Vorhaltebudget wird wie Mehrleistungsabschlag wirken

Berlin – Vertreter von Krankenhäusern gehen davon aus, dass die Einführung eines Vorhaltebudgets die Situation der Krankenhäuser nicht verbessern wird. Das wurde vergangene Woche auf dem Hauptstadtkongress in Berlin deutlich.
„Ich halte die Debatte über das Vorhaltebudget für eine Fakedebatte“, sagte der Erste Hauptgeschäftsführer der Knappschaft Kliniken, Andreas Schlüter. „Die echten Probleme liegen woanders.“ Erbringe ein Krankenhaus mehr Leistungen, als zuvor vereinbart, erhalte es durch den angedachten 20-Prozent-Korridor pro erbrachter Mehrleistung weniger Geld. Eine Folge könnten Wartelisten sein.
Mit der Krankenhausreform will die Bundesregierung unter anderem ein Vorhaltebudget einführen, das die Krankenhäuser unabhängig von der erbrachten Fallzahl erhalten sollen – wie es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Beginn des Reformprozesses angekündigt hatte.
Auf diese Weise sollten die Krankenhäuser aus dem Hamsterrad des Mehrleistungsanreizes befreit werden. Im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehen ist dabei, dass sich das Vorhaltebudget aus den Fallzahlen der Vorjahre berechnet. Der 20-Prozent-Korridor sieht dabei vor, dass das Budget in einem Korridor von 20 Prozent nach oben oder unten unverändert bleibt.
Die Geschäftsführerin des Herz- und Diabeteszentrums NRW, Karin Overlack, kritisierte diese Regelung. „Das Vorhaltebudget verändert sich für ein Haus nur dann, wenn Fallzahlen in einer Leistungsgruppe des Hauses im Vergleich zum Referenzjahr um mehr als 20 Prozent steigen oder sinken“, sagte sie.
Ein Haus mit 1.000 Fällen müsse also 200 Fälle mehr erbringen, um eine höhere Vorhaltevergütung zu erhalten, ein Haus mit 200 Fällen jedoch nur 40. Obwohl mit der Krankenhausreform eigentlich die Zentralisierung gefördert werden soll, mache das Vorhaltebudget in seiner jetzigen Berechnung Mehrleistungen an großen Häusern unattraktiver als an kleineren. In dieser Form wirke das Budget wie ein Mehrleistungsabschlag.
Der Chief Financial Officer des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Peter Pansegrau, bezeichnete die Feuerwehrlogik des Vorhaltebudgets im Grunde als charmant: dass – wie bei der Feuerwehr – die reine Vorhaltung der Leistung bezahlt wird. So, wie das Budget jetzt ausgestaltet ist, werde dies aber nicht erreicht, betonte auch er.
Mit dem Budget gebe es für die Krankenhäuser einen Punkt, bei dem die Wirtschaftlichkeit optimal sei – und der liege wohl bei etwas unterhalb von 100 Prozent der vereinbarten Leistungen. Dies werde am Ende dazu führen, dass die Kapazitäten am Markt noch weiter verknappt würden, während die Nachfrage ansteige, meinte Pansegrau.
Reform kann Ergebnisqualität verbessern
Die Krankenhausreform sei dazu geeignet, die Krankenhausstrukturen im Land zusammenzuführen und die Effizienzen zu steigern. „Das begrenzende Medium sind die Personalkapazitäten“, betonte Pansegrau. „Ich fürchte, dass der Punkt erreicht werden wird, an dem die Nachfrage durch das System nicht mehr abgedeckt werden kann, auch nicht von den großen Häusern.“
Schlüter von den Knappschaft Kliniken meinte, dass es möglich sei, die Ergebnisqualität durch eine Konzentration von Standorten zu erhöhen. Er berichtete von der Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen, wo das Gesundheitsministerium des Landes den Krankenhäusern vor kurzem vorläufig mitgeteilt hat, wie viele Fälle sie künftig noch in den jeweiligen Leistungsgruppen erbringen dürfen.
Schlüter nannte als Beispiel, dass im Kreis Arnsberg vor der Reform 17 Krankenhäuser Lebern operiert hätten. Künftig seien es nur noch drei. „Es wird also zu einer Steigerung der Ergebnisqualität kommen“, sagte er. Wenn es auf Bundesebene zu ähnlichen Konzentrationen kommen werde, werde auch hier die Ergebnisqualität steigen.
Infolge der zuletzt gestiegenen Inflation schreiben zurzeit viele Krankenhäuser rote Zahlen. Sie fordern vor diesem Hintergrund vom Bund eine Zwischenfinanzierung, bevor die Effekte der Krankenhausreform greifen. Christian Karagiannidis, Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus, sprach sich gegen eine Zwischenfinanzierung für alle Krankenhäuser aus.
„In der Coronapandemie haben wir die Hilfen mit der Gießkanne an alle Häuser verteilt, obwohl der größte Teil der COVID-19-Patienten in nur etwa 500 Krankenhäusern versorgt wurde“, sagte Karagiannidis.
Er forderte, dass nun nur die Krankenhäuser Hilfszahlungen erhalten, die systemrelevant sind. „Ich persönlich glaube, dass wir deshalb nicht darum herumkommen werden, die systemrelevanten Krankenhäuser zu definieren, bevor wir darüber sprechen, Hilfszahlungen zu leisten“, so Karagiannidis.
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