STIKO-Chef und Laborärzte bei Auffrischimpfungen gegen SARS-CoV-2 zurückhaltend

Berlin – Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Thomas Mertens, hat sich zurückhaltend zu dem Vorhaben der Regierung geäußert, im September mit Auffrischimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zu beginnen. Gestützt wird er vom Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL).
„Hier handelt es sich um eine politische Vorsorgemaßnahme ohne ausreichende medizinische Evidenz“, sagte Mertens der Welt. Allerdings gebe es auch keine Hinweise darauf, dass eine solche Drittimpfung schädlich sein könnte. „Der Aktionismus der Politik verunsichert die Menschen“, kritisierte Mertens dennoch.
Es gebe aus seiner Sicht bei den Auffrischimpfungen keinen Zeitdruck. „Da kommt es nicht auf eine oder zwei Wochen früher oder später an“, sagte der STIKO-Vorsitzende. Es sei ja nicht so, dass irgendeine Gruppe von Geimpften von einem Tag auf den anderen den Schutz verliere. Vielmehr erfolge dies allenfalls sehr langsam und schleichend.
Mertens wies auch darauf hin, dass es bislang kaum wissenschaftliche Daten zu möglichen Nebenwirkungen von Drittimpfungen gebe. Allerdings gebe es auch keine immunologischen Überlegungen, die das erwarten lassen.
„Es fehlt eine große Studie, aus der tatsächlich hervorgeht, dass die Drittimpfung bei den betroffenen Personen keine Nebenwirkungen hat“, sagte Mertens. Dies sei ähnlich wie bei Impfungen für Kinder und für Schwangere. Auch bei diesen Bevölkerungsgruppen zögert die STIKO bislang jeweils mit einer Impfempfehlung – zum Ärger der Regierenden im Bund und in den Ländern.
Im Fall der Altersgruppe der Zwölf- bis 17-Jährigen hatten die Gesundheitsminister sich schließlich ohne STIKO-Empfehlung für eine Impfkampagne ausgesprochen, die inzwischen auch angelaufen ist. Sie stützen sich dabei auf die Freigabe der Impfungen für diese Altersgruppe durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA).
Nach Ansicht der BDL liefern die Ergebnisse von Antikörperbestimmungen aus Facharztlabore keine Argumente für pauschale COVID-19-Auffrischungsimpfungen. Medizinisch, ethisch und wirtschaftlich sei es sinnvoller, in Zweifelsfällen zunächst den Antikörperstatus individuell zu bestimmen, um dann über eine weitere Impfung zu entscheiden, hieß es heute.
„Die Zahl derjenigen, die auf eigene Kosten in den medizinischen Laboren ihre Antikörper auf das Coronavirus bestimmen lassen, nimmt stetig zu“, sagte der BDL-Vorsitzende Andreas Bobrowski. In den meisten Fällen zeigten diese Antikörpertests, dass Geimpfte nicht nur gut auf die Impfung ansprächen, sondern auch mit wachsenden Zeitabständen zur zweiten Impfung hohe Antikörpertiter aufwiesen.
Das gelte für Pflegebedürftige, darunter auch junge Menschen mit Behinderung, wie auch für ältere Menschen. Ebenso auch für Hochbetagte, die keine Hilfeleistungen benötigen. Auch die Pläne der Gesundheitsministerkonferenz, allen vollständig mit einem Vektorimpfstoff Geimpften eine Drittimpfung mit einem mRNA-Impfstoff anzubieten, sei mit den Erkenntnissen der Labormediziner nicht begründbar, so der BDL.
Vor dem Hintergrund, dass in weiten Teilen der Welt bisher kaum geimpft werden könne und auch aus wirtschaftlichen Erwägungen sei es sinnvoller, die SARS-CoV-2-Antikörperbestimmung zur Kassenleistung zu machen. Dann könne man in Zweifelsfällen vor einer eventuellen dritten Impfung die Wirkung der vorangegangenen Immunisierungen bewerten, hieß es.
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