Politik

Reform des Rettungsdienstes: Notfallreform soll im parlamentarischen Verfahren erweitert werden

  • Mittwoch, 17. Juli 2024
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Berlin – Der Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung wurde heute vom Bundeskabinett beschlossen. Das Regelungspaket soll vor allem für eine bessere Patientensteuerung, aber auch einen Ausbau der Versor­gungsangebote sorgen und so die Notaufnahmen entlasten.

Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) würden aktuell zudem bereits Inhalte für eine Reform des Rettungs­dienstes erarbeitet – diese sollen im parlamentarischen Verfahren noch Teil der Notfallreform werden.

Die Notfallreform sei dringend notwendig und „überfällig“, sagte Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD). Derzeit sei die Notfallversorgung regional qualitativ höchst unterschiedlich aufgestellt, zudem seien viele Notfallambulanzen überfüllt. Auch die Verzahnung zwischen Praxen und Krankenhäusern funktioniere nicht. „All dies wird systematisch mit einem großen Gesetz angegangen“, so Lauterbach.

Das nun beschlossene Maßnahmenpaket umfasst die bereits bekannten Inhalte des teils scharf kritisierten Referentenentwurfs für ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz). Das Deutsche Ärzteblatt berichtete. Dies betrifft auch die Pläne, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu verpflichten, durchgän­gig eine telemedizinische sowie eine aufsuchende Versorgung bereitzustellen.

Verpflichtende Beteiligung der KVen an Integrierten Notfallzentren

Zudem sollen künftig sogenannte Akutleitstellen der KVen die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle im Bereich der Akutfallvermittlung wahrnehmen und mit den Rettungsleitstellen in einem „Gesundheits­leit­system“ vernetzt werden – inklusiver wechselseitiger digitaler Fallübergabe.

Umgesetzt werden soll auch eine verpflichtende Beteiligung der KVen und ausgewählter Krankenhäuser an Integrierten Notfallzentren (INZ). Die INZ-Standorte sollen von den Selbstverwaltungspartnern nach bundes­einheitlichen Rahmenvorgaben, wie Erreichbarkeit und Kooperationsmöglichkeiten, im erweiterten Landes­ausschuss festgelegt werden.

Zu den möglichen Bausteinen für eine Reform des Rettungsdienstes hieß es vom BMG, wesentlich sei insbe­sondere die Aufnahme des Rettungsdienstes in das Sozialgesetzbuch V (SGB V). Außerdem soll auch der Rettungs­dienst unter Nutzung der Telematikinfrastruktur (TI) digital mit den anderen Akteuren der Notfall- und Akut­versorgung vernetzt werden.

Unrealistische Personalvorgaben bringen niemanden etwas

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) forderte von der Bundesregierung Nachbesserungen bei der Reform. „Für Flächenländer wie Bayern ist wichtig, dass die Regelungen der Notfallreform den Bogen beim verfügbaren Personal nicht überspannen. Personalvorgaben, die nicht umsetzbar sind, bringen nieman­dem etwas und würden nur die ambulante Versorgung in der Fläche zusätzlich gefährden.“

Zudem schaffe die geplante Anbindung einer notdienstversorgenden Apotheke an die INZ unnötige Doppel­strukturen zum etablierten Apothekennotdienst und sollte nicht weiterverfolgt werden, so Gerlach. Die vor­gesehenen Zeiträume zur Umsetzung der einzelnen Reformvorhaben seien mit jeweils nur sechs Monaten „völlig unrealistisch und müssen verlängert werden.“

Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Haus­ärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier, erklärten, niemand im Gesundheitswesen bestreite, dass es dringend eine Reform der Notfallversorgung brauche. Die bisherige Struktur sei zum Scheitern verurteilt.

Mit dem nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf mache sich die Bundesregierung jedoch etwas vor. „Die Pläne mögen zwar gut gemeint sein, sind jedoch in dieser Form nicht umsetzbar und sollten daher im parla­mentarischen Verfahren grundlegend angepasst werden“, sagten sie.

Die Bundesregierung verspreche den Patienten Versorgungsangebote, ohne zu sagen, woher das Fachpersonal dafür kommen solle, so Buhlinger-Göpfarth und Beier. Die Hausarztpraxen könnten „jedenfalls definitiv keine Fachkräfte entbehren“.

Zudem brauche man keine neuen Parallelstrukturen – sondern „ausgewählte, gut ausgestattete und effiziente Angebote“. So könne beispielsweise eine stärkere Steuerung der Versorgung durch Hausärztinnen und Haus­ärzte die Überforderung der Notaufnahmen nachhaltig eindämmen.

Krankenkassen äußern sich positiv

Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, begrüßte hingegen den Kabinettbeschluss. Das Notfallgesetz enthalte viele richtige Ansatzpunkte, um die Versorgung zu verbess­ern. Elemente wie INZ als Anlauf- und Steuerungsstellen sowie ein Ersteinschätzungsverfahren fordere man bereits seit Längerem.

Der GKV-Spitzenverband unterstützt zudem die vorgesehenen Anpassungen beim Sicherstellungsauftrag der KVen in der notdienstlichen Akutversorgung. Allerdings warnt auch der Kassenverband, ein Ausbau der be­stehenden Strukturen müsse mit Augenmaß erfolgen und dürfe die KVen nicht vor unlösbare Personalprob­leme stellen.

Aus Sicht der Kassen sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bei der Festlegung von Struktur­vorgaben usw. eingebunden werden. „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat als Institution der Selbstverwal­tung dafür die Fachkompetenz und Erfahrung, deshalb sollte ihm diese Aufgabe übertragen werden“, betonte Stoff-Ahnis.

Anzahl von Kooperationsverträgen reduzieren

Um den drohenden bürokratischen Aufwand zu reduzieren, müssten außerdem die vorgesehenen Koopera­tions­vereinbarungen deutlich verschlankt werden. Der derzeitige Entwurf sehe hunderte solcher Verein­barungen zwischen Krankenhausträgern und KVen vor.

Hinzu käme eine ähnlich hohe Anzahl an Kooperationsverträgen mit Rettungsdiensten sowie die Einrichtung gemeinsamer Organisationsgremien. Neben enormen personellen und finanziellen Aufwänden drohe so auch eine Zersplitterung der Versorgungslandschaft.

„Die seit langem von vielen Playern des Gesundheitswesens geforderte Notfallreform wird mit dem heutigen Kabinettsbeschluss ein Stück näher rücken“, erklärte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Dringend erfolgen müsse jedoch auch eine strukturelle Reform des Rettungsdienstes, nur so könne man eine durchgängige Veränderung der Behandlungspfade in der Notfallversorgung organisieren.

Ähnlich äußerte sich die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann. Es sei sinnvoll und richtig, dass die Ampel das Problem der chronisch überlasteten Notaufnahmen in Deutschland angehen will. Die Reform dürfe aber nicht losgelöst von den weiteren Reformgesetzen betrachtet werden. Vor allem die Krankenhausreform (KHVVG) sei entscheidend, damit die Ambulantisierung auch gelingt – auch der Rettungsdienst sei im vorliegenden Entwurf noch nicht ausreichend mit bedacht.

„Die angekündigte Ergänzung, welche die Rettungsstellen reformiert und auch konzeptionell in die Reform einbindet, muss jetzt zügig folgen“, so Reimann.

aha

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