Politik

Regulierung von klinischen Prüfungen: Medizinische Ethikkommissionen fordern Nachjustierung

  • Freitag, 6. Juni 2025
/Richter-Kuhlmann
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Berlin – Drei Jahre nach der Umsetzung der europäischen Verordnung zur Durchführung klinischer Prüfungen (Clinical Trials Regulation, CTR) in deutsches Recht herrscht immer noch viel Frust bei Vertretern aus Wissenschaft, Industrie, hausärztlicher Versorgung sowie den Ethikkommissionen.

Dies wurde gestern bei der 25. Sommertagung des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK) in Berlin deutlich. Aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln heraus wurde die Politik zu Anpassungen und Nachjustierung aufgerufen.

Die Umsetzung der Verordnung sollte die Medikamentenentwicklung in Europa eigentlich schneller, sicherer und transparenter machen. Doch an vielen Stellen hakt es. „Die gute Absicht der Regulierung steht außer Frage“, sagte Georg Schmidt, Vorsitzender des AKEK. „Entscheidend ist jetzt, wie wir Bürokratie abbauen und Forschung im Interesse der Patientinnen und Patienten stärken.“

Man nehme eine Verbesserung des Medizinforschungsstandorts Deutschland ernst, sagte Lars Nickel, Leiter der Unterabteilung Arzneimittel im Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Dabei zeigte er sich zuversichtlich: Ziel des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) sei es, möglichst schon im nächsten Jahr mit einer Verbesserung der CTR ins Verfahren zu gehen, erklärte er.

Claudia Riedel, Leiterin der Fachgruppe Klinische Prüfung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), würdigte die vielfältigen Kooperationen der Ethikkommissionen mit den Bundesoberbehörden. Man habe einen guten Austausch. „Wir versuchen uns zu harmonisieren und haben Leitfäden erstellt“, sagte sie. Gemeinsames Ziel sei es, die Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland noch weiter zu steigern.

„Die Grundidee von CTR ist tatsächlich gut“, bestätigte Thorsten Ruppert vom Verband der forschenden Pharma- Unternehmen (vfa). Die CTR habe aber aus seiner Sicht bislang ihr Ziel nicht erreicht. „Im Gegenteil: die Zahlen zeigen einen negativen Trend für die gesamte Europäische Union – und CTR ist der Grund dafür“, so Ruppert. Die EU verliere im internationalen Wettbewerb, sowohl die Zahl der klinischen Studien sinke als auch die Zahl der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten.

Durch die Umsetzung der Verordnung sei in Deutschland viel Erfahrung und Expertise verloren gegangen, beklagte Jan Paus, Leiter der Geschäftsstelle der Ethikkommission Westfalen-Lippe. 14 Ethikkommissionen seien nun nicht mehr registriert und in das Verfahren integriert. „Wir hatten in den letzten Jahren einen hohen administrativen Aufwand, und zwar bis an die Grenze der strukturellen Belastbarkeit“, sagte er. Sein Fazit: „CTR hat die klinischen Prüfungen nicht neu erfunden.“

Die Abkehr von der nationalen Gesetzgebung wäre auch in der akademischen Forschung eine „wahnsinnige Umstellung“ gewesen, sagte Andrea Seidel-Glätzer vom Koordinierungszentrum Klinische Studien (KKS) in Heidelberg.

Derzeit sei ein langer Vorlauf bei klinischen Studien nötig. Aufgrund der verschiedenen Anforderungen, Updates und des Schulungsbedarfs habe sich der Zeitaufwand deutlich erhöht, erklärte sie. Möglicherweise seien aber auch die im Vorfeld hohen und positiven Erwartungen ein Grund für die Enttäuschung bezüglich CTR nach drei Jahren, räumte Seidel-Glätzer ein.

Von einem Mehraufwand für die hausärztlichen Praxen berichtete auch Ildiko Gagyor von der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze. So seien die zusätzlichen Schulungen eine große Belastung für die forschenden Hausärztinnen und Hausärzte sowie die Teams. Der Aufwand müsse zumutbar bleiben, forderte die Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin in Würzburg.

Als Arbeitskreis der Ethikkommissionen in Deutschland habe man in den vergangenen drei Jahren einiges gelernt und unternommen, so Paus. Beispielsweise sei es dem AKEK jetzt gemeinsam mit der Bundesärztekammer gelungen, die Bewertung von Prüfern und Prüfstellen zu zentralisieren. Ab Juli solle es die erste bundesweit geltende Richtlinie geben, mit der die Standards geschärft würden, stellte er in Aussicht.

Immer noch viele Probleme mit CTIS

Besonders kritisch wurde auf der AKEK-Sommertagung die IT-Plattform CTIS bewertet. Das europäische „Clinical Trials Information System“ der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), über das alle Anträge auf die Durchführung klinischer Arzneimittelstudien eingereicht werden müssen, sei nach wie vor unstrukturiert, benutzerunfreundlich und fehleranfällig, beklagten gestern viele Akteure.

„Die Grundprogrammierung ist komplett veraltet“, sagte Ruppert vom vfa. Alle hätten damit einen erhöhten Aufwand. Es gäbe lange Ladezeiten und Systemabstürze. „Bei den Nutzenden herrscht ein hoher Frustrationsgrad“, so der Manager. Für die Industrie könne er definitiv sagen, dass sich der Aufwand erhöht habe, so Ruppert. Sowohl EU-Kommission als auch die EMA seien in der Pflicht, die Missstände zu beheben.

Dies bestätigte auch Maria Vehreschild vom Universitätsklinikum Frankfurt: einiges sei technisch aktuell nicht umsetzbar. CTIS und CTR hemmten derzeit trotz einiger Vorteile die akademische Forschung, so das Fazit der Ärztin und Wissenschaftlerin.

Trotzdem muss die Plattform genutzt werden, denn die EU-Verordnung 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln, die seit dem 31. Januar 2022 in Kraft ist, verpflichtet zur Einreichung von Arzneimittelstudien über das CTIS-System. Seit Februar 2023 müssen alle universitären oder pharmazeutischen Antragsteller ihre Anträge zu Arzneimittelstudien über das CTIS-System einreichen.

Man nehme die gemeldeten Probleme mit CTR und CTIS ernst, sagte Stefanie Prilla angesichts des Unmuts der Teilnehmenden der AKEK-Sommertagung. Leider sei es jedoch nicht immer möglich, sie alle zu lösen, denn es müsse immer ein Kompromiss unter 27 Ländern gefunden werden. „Eine absolute Harmonisierung ist kaum zu erreichen“, sagte sie. Wenn jedoch gehäuft Probleme gemeldet würden, müsse und werde man nachjustieren, versprach sie.

„Die Umsetzung der CTR hat weiterhin höchste Priorität“, so Prilla. Allerdings seien in den vergangenen drei Jahren über CTIS schon 11.000 klinische Studien eingereicht und mehr als 8.800 klinische Studien zugelassen worden. „Das hat das neue System immerhin schon gestemmt.“

Nichtsdestotrotz arbeite die EMA weiter kontinuierlich an der Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit von CTIS, so Prilla. Diesbezüglich würden sie auch die meisten Klagen erreichen, und zwar europaweit und nicht nur aus Deutschland. Der CTIS-Arbeitsplan konzentriere sich deshalb mit Hochdruck auf die Umsetzung von Verbesserungen in den wichtigsten Funktionsbereichen des Systems sowie auf die Minimierung von technischen Risiken.  

ER

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