Politik

Risiken aus Corona-Maskenbeschaffung im Haushalt unterveranschlagt

  • Mittwoch, 4. September 2024
/picture alliance, Martin Schutt
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Berlin – Um die Beschaffung von Schutzmasken während der Coronapandemie wird derzeit weiter vor Gericht gestritten. Auf den Bund könnten dadurch weitere immense Kosten zukommen, untermauert nun ein Bericht des Bundesrech­nungs­hofs (BRH), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Im Haushaltsplan des Bundesminis­terium für Gesundheit (BMG) für 2025 sind die Kosten dafür vollkommen unterveran­schlagt.

Die größten Risiken drohen nach Angaben der Rechnungsprüfer, die den Einzelplan 15 für das kommende Jahr unter die Lupe genommen haben, bei den Rechtsstreitigkeiten um Maskenlieferungen aus dem soge­nann­ten Open-House-Verfahren.

In diesem Verfahren, das nur einer von mehreren Beschaffungswegen des BMG gewesen ist, waren von dem damaligen Bundes­gesund­heitsminister Jens Spahn (CDU) Festpreise für Schutzmasken ausgelobt worden. Für eine FFP2-Maske gab es 4,50 Euro und für eine OP-Maske 60 Cent.

Bei der Ausschreibung machten dann aber deutlich mehr Unternehmen mit als vom Ministerium ange­nommen worden war. Das BMG nahm am Ende nicht alle Lieferungen an und begründete dies mit Verspä­tungen oder fehlerhafter Ware. Die Folge waren Rechtsstreitigkeiten mit Lieferanten.

Zuletzt hat das Ministerium ein Verfahren vor dem Oberlandesgerichts Köln (OLG) verloren. Es muss rund 86 Millionen Euro plus Zinsen an das Unternehmen bezahlen. Der Streit läuft aber noch, das BMG will den Fall letztinstanzlich beim Bundesgerichtshof (BGH) überprüfen lassen.

Aktuell sind nach Angaben des BRH noch rund 100 Klagen anhängig mit einem Gesamtstreitwert von 2,3 Milliarden Euro. Nicht eingeschlossen sind Verfahrenskosten wie Anwaltskosten und gegebenenfalls Zinsen – in beträchtlicher Höhe. Geschätzt wird Medienberichten zufolge, dass sich die Summe insgesamt auf 3,5 Milliarden Euro belaufen könnte.

Alleine für das kommende Jahr geht das Ministerium dem Report nach von Abwicklungsrisiken in Höhe von bis zu 120 Millionen Euro aus Verträgen zur Direktbeschaffung von Schutzmasken und 360 Millio­nen Euro aus Rechts­streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Open-House-Verfahren aus.

Der BRH weist in seinem Report auf „eine „massi­ve Überbeschaffung“ hin. Er hatte bereits im März in einem Bericht die Beschaffung von Schutz­masken scharf kritisiert.

Für die Jahre 2024 und 2025 rechnet das BMG dem aktuellen Report zufolge erneut mit Fol­ge­kosten für die Ver­waltung der Überbeschaffung („Annexkosten“) für Lager, Logistik, Vernichtung überzähliger Masken und externe Beratung von jeweils 50 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2023 beliefen sich die Kosten auf etwa 460 Millionen Euro, wie der BRH schreibt.

Tatsächlich veranschlagt sind die Abwicklungs­risiken und die Annexkosten im Haushaltsplan für das kommende Jahr nicht. Im Kapitel 1503 sind ledig­lich 60 Millionen Euro unter dem Titel 684 03 „Zu­schüsse zur Bekämpfung des Ausbruchs des neuen Corona­virus“ eingestellt. Der Titel ist damit deutlich unterveranschlagt.

Das dürfte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Dem BRH zufolge müssen sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutz­ausrüstung aus den Ausgaberesten geleistet werden. Diese werden im Etat des BMG im selben Titel mit 1,6 Milliarden Euro beziffert. Bei einem Übertrag ins nächste Jahr muss davon noch eine pauschale Abgabe in Höhe von 15 Prozent ans Bundesfinanzminis­terium geleistet werden.

Die Rechnungsprüfer schreiben dazu, die Ausgabereste könnten gegebenen­falls „ganz oder teilweise im Haushalts­jahr 2025“ genutzt werden. Grundsätzlich dürften Ausgaben allerdings nur zwei Jahre übertragen wer­den. Soweit letztlich Mittel aus dem Haushaltsansatz für das Jahr 2022 auch im Jahr 2025 noch in Anspruch genom­men werden sollten, bedürfe es einer Ausnahmeregelung des Bundes­finanzministeriums (BMF).

Dieses darf aber nur dann eine Genehmigung erteilen, wenn die Mittel gleichzeitig im aktuellen Haus­halt mit frischem Geld eingespart werden. Das bedeutet, das BMG müsste für 2025 mindestens 480 Millionen Euro im eigenen Haus einsparen. Wäre das nicht möglich, müsste das Geld an anderer Stelle aus frischen Haushalts­mitteln anderer Ressorts kommen.

Der BRH schreibt dazu: „Alle auf diese Weise eingesetzten Mittel sind darüber hinaus im Gesamthaushalt des Bundes einzusparen. Das heißt, in gleicher Höhe dürften parlamentarisch für andere Zwecke bewilligte Aus­gaben im Jahr 2025 nicht ge­leistet werden. Damit drohen aus der Beschaffungstätigkeit des BMG aus dem Jahr 2020 weiterhin hohe Risi­ken, neben den ohnehin fortlaufenden Annexkosten.“

„Allein im kommenden Jahr müssen wir für Jens Spahns Masken-Irrsinn eine halbe Milliarde und mehr Steuer­geld ausgeben“, sagte Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesund­­heitsetat der Grünen Bundestagsfraktion, dem Deutschen Ärzteblatt. Der Masken-Irrsinn sei nicht der Krise ge­schuldet gewesen. Es sei „ohne Plan und ohne irgendeine Absicherung Geld aus dem Fenster geworfen“ worden.

Sie betonte, gleichzeitig seien Belege aus Unfähigkeit oder sogar mutwillig nicht ordentlich dokumentiert wor­den. „Die dadurch entstandenen Kosten nehmen kein Ende, wir werden noch viele Jahre Spahns Fehler teuer bezahlen müssen.“

Die Rechnungsprüfer betonen in dem Bericht auch, dass das Open-House-Verfahren letztlich nur den kleine­ren Teil der Schutzmaskenbeschaffung ausgemacht hat. Der größte Anteil der Warenmengen und Ausgaben bei der Importbeschaffung seien aus der Direktbeschaffung und den anderen vom BMG gesteuerten Beschaffungs­wegen erfolgt.

Der BRH mahnt daher in dem Bericht an, bei der Aufarbeitung der Maskenbeschaffung nicht alleine die Open-House-Verfahren zu überprüfen, sondern „umfassend das Vorgehen auf allen Beschaffungswegen und die späte­re Verwaltung der Überbeschaffung miteinzubeziehen“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Juli angekündigt, die teuren Maskenkäufe zu Beginn der Coro­na­krise aufklären. Eingesetzt wurde die ehemalige Staatssekretärin im Justiz- und im Verteidigungsministerium, Mar­garetha Sudhof (SPD). Sie soll innerhalb weniger Monate einen Bericht vorlegen, hieß es damals.

may

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