Politik

Umstrittene Pflegekammer in Niedersachsen wird aufgelöst

  • Montag, 7. September 2020
Carola Reimann (SPD). /picture alliance, Hauke-Christian Dittrich
Carola Reimann (SPD). /picture alliance, Hauke-Christian Dittrich

Hannover – Die umstrittene Pflegekammer in Niedersachsen wird aufgelöst. Das hat Nie­dersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) heute nach Vorlage des Ergebnisses einer Online-Befragung in Hannover mitgeteilt.

Dabei stimmen 70,6 Prozent der teilnehmenden Pflegekräfte gegen den Fortbestand der Kammer und 22,6 Prozent dafür. Die übrigen Teilnehmer enthielten sich. „Das Ergeb­nis ist eindeutig“, sagte Reimann. „Wir werden diesen deutlichen Zahlen nun unverzüglich die Auflösung der Pflegekammer folgen lassen.“ Ein entsprechendes Gesetz werde vorberei­tet.

Aus den Pflegeverbänden kamen enttäuschte Stimmen. „Wie sollen Pflegende die Wir­kung ihrer Berufsvertretung beurteilen, wenn diese noch gar keine Chance hatte, sie zu entfalten“, kritisierte Martin Dichter, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe Nordwest (DBfK Nordwest).

„Das ist nicht das Ergebnis einer Vollbefragung, sondern das Votum einer Minderheit der Pflegefachpersonen in Niedersachsen“, mahnte Dichter. Falls Reimann daraus die Legiti­ma­tion ableitet, die Kammer aufzulösen, halte man das „für einen Skandal“. Die Politik habe die Pflegekammer weder im Heilberufegesetz Niedersachsen verankert, noch eine klare Kompetenzzuschreibung und eine Anschubfinanzierung gewährleistet.

„Ich wünsche mir, dass die Pflegekräfte weiter zu Wort kommen und sich Gehör verschaff­en“, sagte Reimann. Verstärkt seien die Gewerkschaften nun gefragt.

Volker Meyer, sozial­politischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, betonte, die CDU habe schon immer vor Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen gewarnt. Die Landes­regierung müsse jetzt prüfen, wie die Abwicklung der Kammer erfolgen kann und in wel­chem Zeitraum dies passieren muss.

Den Pflegenden stehe es frei, sich selbständig zu organisieren und sich eine freiwillige Vertretung zu schaffen. Dies werde die CDU-Fraktion politisch gerne begleiten.

„Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie beruht auf einem gesetzlichen Auftrag, den der Landtag des Landes Niedersachsen erteilt hat“, betonte Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen. Dieser könne nicht einfach auf der Basis eines Minderheitenvotums revidiert werden. Dies sei „rechtlich mehr als fragwürdig“.

Selbst bei einem Volksentscheid, bei dem die Wahlberechtigten dem Landtag einen ge­setz­lichen Auftrag erteilen können, bedürfe es eines Quorums von 25 Prozent Zustimm­ung aller Wahlberechtigten.

Hiervon seien die Ergebnisse der Online-Umfrage weit entfernt. Nur 13,7 Prozent der Pflegekräfte hätten sich gegen den Fortbestand der Pflegekammer ausgesprochen. Eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer aufgrund dieser Ergebnisse entbehre jeder Grund­lage.

Die Kammer als Interessenvertretung der Pflegebeschäftigten wurde 2017 ins Leben gerufen. Ärger gab es, weil alle Pflegekräfte auch gegen ihren Willen Pflichtmitglieder in der Kammer werden und einen Mitgliedsbeitrag zahlen sollten.

Ende vergangenen Jahres entschied das Land dann, die Kosten zu tragen und keine Bei­träge mehr von den Beschäftigten zu erheben. Dadurch sahen sich Teile der Kammer in einer unerwünschten Abhängigkeit von der Landespolitik.

Im Zuge der Abwicklung der Kammer sollen nun auch die 2018 und 2019 geleisteten Mitgliedsbeiträge zurückgezahlt werden. „Dies soll so schnell wie möglich passieren“, teilte Reimann mit.

Klaren Rückhalt für die Pflegekammer gab es im Parlament zuletzt nur noch von der SPD und den Grünen, die die Vertretung während der rot-grünen Vorgängerregierung ins Leben gerufen hatten.

dpa

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