Politik

Verbändeanhörung: Breite Kritik am Krankenhausreformanpassungsgesetz

  • Donnerstag, 21. August 2025
/picture alliance, Zoonar, Channel Partners
/picture alliance, Zoonar, Channel Partners

Berlin – Vielstimmige Kritik am Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) gibt es anlässlich der heutigen Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf im Bundesgesundheitsministerium. Nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes soll ein nach der Anhörung von Verbänden sowie den Bundesländern überarbeiteter Kabinettsentwurf demnächst veröffentlicht und möglicherweise bereits am 10. September im Bundeskabinett verabschiedet werden.

In Stellungnahmen zur Anhörung schreibt die Bundesärztekammer (BÄK), dass aus ihrer Sicht der Entwurf hinter dem Ziel zurück bleibe, die grundlegenden Mängel des Krankenhausreformgesetzes zu beheben und auch der Marburger Bund (MB) sieht eine „praxistaugliche Nachbesserung“ nur ansatzweise erreicht. Krankenkassenverbände warnen vor kontraproduktiven Aufweichungen bei der Krankenhausreform.

Zwar enthalte der vorliegende Referentenentwurf zur Fortentwicklung der Krankenhausreform eine Reihe sinnvoller Maßnahmen, das ändere aber nichts daran, dass die Reform „in ihrem Kern nicht funktionstüchtig ist“, warnte Klaus Reinhardt, Präsident der BÄK.

Zu den Kernproblemen der Reform gehöre die Ausgestaltung der Vorhaltevergütung. Der derzeit verfolgte Ansatz verfehle das an sich richtige Ziel einer fallzahlunabhängigen Vergütung der notwendigen Vorhaltung und führe stattdessen „zu Überregulierung und neuen Fehlanreizen“. Daran ändert auch die jetzt vorgesehene Verschiebung um ein Jahr nichts.

Zudem drohe auch der Leistungsgruppen-Grouper ohne grundlegende Anpassungen zu relevanten Verwerfungen zu führen. Reinhardt kritisierte außerdem eine „erhebliche Zunahme der versorgungsfeindlichen Bürokratie“.

Der Marburger Bund fordert in seiner Stellungnahme eine fallunabhängige Finanzierung der Vorhaltekosten, weitere Anpassungen im Bereich der Qualitätsvorgaben einzelner Leistungsgruppen sowie eine Überarbeitung des Groupers.

Besonders kritisch bewertet der Verband die geplante Einführung von Mindestvorhaltezahlen. Die Komplexität und das Zusammenwirken der Regelungen seien nicht kalkulierbar – zudem stelle die Einführung der Leistungsgruppen selbst bereits ein ausreichend starkes Steuerungsinstrument dar. „Statt Orientierung zu schaffen, drohen zusätzliche Hürden, die die Versorgung erschweren und für die es keinerlei wissenschaftliche Grundlage gibt“, so die Warnung des MB.

Kritik an Vorhaltefinanzierung

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bekräftigte heute ihre Position: Man stehe weiterhin hinter den Zielen und Grundsätzen der mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) angestoßenen Reform.

In der Ausgestaltung sehe man aber noch erheblichen Nachbesserungsbedarf, betonte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. „Viele Regelungen sind zu starr, zu bürokratisch und gefährden die flächendeckende Versorgung. Die Krankenhausreform muss den Patientinnen und Patienten dienen und ist kein Selbstzweck zur Einführung bundeseinheitlicher Strukturen.“

Unter anderem sei die geplante Vorhaltefinanzierung in ihrer jetzigen Form „völlig ungeeignet, die gesundheitspolitischen Ziele der Reform zu unterstützen“, so Gaß. Stattdessen bräuchten die Krankenhäuser ein wirklich fallzahlunabhängiges Vergütungssystem, entwickelt von den Partnern der Selbstverwaltung. Darüber hinaus fordert die DKG, den Ländern in der Krankenhausplanung „ausreichend Spielraum“ zu belassen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßt in ihrer Stellungnahme grundsätzlich die Intention des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Anpassungen an der Krankenhausreform vorzunehmen – dies gelte insbesondere in Bezug auf geplante Regelungen für die belegärztliche Versorgung. Diesem wichtigen Versorgungszweig hätte ansonsten eine Schwächung gedroht.

„Allerdings bedauern wir, dass die Möglichkeit, die KBV am Leistungsgruppenausschuss zu beteiligen, mit diesem Entwurf nicht wahrgenommen wurde. Wir fordern daher, dies im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachzuholen und im Gesetz zu verankern“, so die KBV weiter.

Betont wird zudem, dass eine notwendige und bedarfsgerechte Konzentration der stationären Versorgung auf diejenigen Standorte, die notwendig sind, den wesentlichen Erfolgsfaktor für eine gute Krankenhausreform darstellt.

Genau diesen Punkt thematisieren auch die Krankenkassenverbände. „Mit dem gerade diskutierten Krankenhausreformanpassungsgesetz sollen die Bundesländer weitreichende Ausnahmeregelungen erhalten“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

„Statt wirklich verbindlicher, in ganz Deutschland geltender Mindeststandards, wie zum Beispiel die Mindestanzahl an Ärztinnen und Ärzten je nach Fachgebiet, sollen die Bundesländer solche relativ frei unterschreiten können.“

„Eine Aufweichung der geplanten Qualitätsvorgaben würde die zentralen Ziele der Reform, also eine bundesweit einheitliche und hohe Behandlungsqualität für mehr Patientensicherheit, grundlegend gefährden“, warnte Stoff-Ahnis.

Als „völlig unverständlich“ kritisierte sie die geplante Streichung von bundeseinheitlichen Erreichbarkeitsvorgaben für Ausnahmen. Gäbe es sie nicht, könnte ein Bundesland praktisch immer erklären, dass die flächendeckende Versorgung gefährdet ist, so die Kritik.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, blickt ebenfalls kritisch auf die geplante „Reform der Reform“. „Aus Sicht der AOK setzt das KHAG teilweise falsche Schwerpunkte bei der Anpassung der Krankenhausreform“, sagte sie.

Zwar werde mit der Reform ein zentraler Fehler behoben, indem die Finanzierung des Transformationsfonds nunmehr aus Bundesmitteln erfolgen solle. Damit werde „eine unserer zentralen Forderungen aufgegriffen“. Aber die Einführung einer bedarfsorientierten und fallzahlunabhängigen Vorhaltefinanzierung unterbleibe weiterhin.

Die Verschiebung der Vorhaltefinanzierung um ein Jahr sollte genutzt werden, so der AOK-Bundesverband, um ein wissenschaftliches Bedarfsbemessungsinstrument zur Bestimmung der Vorhaltebudgets zu entwickeln. Die vorgesehenen Ausnahmeregelungen bei den Qualitätsvorgaben drohten auf Kosten der Patientensicherheit zu gehen, kritisiert der Verband. Das Ziel einer qualitätsorientierten Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung werde so konterkariert.

Ehrlichkeit gefragt

„Wir müssen uns ehrlich fragen, wann wir die Versicherten endlich ins Boot holen und ihnen sagen, was die ständigen Aufweichungen bei der Krankenhausreform und das Festklammern an einem teuren und oft ineffizienten System wirklich bedeuten. Im besten Fall wird lediglich die gewünschte Versorgungsqualität verfehlt, im schlimmsten Fall geht es um den Unterschied zwischen Leben und Tod“, übte auch Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbandes, Kritik.

Eine Spezialisierung und Professionalisierung von Krankenhausstandorten sowie die konsequente Umsetzung und Einhaltung von Qualitätsstandards seien kein bürokratischer Selbstzweck, sondern absolut notwendig, um eine sichere und hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten. „Es ist unverantwortlich, dass ausgerechnet diese Grundprinzipien jetzt durch Ausnahmen, Hintertürchen und föderale Beliebigkeit verwässert werden sollen.“

Ähnlich argumentierte Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V.. Ausnahmen sollten nur dort zulässig sein, wo sie zur Sicherung einer bedarfsnotwendigen Versorgung in unterversorgten Regionen zwingend erforderlich seien – „und selbst dann nur befristet“. Darüber hinaus müssten bundesweit einheitliche, verbindliche Standards für die Zuweisung von Leistungsgruppen gelten.

„Erhebliche Bedenken, ob die geplanten Änderungen in dieser Form den Anspruch einer strukturell tragfähigen und qualitätsorientierten bundesweit vergleichbaren Krankenhausversorgung einlösen können“, äußern auch die hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in ihrer Stellungnahme.

Kritisch zu sehen sei insbesondere, dass die vorgesehenen Ausnahmeregelungen zur Zuweisung von Leistungsgruppen bei Nichterfüllung von Qualitätskriterien die intendierte Qualitätsverbesserung verwässern könnten. Auch die mehrfachen Fristverlängerungen würden die Gefahr bergen, dass dringend notwendige Strukturveränderungen weiter verzögert werden. „Ohne klare und verbindliche Vorgaben droht das KHAG, mehr Umsetzungsaufschub als Reformfortschritt zu bewirken.“

Vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) hieß es, die geplante Ausweitung von Ausnahme- und Kooperationsmöglichkeiten gefährde nicht nur dringend notwendige Strukturveränderungen, sondern führe auch zu einer ungleichen finanziellen Behandlung der Krankenhäuser.

„Kliniken, die trotz Nichterfüllung von Qualitätsanforderungen Leistungsgruppen und Vorhaltevergütung erhalten, werden wirtschaftlich bessergestellt, während andere für die Erfüllung derselben Anforderungen zusätzlichen Aufwand tragen müssen“, so eine Sprecherin des VUD.

aha/bee/dpa

Diskutieren Sie mit:

1

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Kommentare (1)

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung