Politik

Rechnungsprüfer gegen Verlängerung des Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

  • Mittwoch, 4. September 2024
/picture alliance, Marijan Murat
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Berlin – Der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sollte über das Jahr 2026 hinaus nicht ver­längert werden. Dies empfiehlt der Bundesrechnungshof (BRH) dem Haushaltsausschuss des Bundestages in einem aktuellen Bericht. Das Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.

Bis 2026 beteiligt sich der Bund noch mit vier Milliarden Euro an den Maßnahmen zur Beseitigung von Defi­ziten des ÖGD, die während der Pandemie aufgedeckt worden waren. In sechs Jahrestranchen werden den Ländern davon 3,1 Milliarden Euro in Form von Festbeträgen aus Umsatzsteueranteilen zur Verfügung ge­stellt.

Die Gelder werden wiederum an die Kommunen weitergereicht, die als Träger des ÖGD neue Stellen für medi­zinisches und administratives Personal in den Gesundheitsämtern finanzieren sollen. Angestrebt wurden 5000 neue Stellen in den Gesundheitsämtern.

Für das laufende Jahr sind des Weiteren 163,8 Millionen Euro eingeplant, die der Bund dem ÖGD im Rahmen des Paktes als Zuschuss aus dem Einzelplan 15 leisten soll. Für 2025 sieht der Haushaltsentwurf weitere 54,2 Millionen Euro vor. 2025 stünde dem ÖGD dann nur noch ein Drittel der aktuellen Summe zur Verfügung.

Anschließend sollte der Bund den ÖGD nicht weiter unterstützen, mahnt der BRH nun an. Die Rechnungsprü­fer begründen das unter anderem damit, dass die Länder nicht bekannt gegeben hätten, wofür sie die zusätz­lich erhaltenen Mittel eingesetzt haben.

Dem Bericht zufolge wurden auch nicht alle Mittel ausgegeben. Während der Bund im Jahr 2023 auf einen Anteil von 500 Millionen Euro am Umsatzsteueraufkommen zugunsten der Länder verzichtet habe, hätten die Länder nach eigenen Angaben 438 Millionen Euro für Zwecke des Paktes verausgabt, heißt es im Bericht.

Die Meldungen der Länder hätten teilweise auf Pauschalen oder Schätzungen beruht. Schon 2021 und 2022 waren die Gelder nach dem Bericht des BRH „in beträchtlichem Umfang nicht zweckentsprechend eingesetzt worden“.

Dem BRH zufolge wurden die Länder darüber hinaus „unzulässig aus ihrer finanziellen Eigenverantwortung entlassen“. Kritisiert wird außerdem, dass sich die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Personalaufsto­ckung im ÖGD nicht an konkret festgestellten Personalbedarfen orientiert. Maßnahmen, die zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen notwendig geworden seien, seien zudem „nur schleppend“ vorangekommen.

Ganz anders als die Rechnungsprüfer sehen das die Bundesländer. Diese hatten auf der Gesundheitsminister­konferenz (GMK) im Juni eine Verstetigung des Pakts gefordert.

„Die Bemühungen um die Weiterentwicklung zu einem zukunftsfähigen und krisenresilienten ÖGD dürfen nicht mit Ablauf der ÖGD-Paktes Ende 2026 beendet sein“, warnte die Vorsitzende der Gesundheitsminister­konferenz, Kerstin von der Decken (CDU). Sie kritisierte, dass sich der Bund einseitig aus der Finanzierung des Paktes verabschieden wolle. „Unser Ziel ist es, den ÖGD-Pakt zu verstetigen“, sagte sie.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte bei der GMK im Juni, dass die Fortführung der Finanzierung des ÖGD Aufgabe der Länder sei. Die Bundesregierung sei nicht in der Lage, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.

Über die haushaltspolitisch schwierige Lage sprach auch die Abteilungsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Ute Teichert, bei einer Fachtagung der Bundesärztekammer (BÄK) im Juni in Berlin. Allerdings sei es eigentlich auch ihr großer Wunsch, den Pakt fortzuführen, sagte Teichert. Es gelte, nach Lösungen zu suchen.

Für die Weiterentwicklung des ÖGD über das Jahr 2026 hinaus hat die GMK Teichert zufolge eine neue Arbeitsgruppe auf Abteilungsleiterebene eingerichtet. Diese soll eine Beschlussvorlage erarbeiten, die bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll.

Tatsächlich hat der ÖGD-Pakt bereits zu einem deutlichen Zuwachs an Personal in den Ländern geführt. Das für Ende des vergangenen Jahres angepeilte Ziel von 3.600 besetzten Stellen ist bereits deutlich überschrit­ten worden, mit mehr als 4.830 tatsächlich besetzten Stellen bis 31. Dezember 2023 (in Vollzeitäquivalent).

Alle Bundesländer konnten bereits mehr Stellen als bis dahin vorgesehen besetzen, wie kürzlich veröffent­lichte Tabellen des Bundesgesundheitsministeriums zeigen.

Der Großteil dieser Stellen, genau 2.155, sind dem Aufgabenbereich Gesundheitsschutz zugeordnet, darunter fallen Hygiene, Infektionsschutz, umweltbezogener Gesundheitsschutz, Medizinalaufsicht, Ausbruchs- und Krisenmanagement. Weitere 1.391 Stellen gehören zum Feld Beratung/Information, Begutachtung, Gesund­heitsförderung und Prävention, niedrigschwellige Angebote/aufsuchende Gesundheitshilfe.

463 Stellen widmen sich laut dem Papier der Koordination, Kommunikation, Moderation, Anwaltschaft, Poli­tik­beratung, Qualitätssicherung. Bei 823 Stellen wird der Aufgabenbereich nicht näher umrissen, sie werden allgemein unter dem Punkt „Sonstige landesspezifische Bereiche“ aufgeführt.

Rund die Hälfte der neuen Stellen (51%) ist dem Papier zufolge mit nicht näher beschriebenem „Fachperso­nal“ besetzt worden und knapp ein Drittel (31%) mit Verwaltungspersonal. Ärztinnen und Ärzte beziehungs­weise Zahnärztinnen und Zahnärzte sind mit 18% in der Minderheit.

Von den insgesamt 4.833 neuen und besetzten Stellen entfallen 4.264 auf untere Gesundheitsbehörden/örtli­che Gesundheitsämter und 569 auf Landesstellen/oberste Landesbehörden. Knapp neun von zehn dieser Stellen (89%) sind laut dem Papier unbefristet.

nfs/ggr/cmk

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