Ärzteschaft

Klinische Forscher warnen vor Ethikkommission auf Bundesebene

  • Montag, 27. Mai 2024
/sudok1, stock.adobe.com
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Berlin – Der derzeit diskutierte Referentenentwurf des Medizinforschungsgesetzes (MFG) ist aus Sicht der Initiative Studienstandort Deutschland (ISD), einem Zusammenschluss von mehr als 20 Organisationen und Akteuren im Bereich der klinischen Forschung, überarbeitungsbedürftig. Zwar zeige er grob in die richtige Richtung: Deutschland müsse als Standort für Forschung- und Entwicklung international wieder eine führende Rolle übernehmen und sein volles Potenzial ausschöpfen.

Über den Weg dahin hat die ISD jedoch andere Ansichten als die Regierung. Insbesondere kritisiert sie die im Entwurf vorgesehene Einrichtung einer „Spezialisierten Ethikkommission für besondere Verfahren“ auf Bundesebene. Darüber bestehe noch Gesprächsbedarf, beispielsweise in Form eines Roundtable zum Studienstandort Deutschland. „Erst eine übergreifend abgestimmte Ausgestaltung der Vorschläge und einige noch nicht im Entwurf enthaltene Ansätze werden umfassende Verbesserungen und schließlich eine höhere Effizienz am Standort Deutschland bringen“, ist die ISD überzeugt.

Ähnlicher Ansicht ist auch der Bundesrat. In seiner Sitzung am 17. Mai hatte auch er sich gegen die Errichtung der solchen „Spezialisierten Ethik-Kommission“ auf Bundesebene ausgesprochen. Es bestünde die Gefahr einer unnötigen und unwirtschaftlichen Parallelbürokratie, befand er. Die Ethik-Kommissionen auf Länderebene seien seit Jahrzehnten in Deutschland etabliert und wesentlich für Sicherheit und Qualität in der klinischen Forschung und mit ihrer Expertise ein Standortvorteil.

Aus Sicht der ISD, der unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK), der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen, die Deutsche Hochschulmedizin sowie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und der Verband Forschender Arzneimittelhersteller angehören, kommt es mit dem nun vorgelegten Regierungsentwurf für das MFG darauf an, die ordnungspolitischen Regelungen für die klinische Forschung in Deutschland mit den Ansätzen der Pharmastrategie zusammenzuführen und eine Gesamtstrategie für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland zu etablieren. Dafür unterbreitet sie auch konkrete alternative Vorschläge.

Im Einzelnen plädiert der Zusammenschluss dafür, dass die bislang registrierten Ethik-Kommissionen der Länder oder eine von ihnen benannte Stelle bis zum 1. Juli 2025 nach Anhörung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts einen besonderen Geschäfts­verteilungsplan für auf bestimmte Verfahren spezialisierte registrierte Ethikkommissionen der Länder und einen allgemeinen Geschäftsverteilungsplan für die weiteren registrierten Ethikkommissionen der Länder erlassen sollten. Dies sei zielführender als eine im Entwurf vorgesehene Fragmentierung in vielschichtige Spezialisierungskategorien.

Die ISD plädiert vielmehr dafür, im bestehenden System der registrierten Ethik-Kommissionen der Länder die Fachkompetenz für besondere und komplexe Studientypen in spezialisierten Ethik-Kommission(en) zu bündeln. Die multidisziplinäre Zusammensetzung der bestehenden Kommissionen gewährleiste diese Expertise schon seit langem. Diese würde auch die Beratung vor Antragstellung deutlich vereinfachen, meinen sie.

Im Prinzip sei der Ansatz der Bundesregierung zwar zu begrüßen, die Harmonisierung der ethischen Anforderungen an klinische Prüfungen bzw. die entsprechenden Anforderungen an Ethik-Kommissionen in Deutschland zu stärken, so die ISD. Es sei auch sachgerecht, die Fachkompetenz für besondere und komplexe Studientypen in spezialisierten Ethikkommission(en) zu bündeln. Die Errichtung einer „Spezialisierte Ethikkommission für besondere Verfahren“ sei jedoch nicht zielführend. Durch sie würde neben den bewährten und etablierten Ethik-Kommissionen der Länder eine Parallelbürokratie geschaffen.

„Dies würde in der Folge zu Zeitverlust, Verlust von Expertise, zusätzlichen Reibungsverlusten und zur Schwächung der bestehenden Ethik-Kommissionen führen, was auch Auswirkungen auf den Studienstandort Deutschland haben würde“, heißt es in der jüngsten ISD-Stellungnahme.

Mit großer Sorge sieht man der Einrichtung einer Spezialisierte Ethikkommission beim BfArM und die Ernennung ihrer Mitglieder durch das BMG auch aus ethischen Gründen entgegen. Die Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen im Sinne der Deklaration von Helsinki sei dann nicht mehr gewährleistet, mahnen seit Wochen ISD-Mitglieder. Dass alle Funktionen und Entscheidungskompetenzen dann konzentriert im Bereich der staatlichen Bundesoberbehörde und im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums lägen, ist für sie nicht mit den ethischen Grundsätzen der weltweit geltenden Deklaration von Helsinki vereinbar.

Für die ISD ist die Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen nicht zuletzt in der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit ein wichtiges Signal. Sei sie in Gefahr, müsse man auch mit sinkender Teilnahmebereitschaft an Studien rechnen.

ER

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