Politik

RKI: Trotz Erfolgen bei Pandemieeindämmung Vorsicht nötig

  • Freitag, 21. Mai 2021
/picture alliance, Christoph Soeder
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Berlin – Trotz sinkender Werte sind die Pandemiefallzahlen in Deutschland nach Einschätzung des Ro­bert-Koch-Instituts (RKI) weiterhin zu hoch. „Die Gefahr ist noch nicht gebannt“, sagte Präsident Lothar Wieler heute. Das gelte auch für die Pfingstfeiertage mit ersten Öffnungsschritten. „Wir dürfen nicht zu­lassen, dass das Virus wieder Oberhand gewinnt, weil wir auf einmal zu viel wollen“, sagte Wieler.

Die bisherigen Erfolge bei der Eindämmung seien aber unübersehbar: Die Inzidenzen in allen Bundes­län­dern und Altersgruppen gingen zurück. „Glücklicherweise im Moment deutlich auch bei den Jünge­ren“, sagte Wieler. Es würden weniger Ausbrüche in Schulen und Kitas gemeldet. Diese seien insgesamt auch kleiner. Es gebe auch einen Rückgang der Patientenzahlen in Kliniken.

Doch immer noch gebe es auch rund 1.300 Coronatote pro Woche. „Das ist immer noch eine schrecklich hohe Zahl“, sagte Wieler. Insgesamt hätten bisher rund 87.000 Menschen in Deutschland durch die Pan­demie ihr Leben verloren.

Inzidenzen und Sterblichkeit seien seit Mitte der zweiten Welle in Regionen, die besonders benachteiligt seien, am höchsten. Mögliche Gründe seien Armut, Vorerkrankungen, Lebensverhältnisse wie Wohn­dich­te, aber auch Arbeitsbedingungen wie prekäre Beschäftigungen.

Positiv wertete Wieler, dass die Impfbereitschaft mit 73 Prozent der vom RKI Befragten sehr hoch sei. Weitere zehn Prozent würden sich eher als nicht impfen lassen. „Das ist sinnvoll, wirksam und verant­wortungsvoll“, sagte Wieler.

12,5 Prozent der Bundesbürger seien vollständig geimpft. Es müssten aber 80 Prozent werden, die ent­weder geimpft seien oder die Infektion durchgemacht hätten. „Dann kriegen wir dieses Virus unter Kon­trolle.“ Es gelte, den Sommer gemeinsam dafür zu nutzen, um die Virusausbreitung zu unterdrücken. „Damit wir gut durch Herbst und Winter kommen.“

Maskentragen bleibt wichtig

Dazu blieben alle Maßnahmen vom Maskentragen über Tests bis hin zum Impfen wichtig. „Diese Pande­mie ist wie ein prall gefüllter Luftballon, den wir gemeinsam unter der Wasseroberfläche halten müssen“, sagte Wieler. Mittlerweile habe dieser Ballon nicht mehr ganz so viel Luft. „Aber wenn wir ihn jetzt los­lassen, springt er immer noch unkontrolliert über die Wasseroberfläche.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb für behutsame Öffnungsschritte und einen weiterhin wichtigen Schutz mit Abstand und Masken. „Unsere Ungeduld darf am Ende nicht zu Übermut führen“, sagte der CDU-Politiker.

Er habe den Eindruck, „dass im Moment wochenweise in einigen Ländern Lockerungen gemacht werden“. Zwischen Bund und Ländern sei aber vereinbart, vor möglichen nächsten Schritten zunächst zwei, drei Wochen zu warten und zu sehen, welche Folgen dies auf das Infektionsgeschehen habe.

Vorsicht gelte etwa auch für den Einzelhandel, machte Spahn deutlich. Drei Kunden in einem Schuh- oder Bekleidungsgeschäft seien okay. Etwa in großen Elektromärkten stünden am Handy-Stand aber oft 30 Leute in einer Traube. Dies seien Situationen, die wiederkämen, „die wir aber doch in der jetzigen Phase noch vermeiden können, ohne dass es wirklich eine Belastung fürs Leben ist“.

Mit Blick auf Schutzmasken sagte Spahn, im Vergleich zu anderem sei dies zwar eine nervige, aber doch auch händelbare Maßnahme, die für die allermeisten mittlerweile in den Alltag übergegangen sei. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts sagte, es gebe immer mehr Belege wie wirksam Masken auch in Alltagssituationen seien. Wenn jetzt gelockert würde, müsste der „Basisschutz“ mit Abstand, Hygiene und Masken von allen möglichst beibehalten werden.

Spahn (CDU) rief die Menschen in Deutschland auch dazu auf, sich trotz sinkender Coronazahlen an Pfingsten weiter vor Ansteckungen zu schützen. „Genießen Sie die Feiertage, genießen wir gemeinsam die Feiertage, aber bleiben wir dabei vorsichtig“, sagte Spahn heute in Berlin. Es gelte, sich vor allem draußen zu treffen und sich regelmäßig testen zu lassen. Wenn die Infektions­zah­len weiter herunter- und die Impfzahlen hochgingen, „dann haben wir Aussicht auf einen guten Sommer“.

Fortschritte beim Impfen

Spahn wies zudem auf größere Fortschritte der Impfkampagne als von der Regierung angekündigt hin. Er mahn­te zu Geduld, nachdem Ärztefunktionäre berichtet hatten, dass viele Patienten bei der oft kurzfristigen Terminvergabe ungeduldig reagierten.

Spahn erläuterte, derzeit gebe es rund eine Million Impfungen jeden Tag. An Weihnachten seien null Prozent aller Deutschen mindestens einmal geimpft gewesen. An Ostern seien es zwölf Prozent ge­we­sen. „Zu Pfingsten werden es 40 Prozent sein, und zum Start in das Sommerquartal werden aus heutiger Sicht mindestens 50 Prozent einmal geimpft sein.“

Rechne man ein, dass nicht alle Erwachsenen als impfwillig gelten und für Minderjährige unter 16 noch kein Impfstoff zugelassen sei, dann ergebe sich, dass nun zwei Drittel aller Impfwilligen und Impfbaren eine erste Impfung bekommen haben. „Wunder sind nicht zu erwarten“, sagte Spahn. Aber die Entwick­lung zeige eine deutliche Dynamik.

„Dass wir nach jetzigem Stand noch deutlich vor Ende des Sommers, noch vor Ende September jedem in Deutschland, der will, ein Impfangebot werden gemacht haben können, das jedenfalls hätte vor zwei Monaten noch kaum jemand erwartet“, betonte Spahn.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies für Ende des Sommers angekündigt. Bei allem Ärger über das Warten auf einen Termin könne man sich vor Augen halten: „Es geht jetzt um Wochen, nicht um Monate.“

Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem RKI heute unterdessen binnen eines Tages 8.769 Coro­naneuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen von heute morgen hervor, die den Stand des RKI-Dash­boards von 5.08 Uhr wiedergeben. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 11.336 gele­gen. Die 7-Tage-Inzidenz gab das RKI am Freitagmorgen mit bundesweit 67,3 an (Vortag: 68,0; Vorwoche: 96,5).

Allerdings könnte die Inzidenz ein besseres Bild der Infektionslage zeichnen, als sie tatsächlich ist. Denn aufgrund von Feier- und Brückentagen wie in der vergangenen Woche suchen dem RKI zufolge weniger Personen einen Arzt auf, wodurch weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durch­geführt werden. Dies führt dazu, dass weniger Erregernachweise an die Gesundheitsämter gemeldet werden.

Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden 226 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 190 Tote gewesen. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie insgesamt 3.635 162 nachgewiesene Infektionen mit SARS-CoV-2.

Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt wer­den. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 3.374.600 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit SARS-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 87.128 angegeben.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von Donnerstagabend bei 0,82 (Vortag: 0,76). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 82 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.

dpa

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