Fachabteilungen in die Schutzmasken-Beschaffung eingestiegen.

Auf Verlangen der Grünen wollte der Bundestag am Freitag in einer weiteren Aktuellen Stunde erneut über das Thema diskutieren. Der Antrag wurde aber aktuell zurückgezogen, so dass sich das Parlament diese Woche nicht erneut mit dem Aspekt befassen wird.

bee/ggr/dpa

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