Ärzteschaft

Pakt für den ÖGD: Schwierige Haushaltslage des Bundes

  • Mittwoch, 12. Juni 2024
Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Oeffentlichen Gesundheitsdienstes /picture alliance, Eventpress, Eventpress Stauffenberg
Ute Teichert, Leiterin der Abteilung 6 „Öffentliche Gesundheit“ des Bundesgesundheitsministeriums /picture alliance, Eventpress, Eventpress Stauffenberg

Berlin – Hoffnungen auf eine Weiterfinanzierung des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) durch den Bund über das Jahr 2026 hinaus sind von politischer Seite mit Blick auf die angespannte Haushaltslage gedämpft worden.

„Unser Wunsch ist es eigentlich auch, den Pakt weiterzuführen", sagte Ute Teichert, Leiterin der Abteilung „Öffentliche Gesundheit“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), heute bei einer Fachtagung der Bundesärztekammer (BÄK) in Berlin. Sie betonte die große Relevanz des ÖGD.

Aber bekanntlich gebe es derzeit finanzielle Zwänge, die es erschwerten, das Thema nach vorne zu bringen, sagte Teichert. Es gelte, nach Lösungen zu suchen. Teichert war Anfang 2022 zum Ministerium gewechselt und zuvor lange Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).

Teichert beschrieb die derzeitige Situation als herausfordernd: Man befinde sich nach der Coronapandemie quasi im „Kriegsumfeld“, was mit entscheidend sei für die Haushaltssituation. Dabei werde öffentliche Gesundheit gerade auch für die Krisenvorsorge gebraucht. Insofern sei ein starker ÖGD nötig.

Teichert sieht Gemeinschaftsaufgabe

Alle Akteure müssten mit ins Boot, appellierte Teichert. Sie sprach von einem Gemeinschaftsprojekt. „Wir müssen sehen, dass wir eine Möglichkeit finden, dieses Projekt gemeinsam fortzuführen.“ Andernfalls drohe dem ÖGD wie schon früher in seiner Geschichte wieder ein Rückschritt. „Ich glaube, das können und das wollen wir uns alle nicht leisten.“

Die potenziellen künftigen Herausforderungen für das Gesundheitswesen könnten nicht alleine im ambulanten und stationären Bereich gestemmt werden, sagte Teichert weiter. Bund, Länder, Kommunen und andere mit dem Thema befasste Bereiche müssten sich für den bevölkerungsmedizinischen Blick engagieren.

Ein düsteres Bild der Haushaltssituation zeichnete bei der Veranstaltung auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner, der Mitglied des Gesundheitsausschusses ist. In einer Podiumsdiskussion antwortete er auf die Frage, wie er die Chance auf eine Verlängerung des Paktes in dieser Legislatur einschätze: „überschaubar“. Er sagte, es stehe ein extremer Kürzungshaushalt bevor.

Wagner sprach von einer Verantwortung der Bundesländer. Seitens des Finanzministeriums gebe es in der derzeitigen Lage wenig Offenheit, Kosten zu übernehmen, die eigentlich nicht originär beim Bund lägen. Er hoffe trotzdem, dass der gesetzte Impuls anhalte und sich die Länder der Aufgabe annähmen und der ÖGD nicht von der Prioritätenliste verschwinde.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, kritisierte unter anderem, dass man auf der kommunalen Ebene das ausbaden müsse, „was Bund und Länder anschieben und nicht abgesichert finanzieren“. Man habe den ÖGD-Pakt immer unterstützt und die entsprechende Finanzierung zur Bedingung gemacht. Wenn nun die Gespräche zwischen Bund und Ländern gescheitert seien, seien die Länder für die kommunale Ebene der Ansprechpartner. Die Länder müssten dafür geradestehen, wenn sie inhaltlich etwas mit dem Bund vereinbaren, aber die Finanzierung nicht bekämen.

Die Zukunft des Paktes für den ÖGD steht auch auf der Tagesordnung der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), die heute und morgen in Lübeck-Travemünde stattfindet. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

BÄK-Präsident: Amtsleitungen in ärztlicher Hand belassen

Eine Stärkung des ÖGD, der klar die dritte Säule des medizinischen Versorgungssystems sei, mahnte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt an. Er verwies etwa auf künftige Krisen, auf die Verschärfung sozialer Ungleichheit und den Klimawandel. Die Aufgaben der rund 380 Gesundheitsämter hierzulande seien umfangreich.

Insbesondere von der Leitung sei medizinische Expertise gefordert. „Die Leitungstätigkeit muss aus unserer Sicht in ärztlicher Hand bleiben“, sagte Reinhardt. Auch beim 128. Deutschen Ärztetag in Mainz habe sich die Ärzteschaft gegen eine Aufweichung dieser Vorgabe ausgesprochen.

Bund und Länder hatten den Pakt Ende September 2020 in Anbetracht der Coronapandemie beschlossen. Ziele waren etwa mehr Personal für den ÖGD sowie eine Modernisierung. Für die Umsetzung stellt der Bund für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2026 insgesamt vier Milliarden Euro bereit.

Schon im Frühjahr 2023 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages gefordert, die finanzielle Beteiligung des Bundes über das Jahr 2026 nicht zu verlängern. Aus Sicht des Ausschusses sei es zwar wichtig gewesen, den Aufbau des ÖGD zu fördern, nun müsse die Zustän­digkeit aber auf die Länder und Kommunen übergehen.

Auch der Bundesrechnungshof (BRH) hatte die weitere Unterstüt­zung kritisch gesehen. Diese müsse an „präzise Ziele und verlässliche Instrumente zur Überprüfung der Zielerreichung ge­knüpft werden“.

Vertreterinnen und Vertreter des BVÖGD hatten kürzlich ihren Ruf nach einer Weiterführung des Paktes erneuert und dies auch mit wachsenden Aufgaben begründet. Zudem drohten die relativ neu geschaffenen Stellen ohne längerfristige Finanzierungsperspektive wieder gestrichen zu werden.

ggr

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