Pharmaindustrie will wirtschaftliche Anreize für Produktion in Europa

Berlin – Vertreter pharmazeutischer Unternehmen haben sich für stärkere wirtschaftliche Anreize ausgesprochen, Arzneimittel in Europa zu produzieren. „Wenn wir in Europa produzieren, gibt es eine höhere Sicherheit, dass die Arzneimittel auch in Europa zur Verfügung stehen“, sagte Marco Penske, Head Market Access & Health Affairs bei Boehringer Ingelheim Deutschland, heute auf der virtuellen 26. Handelsblatt Jahrestagung.
„Dafür wünschen wir uns, dass bei den Rabattverträgen nicht nur der Preis angeschaut wird, sondern dass auch berücksichtigt wird, wo die Arzneimittel produziert werden.“ Insbesondere seit Beginn der Coronapandemie wird in Europa darüber diskutiert, inwieweit die Produktion wichtiger Arzneimittel wieder nach Europa zurückgeholt werden sollte.
„Wir haben ja noch viel Produktion in Deutschland und Europa“, sagte Penske. „Lasst uns doch gemeinsam schauen, diese Produktion auszubauen, zum Beispiel im Bereich der Biologika und der Arzneimittel, deren Patentschutz in Kürze ausläuft. Dafür müssen wir Anreize setzen.“ Eine Produktion, die nach Asien abgewandert ist, nach Europa zurück zu holen, sei hingegen unrealistisch.
Ruf nach europäischem Anreizsystem
Matthias Suermondt, Vice President, Public Affairs & Access bei Sanofi, beschrieb die Gründung des neuen Unternehmens EuroAPI, mit dem die Produktion von Wirkstoffen (active pharmaceutical ingredient, API) in Europa gestärkt werden soll.
„Wir haben uns schon vor der Coronapandemie dazu entschlossen, ein Firmennetzwerk aus sechs Standorten zusammenzufügen, die die industrielle Produktion von klassischen Versorgungspräparaten übernehmen sollen“, sagte Suermondt.
Er wies darauf hin, dass 83 Prozent der derzeitigen Lieferengpässe im generischen Bereich stattgefunden hätten, wo für eine definierte Tagesdosis Centbeträge im einstelligen Bereich bezahlt würden. „Langfristig wollen wir mit EuroAPI Kostenneutralität durch eine Steigerung der Effizienz erreichen“, sagte Suermondt.
„Kurzfristig brauchen wir aber Investitionen. Das kann über Ausschreibungsmodalitäten funktionieren, das kann aber auch durch einen zusätzlichen Preisbenefit ‚Made in Europe‘ geschehen.“ Eine anfängliche Finanzierung sei aber in jedem Fall notwendig.
Michael Horn, Leiter der Abteilung „Zulassung 1“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sprach sich dafür aus, insbesondere die Arzneimittel in Europa zu produzieren, bei deren Versorgung es in der Vergangenheit Probleme gegeben hat.
„Wir sollten schauen, wo es in den vergangenen Jahren Lieferengpässe gegeben hat und welche Ursachen diese hatten“, sagte er. „Auf diese Weise können wir gezielt beginnen.“ Um mehr Produktion in Europa zu ermöglichen, brauche es einen starken Konsens in Europa sowie ein europäisches Anreizsystem.
Gesundheitspolitiker befürworten Zuschläge bei Generika
Martina Stamm-Fibich (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, zeigte sich optimistisch, dass eine politische Einigung möglich ist: „Bei einem Qualitätszuschlag, der wirtschaftliche Anreize für eine erhöhte Sicherheit und erhöhte Produktionsstandards bei der Produktion von versorgungsrelevanten Arzneimitteln setzt, kann man sich mit Sicherheit sehr schnell verständigen.
Denn wir müssen uns fragen, ob wir uns auf Dauer so niedrige Preise für Generika leisten wollen, die zu ungunsten von Liefersicherheit und Produktionsstandards gehen.“ Ähnlich äußerte sich Tino Sorge (CDU), ebenfalls Mitglied im Gesundheitsausschuss. „Wir haben bei den Generika immer nur auf den Preis geschaut“, sagte er. „Es geht jetzt um eine grundsätzliche Ausrichtung, was uns Liefersicherheit in der Krise wert ist.“
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