TMF für Aufbau einer dezentral-föderierten Forschungsdateninfrastruktur

Berlin – Eine „dezentrale Forschungsdateninfrastruktur“, wie sie im Koalitionsvertrag avisiert wird, scheine gerade im Gesundheitsbereich folgerichtig. Das sagte Sebastian Semler, Geschäftsführer der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF), vorgestern im Rahmen eines Symposiums.
Allerdings brauche es föderierte Elemente, um eine dezentrale Datenerfassung und Datenhaltung praktisch nutzbar zu machen. Aus Sicht der TMF sollte die Entwicklung deshalb in Richtung einer dezentral-föderierten Forschungsdateninfrastruktur gehen.
Mit entsprechenden Modellen könne es gelingen, Datenfreigabeprozesse zu vereinfachen und Datenverknüpfungen für die medizinische Forschung zu ermöglichen, so Semler. Über diese föderierten Strukturen müsse man sich in Deutschland noch verständigen.
Orientieren könne man sich dabei an ähnlichen Architekturen im europäischen und internationalen Ausland, so der Tenor des Podiums. Semler bezeichnete in diesem Zusammenhang die „vertiefte Analyse“ von internationalen Beispielen als sinnvoll.
Auch Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR), verwies auf funktionierende Beispiele der umfassenden Datennutzung für die Gesundheitsforschung. Hier müsse Deutschland im doppelten Sinne anschlussfähig werden: Zu beachten sei nicht nur die bessere Vernetzung im eigenen Gesundheitssystem, sondern auch die Anbindung an einen kommenden EU-Datenraum.
Die Methodik, der Forschung veraltete Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über ein Forschungsdatenzentrum zur Verfügung zu stellen, trage jedenfalls nicht, so Gerlach. Benötigt würde ein vollständiges und repräsentatives „Datenkontinuum“ – möglichst in Echtzeit.
Grundsätzlich solle eine stärkere Konzentration auf die technische Datensicherheit erfolgen und dies mit schärferen Sanktionen bei Datenmissbrauch koppeln. Das Prinzip der Datensparsamkeit stelle sich für ihn angesichts der sich durch Gesundheitsforschung bietenden Chancen als veraltet dar, betonte Gerlach.
Schon seien aber die Möglichkeiten zur Datennutzung umfassender als oft im Alltag erfahrbar. Insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union habe ein „Anwendungs- und Auslegungsproblem“.
Angesichts der derzeit oft regional unterschiedlichen Auslegung der DSGVO müsse es für Forschende dringend mehr Rechtssicherheit geben, sagte Jonas Schreyögg, Leiter des Hamburg Center for Health Economics an der Universität Hamburg. Das von der Ampelkoalition im Koalitionsvertrag angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz sei deshalb ausdrücklich zu begrüßen.
Auf dem Weg zu einer gesetzlich verankerten Datenfreigabe an die Forschung müsse für deren breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit geworben und der Nutzen der Datennutzung klar kommuniziert werden, betonte Michael Krawczak, Vorstandsvorsitzender der TMF. Es gelte, die Akzeptanz für eine stärkere Datennutzung über den praktisch erlebbaren Nutzen zu erzielen.
Der wissenschaftliche Beirat des Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) und weitere Unterzeichner plädierten in einem Brief an die Politik, Grundlagen für eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten zu schaffen.
Bislang bleibe die Nutzung der Daten für die Forschung bislang auf der Strecke. So sei die Beobachtung von Impfeffekten und die Überwachung der Coronaimpfstoffe in Deutschland derzeit quasi nicht möglich. Dies gelte ebenso für eine sinnvolle Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA).
Das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz müsse sicherstellen, dass Gesundheitsdaten besser als bisher zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger verwendet werden können. Es solle zudem in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) und auf der Grundlage des Gutachtens „Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems“ des SVR entwickelt werden.
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