Reform des Fallpauschalensystems wäre nur Symptomkorrektur

Köln – Das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) in Krankenhäusern sollte nicht reformiert werden, bevor die Krankenhäuser nicht die Investitionsmittel der Länder erhalten, die ihnen eigentlich zustehen.
Darauf hat Sonja Optendrenk, Leiterin der Abteilung „Gesundheitsversorgung, Krankenversorgung“ im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), auf dem Gesundheitskongress des Westens hingewiesen.
„Wir reden immer über die Defizite des DRG-Systems“, sagte Optendrenk. „Diese Probleme werden aber dadurch überhöht, dass die Krankenhäuser nicht ausreichend Investitionsmittel von den Bundesländern erhalten.“
Das DRG-System verursache nicht so viele Probleme, wie im zugeschrieben werde, sagte Optendrenk. Zunächst müsse darüber gesprochen werden, was für eine bedarfsgerechte Versorgung benötigt werde.
Dann müsse geklärt werden, was in die Verantwortung des Bundes und was in die Verantwortung der Länder falle. Wenn dann noch ein Defizit bleibe, könne man über eine Ergänzung des DRG-Systems um Vorhaltekosten sprechen, aber erst dann. Alles andere sei eine Symptomkorrektur und keine Ursachenbekämpfung.
Der Strukturwandel kommt
Der Gesundheitsökonom Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin prognostizierte einen drastischen Strukturwandel im stationären Bereich. So seien die Fallzahlen im Krankenhaus während der Coronapandemie im Jahr 2020 deutlich zurückgegangen, sagte er.
„Viele dieser Patienten werden nicht mehr ins Krankenhaus zurückkehren“, erklärte Busse, der als Mitglied im Expertenbeirat des BMG die Entwicklung der medizinischen Leistungen während der Pandemie untersucht hat. Busse zufolge hat die Bettenauslastung 2019 in den Krankenhäusern, die nach dem DRG-System abrechnen, bei 75 Prozent gelegen.
Im Jahr 2020 sei die Auslastung auf 67 Prozent gesunken. „Dabei gab es eine starke Variation“, sagte Busse. „Bei Krankenhäusern mit mehr als 800 Betten lag die Auslastung bei 73 Prozent, bei Krankenhäusern mit weniger als 150 Betten bei 62 Prozent.“
Dies habe sich auch in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 nicht geändert. In dieser Zeit lag die Bettenauslastung Busse zufolge bei 64 Prozent im Durchschnitt und bei 60 Prozent in Krankenhäusern mit weniger als 300 Betten.
Ein überdurchschnittlicher Fallzahlrückgang finde dabei bei den sogenannten ambulant-sensitiven Fällen statt, bei Fällen also, die auch ambulant behandelt werden könnten, zum Beispiel bei Diabetes mellitus.
Es wird in Zukunft nicht mehr alles geben
„Das ungebremste Wachstum der Fallzahlen ist seit 2017 vorbei“, sagte auch Patrick Frey, Geschäftsführer des Rhein-Maas-Klinikums, einem in Würselen gelegenen Krankenhaus aus dem Verbund der Knappschaft Kliniken mit knapp 600 Betten.
Auch dadurch habe sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Jahr 2021 deutlich verschlechtert. Zudem seien für viele Krankenhäuser in diesem Jahr die Ausgleichszahlungen weggefallen, die sie zuvor während der Pandemie vom Bund erhalten haben.
Frey zufolge wird der Fachkräftemangel die Krankenhäuser dabei weiterhin begleiten. Dieser werde seinen Beitrag dazu leisten, dass die heutigen Strukturen in der Zukunft nicht aufrechterhalten werden könnten. „Wir müssen an der Erwartungshaltung der Menschen arbeiten“, sagte Frey. „Denn es wird in der Zukunft nicht mehr alles geben können, was es heute noch gibt. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir vermitteln müssen.“
Entscheidend sei dabei die künftige Krankenhausplanung. „Bisher hat sich die Krankenhausplanung auf den Wettbewerb der Krankenhäuser untereinander gegründet“, sagte Frey. Künftig werde die Krankenhausplanung vorgeben müssen, welche Krankenhäuser noch welche Leistungen erbringen könnten.
In Nordrhein-Westfalen wurde eine entsprechende Reform der Krankenhausplanung von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf den Weg gebracht.
Busse: Qualität geht vor Nähe
Busse zufolge ist es für die Qualität der Krankenhausversorgung von Vorteil, wenn manche Krankenhäuser bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen dürfen. „Heute erbringen viele Krankenhäuser Leistungen, ohne dafür adäquat ausgestattet zu sein“, sagte er. „In Deutschland werden Patienten mit einem Schlaganfall zum Beispiel in etwa 1.200 Krankenhäusern erstbehandelt. 473 davon haben eine Stroke Unit, 700 haben keine.“
Ähnlich sei es bei der Behandlung von Herzinfarkten. „Etwa 1.000 Krankenhäuser behandeln Patienten mit einem STEMI-Infarkt“, sagte Busse. Nur 570 von ihnen könnten eine Linksherzkatheteruntersuchung durchführen.
„Die hohe Zahl an Krankenhäusern in Deutschland verwässert die Qualität der Patientenbehandlung“, meinte Busse. „Sie entzieht dem ganzen System das Personal. Und Qualität geht vor Nähe. Es nützt einem Patienten nicht, wenn er schnell in ein Krankenhaus kommt, in dem er nicht gut versorgt wird.“
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