Verein fordert mehr Frauen in Führungsetagen des Gesundheitswesens

Berlin –Obwohl Frauen in vielen Teilen des Gesundheitssystems überproportional vertreten sind, werden Führungspositionen in der Regel mit Männern besetzt. Der Verein Spitzenfrauen Gesundheit hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern.
Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft luden die Gründerinnen vorgestern gemeinsam mit dem deutschen Ableger der Organistation Women in Global Health zu einer Veranstaltung, bei der Frauen zu Wort kamen, die es an bis an die Spitze geschafft haben.
Ihr Fazit: Frauen müssen sich noch stärker vernetzen, aber auch Männer müssen umdenken. Für nachhaltige Veränderungen müsse ein gesellschaftlicher Wandel stattfinden. Quotenregelungen allein reichten nicht aus – unabhängig davon, ob sie freiwillig oder gesetzlich beschlossen werden.
Besonders viele jüngere Frauen würden keine Führungspositionen anstreben, weil sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von vornherein ausschließen würden. Nur strukturelle Veränderungen wie familiengerechte Arbeitszeiten, Flexibilität beim Arbeitsort sowie die Möglichkeit des Jobsharing auch in Top-Positionen könnten hieran etwas ändern.
Gesetzliche Quoten könnten immerhin ein erster Schritt sein, erklärte unter anderem Sabine Weiss, Parlamentarische Staatsekräterin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), die als Sprecherin eingeladen war. Die Regierung würde hier bereits an Verbesserungen arbeiten.
„Familien- und Justizministerium haben einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen erarbeitet – das sogenannte zweite Führungspositionengesetz“, so Weiss.
Der Entwurf, mit dem unter anderem das Bundesgleichstellungsgesetz geändert werden soll, befinde sich derzeit in der Ressortabstimmung. Mit dem Papier werde eine paritätischen Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Bundesverwaltung bis 2025 angestrebt.
Der Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes beziehe sich auch auf Körperschaften des öffentlichen Rechts des Bundes. „Das bedeutet: auch Selbstverwaltungskörperschaften im Gesundheitswesen auf Bundesebene wie die Kassenärztliche Bundesvereinigungen, der GKV-Spitzenverband und bundesunmittelbare Krankenkassen wären dann von einer Änderung umfasst“, so Weiss.
Aber auch bei den Krankenkassen und Organen der ärtzlichen Selbstverwaltung müsse der Frauenanteil erhöht werden. Das BMG habe dafür unter anderem eine Geschlechterquote bei der Wahl der Verwaltungsräte der Krankenkassen durch das MDK-Gesetz geregelt. Auf den Vorschlagslisten müssten nun mindestens 40 Prozent Frauen stehen, so Weiss.
Über das gleiche Gesetz sei auch die paritätische Besetzung der zukünftigen Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste der Länder und des Verwaltungsrats des Medizinischen Dienstes Bund festgelegt.
Momentan sitze in zehn von 17 Vorständen der Kassenärztlichen Vereinigungen keine einzige Frau, erklärte Antje Kapinsky, Mit-Gründerin des Vereins Spitzenfrauen Gesundheit und Fachleiterin Gesundheitspolitik bei der Techniker Krankenkasse (TK). Von den 24 Vorstandsmitgliedern der zehn größten Krankenkassen in Deutschland seien nur zwei weiblich.
Dass Vorstände rein männlich besetzt seien, müsse peinlich werden, kommentierte Cornelia Wanke, Initiatorin der Initiative Spitzenfrauen und Geschäftsführerin des Vereins der Akkreditierten Labore in der Medizin. Die beiden Vorstandsmitglieder des Vereins Spitzenfrauen Gesundheit, hatten die Veranstaltung organisiert.
Auch branchenübergreifend sei die Situation für Frauen nicht besser, berichtete Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt.
Andere Länder sind Deutschland bei Frauenführung voraus
Der Frauenanteil in den Vorständen der 30 größten Börsenunternehmen liege in Deutschland aktuell bei 14,7 Prozent. In Schweden liege dieser Anteil um acht Prozent höher. In den USA seien 27,8 Prozent der Vorstände in börsenrelevanten Unternehmen weiblich. Die Gründe seien vielfältig.
In Schweden etwa habe die Regierung schon in den 1970ern für eine Elternzeit auch für Männer geworben und bereits 1971 das Ehegattensplitting abgeschafft. Gesellschaftlich werde erwartet, dass auch Männer ihre Elternzeit nehmen. Zudem würden familienrelevante Zeiten am Abend durch Arbeitgeber explizit respektiert.
Auch eine Gesprächrunde von Chantal Friebertshäuser, Dorothee Schoreit und Gitte Neubauer, alle drei Führungskräfte in namhaften Pharmakonzernen, bestätigte, dass international aufgestellte Unternehmen beim Thema weibliche Führung häufig fortschrittlicher sind und Frauen mehr Aufstiegschancen bieten.
Veränderung wird als Risiko wahrgenommen
Dass dies bei den deutschen Krankenkassen oder in der ärztlichen Selbstverwaltung häufig anders sei, liege bisweilen auch daran, dass an alten Traditionen festgehalten werde, meinte Irmgard Stippler, Vorstandsmitglied bei der AOK Bayern. In Deutschland werde viel auf Sicherheit gesetzt, Veränderung werde als Risiko wahrgenommen.
Hier könnten gesetzlich verordnete Quoten durchaus hilfreich sein, bestätigte Karen Walkenhorst, Vorstandsmitglied bei der TK. „Zunächst war es für mich komisch, eine Quotenfrau zu sein. Aber die Arbeit in paritätisch besetzten Gremien ist wirklich anders und macht Spaß“, so Walkenhorst. Beispielsweise werden nun auch darüber gesprochen, wie man miteinander arbeiten wolle.
Alle Referentinnen betonten darüber hinaus die Wichtigkeit von Mentortätigkeiten und Netzwerken, zu denen jetzt auch der Verein Spitzenfrauen Gesundheit zähle. So verkündete Gründungsmitglied Wanke zum Ende des Abends auch noch eine Erfolgsmeldung: „Es gibt uns erst seit zwölf Wochen und wir haben schon 50 Mitglieder."
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