Verbände einhellig gegen vertrauliche Erstattungsbeträge und Bundesethikkommission

Berlin – Mit vertraulichen Erstattungspreisen und der Einrichtung einer Bundesethikkommission erhalten zwei der zentralen Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) im Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz (MFG) weiter großen Widerstand. Kurz vor der Anhörung zum Entwurf im Bundesgesundheitsausschuss zeichnet sich ein eindeutiges Stimmungsbild unter den Verbänden und Sachverständigen ab.
So trifft der Plan, pharmazeutischen Unternehmen bei der Einführung neuer Arzneimittel die Option vertraulicher Erstattungspreise zu gewähren, auf beinahe einstimmige Ablehnung. Einzig der Verband der forschenden Arzneimittelunternehmen (vfa) spricht sich ohne Einschränkungen dafür aus.
Es würde sich dabei lediglich um eine zusätzliche Vertragsoption für spezielle Konstellationen handeln, in denen die internationale Preisreferenzierung die Verfügbarkeit von innovativen Arzneimitteln in Deutschland massiv gefährden würde, schreibt der vfa in seiner Stellungnahme zum Entwurf: „Ein Systemwechsel von einer öffentlichen hin zu einer vertraulichen Abwicklung aller Erstattungsbeträge wird durch die neuen Vorgaben weder implementiert noch induziert.“
Schon wegen der kleinen Zahl der zu erwartenden Anwendungsfälle würde eine solche Regelung keine signifikanten Bürokratiekosten für das Gesamtsystem verursachen. Zudem sei das Prinzip der Nacherstattung auch grundsätzlich nichts Neues, schließlich werde bereits bei der rückwirkenden Geltung des Erstattungsbetrages im Verfahren nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) so verfahren.
Die Regelung sei deshalb im Einzelfall grundsätzlich geeignet, die Zielsetzung der Versorgungsverbesserung zu erreichen. Der vfa spricht sich gar dafür aus, den Anwendungsbereich der Option nicht unnötig zu beschränken.
Der Verband Pharma Deutschland (ehemals BAH) sieht das bereits etwas anders. Zwar begrüße der Verband die Pläne grundsätzlich, doch würden die vorgesehenen Umsetzungsregeln eine Vielzahl von Maßnahmen und Verfahrensbeteiligten beinhalten, „die nicht nur einen immensen Umsetzungsaufwand einfordern, sondern auch eine gesicherte und gleichgerichtete Vertraulichkeitswahrung gefährden“, heißt es in der Stellungnahme.
Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem, der als Sachverständiger gefragt wurde, hält die Idee zwar für grundsätzlich nachvollziehbar, da sie zumindest im Einzelfall dazu beitragen könne, dass Arzneimittel auf dem deutschen Markt ausgeboten werden, bei denen dies ohne diese Regelung nicht möglich wäre. Allerdings würde die Regelung „an verschiedenen Stellen zu Reibungen mit bestehenden Steuerungsmechanismen“, führen, beispielsweise im Kontext der Wirtschaftlichkeitsprüfungen.
Demgegenüber steht eine breite Front an Verbänden und Institutionen, die die Pläne teils entschieden ablehnen. Zu ihr gehören die Bundesärztekammer (BÄK), der GKV-Spitzenverband, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der Verband der Privaten Krankenversicherung, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro), der Verband der Arzneimittel-Importeure, das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin, die BAG Selbsthilfe sowie mehrere Krankenkassenverbände.
Sie heben mehrheitlich darauf ab, dass es keinerlei Anhaltspunkte für die Vorstellung des BMG gebe, dass Unternehmen unter der Prämisse der Vertraulichkeit tatsächlich höhere Rabatte geben würden. Wahrscheinlich sei eher das Gegenteil der Fall: Fehlende Preistransparenz würde die vorhandenen Instrumente zur Regelung einer wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung gefährden und zu einem unverhältnismäßigen bürokratischen Mehraufwand führen, schreibt beispielsweise der G-BA.
Zudem hätte eine solche Regelungen negative Auswirkungen auf das Nutzenbewertungsverfahren. Denn dann müssten die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapien auf Basis der öffentlich verfügbaren Listenpreise kalkuliert werden, die dann wenig mit den der GKV tatsächlich entstehenden Kosten gemein hätten und in den Beschlüssen regelhaft zu hoch abgebildet werden.
„Für die Außenwelt – Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten in Deutschland, aber auch innerhalb der Europäischen Union (EU) – wäre in keiner Weise mehr nachvollziehbar, inwiefern der im Nutzenbewertungsbeschluss festgestellte Zusatznutzen überhaupt noch einen Einfluss auf die Preise der Arzneimittel hat, wenn der verhandelte Erstattungsbetrag nicht öffentlich wird“, schreibt der G-BA.
Auch der GKV-Spitzenverband warnt vor erheblichen finanziellen Mehrbelastungen, die auch durch ein Unterlaufen des Wirtschaftlichkeitsgebots zustande kommen könnten. „Ohne Kenntnis des vertraulichen Erstattungsbetrages kann der Vertragsarzt das für die GKV effektiv preisgünstigere Arzneimittel – auch und gerade bei Entscheidungen zwischen verschiedenen AMNOG-Arzneimitteln – nicht erkennen und auswählen“, schreibt er in seiner Stellungnahme. Etwaig eingeräumte Rabatte zugunsten der GKV würden dann überhaupt nicht realisiert.
Ein ähnliches Stimmungsbild zeichnet sich bei der Frage nach der Einrichtung einer Bundesethikkommission ab, die offiziell „Spezialisierte Ethik-Kommission für besondere Verfahren“ genannt wird. Pharma Deutschland erscheint dieser Schritt zwar zumindest für bestimmte Verfahren zielführend zu sein. Allerdings würden sich daraus einige Unklarheiten hinsichtlich der Vorgaben und der international geforderten Unabhängigkeit dieser Ethikkommission ergeben.
Zudem würde das bisherige Verfahren der Zuordnung von Ethikkommissionen zur Verfahrensführung bei klinischen Prüfungen, „entgegen dem propagierten Ansatz einer Entbürokratisierung, eher verkompliziert und undurchsichtiger gestaltet“, schreibt der Verband. „Es ist zweifelhaft, ob diese Maßnahme die Attraktivität Deutschlands für die Beantragung und Durchführung von klinischen Prüfungen erhöht.“
Beim Thema Bundesethikkommission äußert eine breite Front an Verbänden und Institutionen ihre Ablehnung, ohne dass es explizite Fürsprecher für das Vorhaben gäbe. So kritisieren der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK), der vfa, die Leopoldina, die BÄK, das IQWiG, aber auch der BPI und die BAG Selbsthilfe das Vorhaben teils deutlich.
Mit einer Bundesethikkommission würde unter dem Dach derselben Institution – des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Genehmigung, die ethische Bewertung und gegebenenfalls auch die Bewertung nach Studienende durchgeführt werden, kritisiert beispielsweise das IQWiG.
Der AKEK warnt, dass neben den bewährten und etablierten Ethik-Kommissionen der Länder eine Parallelbürokratie geschaffen würde. „Dies würde in der Folge zu Zeitverlust, Verlust von Expertise, zusätzlichen Reibungsverlusten und zur Schwächung der bestehenden Ethik-Kommissionen führen, was auch Auswirkungen auf den Studienstandort Deutschland haben würde“, schreibt er in seiner Stellungnahme.
Außerdem sei die Einrichtung einer Spezialisierte Ethik-Kommission beim BfArM und die Ernennung ihrer Mitglieder durch das BMG nicht mit der Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen im Sinne der Deklaration von Helsinki vereinbar: „Alle Funktionen und Entscheidungskompetenzen lägen damit konzentriert im Bereich der staatlichen Bundesoberbehörde und im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums.“
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