Politik

Ruf nach kurzem und konsequenten Lockdown wird lauter

  • Mittwoch, 7. April 2021
/picture alliance, Rupert Oberhäuser
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Berlin – Der Ruf nach einem kurzen, konsequenten und bundesweit einheitlichen Lockdown zum Bre­chen der dritten Coronawelle wird lauter. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet einen solchen Schritt, wie Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer heute in Berlin deutlich machte.

Ein Vorziehen der für den kommenden Montag geplanten nächsten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) wird jedoch immer unwahrscheinlicher. „Für eine vorgezogene MPK gibt es erkennbar keine Mehrheit“, sagte Demmer. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ging nach einer Sitzung seines Kabinetts davon aus, dass die Bund-Länder-Runde nicht vorgezogen wird.

Auf die Frage, wie die Kanzlerin den Vorstoß des CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet für einen Brückenlockdown findet, antwortete die stellvertretende Regierungssprecherin, es ge­be im Moment bei den Coronaneuinfektionen keine gute Datenbasis. Die Zahl der belegten Intensiv­bett­en spreche aber eine sehr deutliche Sprache. „Deswegen ist auch jede Forderung nach einem kurzen einheitlichen Lockdown richtig.“

FDP-Chef Christian Lindner reagierte darauf mit scharfer Kritik: „Wieder soll auch nach der Bundes­kanz­lerin nur ein pauschaler Lockdown die Antwort auf die Pandemie sein. Das CDU-geführte Kanzler­amt hat keine innovativere Alternative entwickelt“, sagte Lindner in Berlin und warnte: „Die sozialen Folgen sind immens. Die Grundrechtseingriffe sind immer weniger verhältnismäßig.“

Söder sagte in München, derzeit sehe es leider nicht nach der Einheitlichkeit aus, die für den härteren Kurs in der Pandemie notwendig sei. „Ich halte die Idee für sinnvoll“, betonte der CSU-Chef, aber im Mo­ment gebe es dafür von den SPD-Ländern keine und auch unter den CDU-Ländern keine „große Unter­stützung“. Ein „genereller Lockdown“ könne aber nur einheitlich von Bund und Ländern beschlos­sen werden, ansonsten drohe ein erneuter Flickenteppich.

Über Ostern hatten die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut (RKI) weniger Coronaneuinfektionen gemeldet als in den Wochen zuvor. Allerdings geht das RKI davon aus, dass an den Feiertagen weniger Menschen zum Arzt gehen, Praxen teils geschlossen sind und die Gesundheitsämter Daten unter Um­stän­den verspätet melden.

Heute meldete das RKI 9.677 Coronaneuinfektionen binnen eines Tages. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 298 neue Todesfälle verzeichnet. Laut RKI wird derzeit aufgrund von Urlauben und geschlos­senen Praxen möglicherweise etwas weniger getestet als vor den Ferien.

Laschet verteidigte seinen Vorschlag für einen Brückenlockdown und forderte Kritiker wie Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die SPD-Ministerpräsidenten auf, ihre eigenen Ideen zur Bekämpfung der Corona­pandemie vorzulegen. Der CDU-Vorsitzende forderte innovative Ideen wie temporäre Drive-In-Zentren zur Beschleunigung der Impfungen. Bis das Impfen mehr Fahrt aufnehme, gelte es, „in den letzten Wochen der Pandemie“ so viele Leben wie möglich zu schützen. „Alle sollten sich jetzt noch einmal schnell, hart und klar zusammenraufen“, sagte Laschet.

Heute wollte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit seinen Länderkollegen auch über die Zweit­impfungen für junge Leute beraten, die mit dem Wirkstoff von Astrazeneca geimpft wurden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hatte empfohlen, Menschen unter 60 Jahre sollten bei der zweiten Impfung einen anderen Wirkstoff bekommen.

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA empfahl hingegen heute trotz sehr seltener Fälle von Hirnthrombosen uneingeschränkt die Anwendung dieses Impfstoffes. Dessen Nutzen sei höher zu bewerten als die Risi­ken, erklärte die EMA in Amsterdam. Die britische Impfkommission änderte dagegen ihre Empfehlung: Das Präparat soll künftig möglichst nur noch über 30-Jährigen verabreicht werden.

Unklarheit herrscht kurz vor dem Ende der Osterferien vielerorts auch in den Schulen. Für einen Präsenz­unterricht müssten strenge Vorgaben gelten, forderte der Deutsche Lehrerverband. Kommunen, Gesund­heitsämter und Schulträger sollten am besten selbst entscheiden, ob sie den Fernunterricht beenden oder nicht.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hatte an Ostern flächendeckende Tests für Schüler an allen Schulen und notfalls eine Testpflicht gefordert. Allerdings wurde heute bekannt, dass sich die Auslieferung der Coronaselbsttests an die Schulen in NRW verzögert.

Die Kultusminister der Länder wollen morgen über das weitere Vorgehen beraten. In 9 der 16 Bundes­länder gehen am Sonntag die Osterferien zu Ende. In einigen Ländern ist schon wieder Unterricht, Ham­burg hatte keine Osterferien, und in Hessen und Schleswig-Holstein dauern sie noch bis Ende kommen­der Woche.

Kinder- und Jugendärzte plädieren dafür, Schulen und Kindergärten so lange wie möglich offen zu hal­ten. „Schulschließungen sollten wirklich die letzte Option sein“, sagte die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Ingeborg Krägeloh-Mann.

dpa

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